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COALITION-4: Gewittervorhersage mit künstlicher Intelligenz

Projekt

Der COALITION-4-Algorithmus produziert präzise, kurzfristige Gewittervorhersagen, insbesondere für Blitzschlag, Starkniederschlag und Hagel. Es werden dazu hochmoderne Deep-Learning-Methoden verwendet, um Radar-, Blitz- und Satellitenbeobachtungen auszuwerten. Auch die Nutzung der neuesten geostationären Satellitengeneration (GOES-R und Meteosat Third Generation) wird im Projekt vorbereitet. Der COALITION-4-Algorithmus basiert auf einer faltungs- und rekurrenten, neuronalen Netzwerkarchitektur (recurrent-convolutional neural network architecture, RCNN), die in der Lage ist, räumliche Strukturen mit Faltungsschichten und zeitliche Entwicklungen mit rekurrenten Verbindungen zu analysieren. Die Produkte von COALITION-4 sollen für Unwetterwarnungen für die Öffentlichkeit, zur Sicherheit des Flugverkehrs und zum Katastrophenschutz verwendet werden. Von 2020 bis 2023 hat die EUMETSAT Fellowship «Seamless Artificially Intelligent Thunderstorm Nowcasts» von Jussi Leinonen diesem Projekt entscheidende Impulse geliefert.

Projektanfang01.10.2020
Projektende31.12.2024
RegionNational
StatusAktuelle Projekte
  • Mess- & Prognosesysteme
  • Forschung & Zusammenarbeit
  • Wetter

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COALITION-4: Context and Scale Oriented Thunderstorm Satellite Predictors Development Version 4

Während der warmen Jahreszeit entstehen im Alpenraum regelmäßig starke Gewitter. Sie werden oft von Hagel, starken Regenfällen und stürmischen Windböen begleitet. Darüber hinaus können Blitze und Sturzfluten schwere Schäden an Grundstücken und Infrastruktur verursachen und zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Genaue Unwetterwarnungen sind daher essentiell, um Schäden zu reduzieren und die Bevölkerung zu schützen. Die Entwicklung von Gewittern wird durch dynamische und physikalische Prozesse von mikrophysikalischen bis hin zu synoptischen Skalen bestimmt. Diese Prozesse werden auf konzeptioneller Ebene gut verstanden, aber bei der konkreten Vorhersage einer Gewitterzelle ist die Fähigkeit der Wettervorhersagemodelle aus folgenden Gründen begrenzt: Erstens geht die Komplexität der mikrophysikalischen Prozesse über das hinaus, was aus Rechenzeitgründen in einem operationellen Wettervorhersagemodell explizit dargestellt werden kann. Zweitens bestehen weiterhin Unsicherheiten bei der Simulation von turbulenten und mikrophysikalischen Prozessen. Drittens ist die Entwicklung von Gewittern ein nichtlinearer Prozess. Sie ist somit sehr sensitiv gegenüber kleinen Unsicherheiten des Zustands der Atmosphäre, wodurch die Vorhersagbarkeit begrenzt ist (deterministisches Chaos). Daher werden sogenannte Nowcasting-Methoden verwendet, um präzise, lokale Gewitterwarnungen mit Vorhersagezeiten von wenigen Minuten bis zu wenigen Stunden zu generieren.

Ziele und Eingangsdatensätze

Zur Erstellung der COALITION-4 Nowcasting-Produkte werden bodengestützte Radar- und Blitzdaten, Satellitenbeobachtungen und Wettermodellvorhersagen mit Methoden des maschinellen Lernens (der künstlichen Intelligenz) ausgewertet. Diese sind in der Lage, multivariate nichtlineare Prozesse komplexer Systeme darzustellen und eine große Anzahl von Prädiktoren zu berücksichtigen. Prädiktoren sind Informationen, auf denen die Vorhersage basiert: Die Radardaten liefern Informationen über die Hydrometeore (Regen, Hagel, Eiskristalle etc.), während die bildgebenden Satellitensensoren die Wolken beobachten. Und das Wettermodell errechnet z.B. den Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre. Mithilfe der Prädiktoren kann der aktuelle Zustand des Gewitters und der atmosphärischen Umgebung erfasst und die weitere Entwicklung abgeschätzt werden. Da es zahlreiche mögliche Prädiktoren gibt, muss eine Auswahl getroffen werden, in die unser Wissen über die zugrundeliegenden dynamischen und physikalischen Prozesse einfließt.

In diesem Projekt wurden bereits folgende Meilensteine erreicht:

  • Vorbereitung auf die Nutzung von Beobachtungen der MTG-Imager Satellitenmissionen für das Gewitter-Nowcastingdurch Verwendung von qualitativ ähnlichen Beobachtungen von GOES ABI und GOES GLM als Vorläuferdaten für MTG-Messungen in einem Entwicklungsalgorithmus. Die Ergebnisse wurden in Leinonen et al, 2021a veröffentlicht.
  • Entwicklung einer Deep-Learning-Architektur zum Nowcasting von Gewittergefahren. Zuerst wurden neuronale Netze mit Faltungen (convolutional neural network) implementiert, die in der Lage ist, räumliche Strukturen in den Eingangsdaten (z.B. vom Gewitteramboss oder auf dem Radarbild) mithilfe von Faltungsschichten zu analysieren. Um unser Modell im Vergleich zu anderen Lösungen zu testen, nahmen wir am Wettbewerb «Weather4cast 2021» teil, der vom Institute of Advanced Research in Artificial Intelligence (IARAI) in Zusammenarbeit mit der Nowcasting-SAF organisiert wurde. Unser Modell erreichte den ersten Platz sowohl in der Core- und Transfer-Learning-Reihe als auch im IEEE Big Data Wettbewerb. Die Ergebnisse wurden in Leinonen, 2021b und Leinonen, 2021c veröffentlicht.
  • Im Anschluss wurde die Modellarchitektur erweitert. Es wurden rekurrente Verbindungen eingeführt, um die zeitliche Entwicklung der Gewitter besser zu erfassen. Die Architektur wurde somit zu einem rekurrenten neuronalen Netzwerk mit Faltungen (recurrent-convolutional neural network, RCNN). Weiterhin wurde es ermöglicht, mehr Prädiktoren mit unterschiedlicher räumlicher Auflösung zu analysieren. Dann wurde dieses Modell darauf trainiert, Blitze im Kurzfristbereich vorherzusagen.Die Ergebnisse wurden in Leinonen et al, 2022 veröffentlicht.
  • Danach wurde das Modell erweitert, um auch Hagel und Starkniederschlag vorherzusagen. Des Weiteren wurde die Bedeutung der verschiedenen Eingangsgrössen (wie Radar, Satellit und Wettermodell) für die verschiedenen Zielgrössen (Blitze, Hagel und Starkniederschlag) untersucht. Die Ergebnisse wurden in Leinonen et al, 2023 veröffentlicht.

Nutzung der neuesten Wettersatelliten

Ende 2022 wurde der erste Satellit der neuen, europäischen Generation geostationärer Wettersatelliten, der Meteosat Third Generation Imager 1, ins All geschossen. Ende 2023 begannen die ersten prä-operationellen Datenlieferungen. MTG hat stark verbesserte sowie komplett neu entwickelte Sensoren an Bord, die noch nie dagewesene Möglichkeiten bieten, Gewitter zu beobachten. In COALITION-4 wurde bereits in den davorliegenden Jahren die Nutzung der MTG-Daten vorbereitet:

  • Der MTG Lightning Imager (LI) vermisst die Blitzaktivität vom Weltraum aus. Blitze sind eine direkte Gefahr für den Flugverkehr sowie Freiluft-Veranstaltungen. Intensive Blitzaktivität ist auch ein guter Prädiktor für Hagelbildung und schwere Windböen. Um den Nutzen vom MTG LI zu quantifizieren, wurden in diesem Projekt ähnliche Messungen des Global Lightning Mapper auf dem amerikanischen GOES-Satelliten verwendet, siehe Leinonen et al, 2021a.
  • Der MTG Flexible Combined Imager (FCI) ist eine Weiterentwicklung des SEVIRI-Instruments, das  auf dem Meteosat Second Generation (MSG) ist. Wesentliche Verbesserungen werden von der höheren räumlichen, zeitlichen und spektralen Auflösung von FCI im Vergleich zu SEVIRI erwartet. Die höhere zeitliche Auflösung wird das Tracking von Gewittern weiter verbessern und es ermöglichen, zusätzliche Charakteristika wie Overshooting Tops sowie die Divergenz im oberen Wolkenbereich zu erkennen. Zusätzliche spektrale Kanäle werden genauere Informationen über die Wolkenphase, die Mikrophysik und mehrschichtige Wolken liefern. Die Nutzung des FCI wurde mit Beobachtungen des Advanced Baseline Imagers auf dem amerikanischen GOES-Satelliten vorbereitet, siehe Leinonen et al, 2021a.
  • Der Infrared Sounder (IRS) auf MTG wird Temperatur- und Feuchtigkeitsprofile vermessen, die die atmosphärische Instabilität bestimmen (z.B. CAPE, CIN). Der Nutzen von MTG-IRS-Beobachtungen kann mit Messungen von hyperspektralen Sensoren (IASI, CrIS und AIRS) auf polaren Satelliten simuliert werden.

Für weitere Informationen über das COALITION-4 Projekt wenden Sie sich bitte an Ulrich Hamann.

Publikationen

  • Leinonen, J., U. Hamann, U. Germann, & J. R. Mecikalski, 2021
    Nowcasting thunderstorm hazards using machine learning: the impact of data sources on performance
    Natural Hazards and Earth System Sciences 22.2 (2022): 577-597; https://nhess.copernicus.org/articles/22/577/2022/
  • Leinonen, J., 2021b. Spatiotemporal weather data predictions with shortcut recurrent convolutional networks: A solution for the Weather4cast challenge. Proceedings of the CIKM 2021 Workshops, G. Cong, and M. Ramanath, Eds., URL http://ceur-ws.org/Vol-3052/short15.pdf
  • Leinonen, J., 2021c. Improvements to short-term weather prediction with recurrent-convolutional networks. 2021 IEEE International Conference on Big Data, https://doi.org/10.1109/BigData52589.2021.9671869
  • Leinonen, J., U. Hamann, U. Germann, & J. R. Mecikalski, 2022
    Seamless lightning nowcasting with recurrent-convolutional deep learning
    Artificial Intelligence for the Earth Systems https://doi.org/10.1175/AIES-D-22-0043.1 also as preprint here https://arxiv.org/abs/2203.10114
  • Leinonen, J., Hamann, U., Sideris, I. V and Germann, U., 2023
    Thunderstorm nowcasting with deep learning: a multi-hazard data fusion model.
    Geophysical Research Letters, 50, e2022GL101626, https://doi.org/10.1029/2022GL101626
  • Rombeek, N., J. Leinonen, and U. Hamann, 2024
    Exploiting radar polarimetry for nowcasting thunderstorm hazards using deep learning
    Natural Hazards and Earth System Sciences, 24.1 (2024): 133-144. DOI: 10.5194/nhess-24-133-2024