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Atmosphärische Flüsse...
MeteoSchweiz-Blog | 14. Oktober 2022
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...sind mehrere 1000 km lang und transportieren viel Feuchtigkeit von (sub-)tropischen Regionen zu den mittleren Breiten. Mögliche Folgen sind unwetterartige Regenfälle, wie beispielsweise im Oktober vor 11 Jahren.

Nicht unwetterartig, sondern herbstlich ruhig zeigte sich der Morgen in Gordola/TI. Bildquelle: Meteomeldung/App
Nicht unwetterartig, sondern herbstlich ruhig zeigte sich der Morgen in Gordola/TI. Bildquelle: Meteomeldung/App
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Bodenanalyse um 8 Uhr. Ausgedehnte Tiefdrucktätigkeit über Nordeuropa. Eine verwellte Frontalzone näherte sich im Tagesverlauf der Schweiz an.
Bodenanalyse um 8 Uhr. Ausgedehnte Tiefdrucktätigkeit über Nordeuropa. Eine verwellte Frontalzone näherte sich im Tagesverlauf der Schweiz an. (Deutscher Wetterdienst)

Feuchtmilde Westströmung

Zwischen hohem Druck über dem Atlantik und einer ausgedehnten Tiefdruckzone über Nordeuropa war heute der Jetstream (Starkwindband in der Höhe) nach Westeuropa gerichtet. Mit dieser westlichen bis nordwestlichen Strömung floss sehr feuchte und milde Luft zum Kontinent, wie folgende Grafiken und Zeilen illustrieren.

Modellvorhersage niederschlagbares Wasser (grün/gelb sehr hohe Werte = sehr feucht) und Wind in rund 3 km Höhe) am Freitag um 9 Uhr UTC. Vom Atlantik her fliesst mit einer westlichen Strömung sehr feuchte Luft nach Europa. In der Ballonsondierung von Brest (NW-Frankreich) um 2 Uhr nachts ist eine sehr feuchte Luftmasse zwischen rund 2 und 6 km Höhe zu finden.
Modellvorhersage niederschlagbares Wasser (grün/gelb sehr hohe Werte = sehr feucht) und Wind in rund 3 km Höhe) am Freitag um 9 Uhr UTC. Vom Atlantik her fliesst mit einer westlichen Strömung sehr feuchte Luft nach Europa. In der Ballonsondierung von Brest (NW-Frankreich) um 2 Uhr nachts ist eine sehr feuchte Luftmasse zwischen rund 2 und 6 km Höhe zu finden.

Ursprung in warmen Gefilden

Eine dermassen feuchte Luft muss ihren Ursprung in den Subtropen/Tropen haben. Greifen wir also auf das Hilfsmittel der Rückwärtstrajektorien zurück. Lässt man das Modell berechnen, woher die Luft heute über Zürich ursprünglich stammte, bestätigt sich der Verdacht. Zumindest die Luft auf 3 und 6 km Höhe hatte ihren Ursprung in den Subtropen.

Rückwärtstrajektorie, Start heute um 10 Uhr über Zürich. Dargestellt ist der Ursprung der Luft in 3 (grün), 6 (rot) und 10 km Höhe (blau). Die Luft kommt in den unteren/mittleren Schichten aus den Subtropen.
Rückwärtstrajektorie, Start heute um 10 Uhr über Zürich. Dargestellt ist der Ursprung der Luft in 3 (grün), 6 (rot) und 10 km Höhe (blau). Die Luft kommt in den unteren/mittleren Schichten aus den Subtropen. (www.noaa.gov)

"Atmospheric River"

Der Transport solcher milden und mit sehr viel Feuchtigkeit angereicherten Luftmassen wird «Atmospheric River» oder «Atmosphärischer Fluss» genannt. Er transportiert vor allem in tieferen Schichten viel Feuchtigkeit von (sub-)tropischen Meeresregionen in mittlere Breiten oder sogar polare Regionen.

Ist ein atmosphärischer Fluss über einen längeren Zeitraum auf die gleiche Region und insbesondere mit einer senkrechten Komponente auf ein Gebirge gerichtet (Stauniederschlag), sind ausserordentlich hohe Niederschlagsmengen möglich. Verschlimmert werden kann die Situation, wenn in den Wintermonaten vor einem solchen Ereignis eine Schneedecke liegt. So kommt nebst den hohen Niederschlagsmengen auch viel Schmelzwasser in den Abfluss. Die logische Folge sind Erdrutsche, Murgänge oder Überschwemmungen.

Ein solcher Fall fand beispielsweise vor rund 11 Jahren vom 6. bis 10. Oktober 2011 statt. Damals fielen in diesem Zeitraum am Alpennordhang 100 bis zum Teil über 200 mm Niederschlag. Die Schneefallgrenze lag zunächst unter 1000 Meter, stieg in der milden subtropischen Luft über 3000 Meter an. Infolge der Niederschläge und des Schmelzwassers traten zahlreiche Flüsse über die Ufer (Link hydrologischer Spezialbericht des Bundesamts für Umwelt BAFU).

Niederschlagssumme 4 Tage 6.-10. Oktober 2011. In den Alpen fielen 100 bis 200 mm, stellenweise mehr. Zusammen mit dem Schmelzwasser gelangte viel Niederschlag in den Abfluss und führte gebietsweise zu Hochwasser, beispielsweise bei der Entschlige bei Fruttigen im Berner Oberland (Bildquelle BAFU, hydrologischer Spezialbericht).
Niederschlagssumme 4 Tage 6.-10. Oktober 2011. In den Alpen fielen 100 bis 200 mm, stellenweise mehr. Zusammen mit dem Schmelzwasser gelangte viel Niederschlag in den Abfluss und führte gebietsweise zu Hochwasser, beispielsweise bei der Entschlige bei Fruttigen im Berner Oberland (Bildquelle BAFU, hydrologischer Spezialbericht). (BAFU, MeteoSchweiz)

Aber ruhig Blut - es droht kaum Gefahr

Zum Glück droht uns ein gleiches Szenario in den kommenden Tagen nicht. Die Strömung dreht allmählich auf westliche bis südwestliche Richtung. Der Zustrom der feuchtmilden Luft lässt rasch nach bzw. fliesst nördlich an uns vorbei. Die Niederschlagsmengen werden sich also im Rahmen halten (ca. 10-30 mm) und massig Schnee liegt ebenfalls nicht. Am meisten Niederschlag fällt wohl an den Vogesen und am Schwarzwald. Dort können in Staulagen bis am Samstagmittag rund 50 bis 70 mm Regen fallen. Auch in der Schweiz können lokal solche Werte nicht gänzlich ausgeschlossen werden, vor allem den Voralpen entlang. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gering und solche Mengen nicht verbreitet zu erwarten.

Wahrscheinlichkeit [in %] 24h-Niederschlagssumme >50 mm bis Samstag 14 Uhr. Vor allem in den Staulagen des Schwarzwalds sind die Wahrscheinlichkeiten deutlich erhöht. Modell Cosmo2, 06Z-Lauf.
Wahrscheinlichkeit [in %] 24h-Niederschlagssumme >50 mm bis Samstag 14 Uhr. Vor allem in den Staulagen des Schwarzwalds sind die Wahrscheinlichkeiten deutlich erhöht. Modell Cosmo2, 06Z-Lauf.
Trübes und windiges Wetter auf dem Napf. In der kommenden Nacht dürfte der Wind noch einen Zacken zulegen und knapp Sturmstärke erreichen.
Trübes und windiges Wetter auf dem Napf. In der kommenden Nacht dürfte der Wind noch einen Zacken zulegen und knapp Sturmstärke erreichen. (E. Müller)

Nur wenig Sonnenschein, aber mild

Im Vorfeld der anrückenden Warmfront und dichter werdenden Bewölkung zeigten sich stellenweise noch längere Aufhellungen, insbesondere von den Berner- und Walliser Alpen über das Tessin bis ins Engadin. Ansonsten hatte die Sonne einen schweren Stand. Trotzdem war es mit auffrischendem Südwestwind mild bei Temperaturen zwischen 15 und 18 Grad, im Tessin bis knapp 20 Grad.

Sonnenscheindauer in Stunden bis 17 Uhr.
Sonnenscheindauer in Stunden bis 17 Uhr.