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HEAT-SHIELD

Projekt

Hitzestress ist eine potenziell grosse gesundheitliche Gefahr mit Bedeutung für viele gesellschaftliche und wirtschaftliche Sektoren. Auf europäischer Skala ist bereits heute ein deutlicher negativer Einfluss auf Gesundheit und Produktivität zu beobachten. Dieser Effekt wird mit dem projizierten Klimawandel und insbesondere mit der erwarteten Klimaerwärmung zunehmen. Umso wichtiger sind Kenntnisse über die klimatischen und nicht-klimatischen Einflussfaktoren auf Hitzestress und verlässliche Hitze-Prognosen auf allen zeitlichen Skalen.

Projektanfang01.01.2016
Projektende31.12.2021
RegionInternational
StatusAbgeschlossene Projekte
  • Forschung & Zusammenarbeit
  • Klima

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Hitze und Hitzestress sind eine grosse gesellschaftliche Herausforderung. Schon heute leidet ein beträchtlicher Teil der europäischen Bevölkerung in den Sommermonaten unter langen und intensiven Hitzeperioden. Neben gesundheitlichen Risiken sind dabei auch wirtschaftliche Produktionseinbussen ein Thema. Der Klimawandel und speziell steigende Temperaturen werden den Hitzestress am Arbeitsplatz in Zukunft vergrössern. Anpassungsstrategien sind deshalb von Nöten.

Das europäische HEAT-SHIELD Projekt (EU HORIZON2020, Grant agreement no. 668786) stösst in diese Lücke mit dem Ziel, die Anfälligkeit der arbeitenden Bevölkerung gegenüber Hitzestress zu verringern. HEAT-SHIELD betrachtet explizit fünf strategische wirtschaftliche Sektoren, die zusammengenommen circa 50% der europäischen Arbeitnehmerschaft repräsentieren: Transportwirtschaft, Baugewerbe, industrielle Produktion, Tourismus und Landwirtschaft. Das Projekt verfolgt einen durchweg interdisziplinären Ansatz mit Teilnehmern und Partnern aus unterschiedlichen Fachdisziplinen wie Klimatologie, Human-Biometeorologie, und Physiologie sowie aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Organisationen der Zivilgesellschaft. Die Rolle der MeteoSchweiz ist es dabei, die meteorologischen und klimatologischen Grundlagen, die von den Projektpartnern verwertet werden, bereitzustellen und zu bewerten.

Hitzeindex

Zur Beschreibung von Hitzestress steht potentiell eine grosse Anzahl von Indizes zur Verfügung. Aus diesen wurde die wet bulb globe temperature (WBGT) als im Projekt zu betrachtender Hitzeindex ausgewählt. Die WBGT ist das am weitesten verbreitete Mass für Hitzestress am Arbeitsplatz und lässt sich aus meteorologischen Grössen, die standardmässig an Klimastationen gemessen und von Wetter- und Klimamodellen berechnet werden, ableiten. Die WBGT ist mithilfe internationaler Standards weiterhin auf verschiedene spezifische Arbeitsumgebungen anwendbar. In HEAT-SHIELD wird die WBGT in zwei Varianten berechnet: 1) WGBT im Schatten bzw. im Gebäudeinneren (Berücksichtigung von Lufttemperatur und Luftfeuchte) und 2) WGBT in der Sonne bzw. ausserhalb von Gebäuden (zusätzliche Berücksichtigung von solarer Einstrahlung und Windgeschwindigkeit). Existierende WBGT Schwellenwerte zur Identifikation von Hitzestress (bei Überschreitung eines bestimmten WBGT Wertes) wurden dabei im Rahmen von HEAT-SHIELD angepasst unter Berücksichtigung der spezifischen Arbeitsbelastung (niedrig bis hoch) und des persönlichen Grades der Akklimatisierung (Ist die betreffende Person an die bestehenden klimatischen Verhältnisse gewöhnt oder nicht?). So kann ein WBGT-Wert über 27°C zum Beispiel als hohe Hitzebelastung für wenig akklimatisierte Arbeitnehmer mit mittlerer Arbeitsbelastung interpretiert werden. Die entsprechende Verhaltensempfehlung in einem solchen Fall wäre eine Reduktion der effektiven Arbeitszeit auf 15 Minuten pro Stunde und eine Flüssigkeitsaufnahme von mindestens einem Liter.

Klimawandel und Hitzestress

Zur Quantifizierung des Hitzestressrisikos im langjährigen Klimawandelkontext kombiniert HEAT-SHIELD ein umfassendes Ensemble regionaler Klimaprojektionen aus dem EURO-CORDEX Projekt mit einer Methode zur Biaskorrektur und zum weiteren Herunterbrechen von gegitterten Klimamodelldaten auf einzelne Messstationen (Downscaling). Dabei werden die Klimamodelle zunächst gegen Beobachtungen in einer historischen Referenzperiode validiert, anschliessend werden Fehlerkorrektur und Downscaling durchgeführt.

Die so erhaltenen Klimaprojektionen (Abbildung 1) ergeben je nach Emissionsszenario einen flächenhaften Anstieg der WGBT und damit des Hitzestressrisikos um 1.4-4.5°C bis zum Ende des Jahrhunderts. Damit einhergehend wird die Anzahl der Sommertage mit hohem Hitzerisiko stark ansteigen. In weiten Teilen Zentral- und Südeuropas, inklusive Teilen der Schweiz, werden mehr als 35 Hitzestress-Tage pro Sommer erreicht. Die Mittelmeerküste und generell Spanien sind am stärksten betroffen. Hier könnte jeder zweite Sommertag mit extremer Hitzebelastung einhergehen. Diese ersten Ergebnisse werden in HEAT-SHIELD derzeit weiter ausgewertet und mit demographischen Daten (z.B. Altersstruktur der arbeitenden Bevölkerung oder Besiedlungsdichte) kombiniert.

Hitzestress-Vorhersage für die kommenden Wochen

Neben langjährigen Klimaprojektionen von Hitzestress wird in HEAT-SHIELD auch ein Früherkennungssystem für Hitzebelastung entwickelt. Hierzu wird das Monatsvorhersagesystem des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (EZWMF) ausgewertet. Dieses stellt zweimal pro Woche ensemble-basierte Vorhersagen für die jeweils nächsten sechs Wochen zur Verfügung. Genau wie im Falle der Klimaprojektionen wird hierzu eine kombinierte Fehlerkorrektur- und Downscaling-Methode angewandt, um möglichst robuste Vorhersagen auf der Skala einzelner Messstationen zu erhalten. Eine umfangreiche Evaluierung des Systems auf Basis sogenannter hindcasts („Nachhersagen“, d.h. Vorhersagen des gleichen Systems für Zeitpunkte in der Vergangenheit) zeigt, dass die erstellten Vorhersagen der sommerlichen WBGT für die kommenden zwei bis drei Wochen von höherer Qualität sind als die Annahme einer einfachen WBGT-Klimatologie.

Auf Basis der so erstellten Hitzestress-Vorhersagen wurde von der MeteoSchweiz und der Universität Florenz im Rahmen von HEAT-SHIELD der Prototyp eines europaweiten Hitze-Früherkennungssystems für die kommenden vier Wochen entwickelt. Dieses ist direkt über die Projektwebseite zugänglich und wurde speziell für die Toskana mit einem Kurzfrist-Warnsystem für die kommenden 5 Tage kombiniert. Vorhersage und Warnung werden zweimal pro Woche herausgegeben. Zugehörige Europakarten zeigen die erwartete Wahrscheinlichkeit dafür, dass die WBGT in der Sonne auf über 27°C (heisser Tag) oder sogar auf über 30°C (sehr heisser Tag) steigt (Abbildung 2). Derzeit wird dieser Prototyp eines Früherkennungssystems in HEAT-SHIELD unter Berücksichtigung spezieller Nutzeranforderungen weiterentwickelt.