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Das Rezept ist (noch) geheim!

MeteoSchweiz-Blog | 02. Oktober 2022
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Nach dem gestrigen «Znacht» war der Tag für tiefer gelegene Windmesser mehr oder weniger gegessen. Die höchsten Böenspitzen wurden tagsüber gemessen, der Wind flaute deutlich ab. Nicht so im appenzellischen Wasserauen. Dort kam zu später Stunde ein alt bekannter Gast zu Besuch. Der Laseyerwind. Seit Jahrhunderten gilt für ihn dasselbe wie für den Appenzellerkäse: das Rezept ist streng geheim! Zumindest beim Laseyer stellt sich die Frage: wie lange noch?

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Der Laseyerwind

In unserem Adventskalender des vergangenen Jahres haben wir den Laseyerwind und das Habitat seines Vorkommens bereits einmal genauer vorgestellt. Hier die Kurzfassung:

Das Schwendetal - Wasserauen wie auch der bekannte Seealpsee befinden sich dort - liegt südlich von Appenzell und ist südwest-nordost orientiert. Der Wind weht in Wasserauen somit meist aus SW oder NE. Die höchsten Windgeschwindigkeiten werden hingegen mit südöstlichen Winden gemessen…und das bei gleichzeitig westlichen Höhenwinden. Soweit so mysteriös.

Die Legende

Der Legende nach ist der Laseyer der Gralshüter des Appenzeller Käserezepts. So soll der bisweilen orkanartige Wind allzu gwundrigen Schatzsuchern signalisieren: "Sönd nüd wöllkomm!".

Die Windböen können so heftig sein, dass sogar Kompositionen der Appenzellerbahn aus den Schienen gehoben wurden. Da man im «Appezöll» verständlicherweise lieber grasende Kühe als fliegende Züge auf den Weiden sieht, stellt man bei Laseyergefahr auf Busbetrieb um. Und um die Gefahr besser abschätzen zu können, wurden MeteoSchweiz und die ETH Zürich damit beauftragt, dem Alpstein das Geheimrezept der starken Südostwinde zu entlocken und ein Warnsystem zu entwickeln.

Auf den Spuren des Geheimrezepts

Alles wurde nicht verraten, aber auf ein paar Eigenheiten ist man gestossen:

  • Die Laseyersaison korreliert mit der Appenzeller-Fondue-Saison des gemeinen Flachländers: November bis März (kausaler Zusammenhang umstritten!). Ereignisse ausserhalb sehr selten. Zu allen Tageszeiten möglich.
  • Über der Nordostschweiz oberhalb rund 3000 Meter NW-Wind, darunter (Süd-)Westwind.
  • Gipfelstationen Ebenalp und Säntis starker Westwind.
  • Ca. eine Stunde vor Laseyereinsatz Wasserauen starker Rückgang der Windgeschwindigkeit auf dem Säntis und leichtes «Flackern» der Windrichtung.

Weitere Details zu den bisherigen Erkenntnissen finden Sie in dieser Arbeit von Michael Sprenger aus dem Jahr 2018. Basierend auf diesen wurde ein Warntool für die Appenzeller Bahnen entwickelt.

Vieles lief gestern nach (bisher bekanntem) Rezept

Wie in der Sondierung von Payerne um 2 Uhr nachts zu sehen, drehte der nordwestliche Höhenwind in rund 3000 Metern Höhe über West auf Südwest in den untersten Schichten.

Abgesehen vom saisonalen Frühstart spielte sich gestern vieles nach obigem Drehbuch ab. Der beständige starke WSW-Wind auf dem Säntis liess am Abend deutlich nach, vor allem der Mittelwind und die Windrichtung zeigte sich ebenfalls nicht mehr so beständig. Die deutlichsten Laseyersignale traten in Wasserauen ca. 1 bis 1.5 Stunden danach auf. Am Nachmittag erreichte der Wind in Wasserauen lediglich Böenspitzen von 20 bis 40 km/h. Die Böenspitzen in der ersten Nachthälfte aus Südost waren mit knapp 90 km/h deutlich höher.

Das Warntool hat die Gefahr eines möglichen Laseyereinsatzes in Wasserauen übrigens erkannt. In der gestrigen Prognose von 13 Uhr zeigt dieses zwischen 18 und 23 Uhr UTC eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Böen über 90 km/h. Dieser Wert wurde schlussendlich an einem Termin (aufgerundet) erreicht.

Abschliessend möchten wir noch die Appenzeller beruhigen: unsere Detektivarbeit beschränkt sich auf das Geheimnis des Laseyers! Die Gwundrigen bezüglich Käserezept soll der Laseyer holen!

In der Kürze liegt die Würze

Zum Schluss noch kurz zur Tagesaktualität: Nach den vor allem am Alpennordhang ergiebigen Niederschlägen von gestern kam es heute zu einer Wetterberuhigung. Zwar fielen auf der Alpennordseite tagsüber noch vereinzelt Schauer, mehrheitlich war es jedoch trocken. Von der Genferseeregion über das Berner Oberland bis in die Zentralschweiz (mit Westföhneffekten) gab es längere Aufhellungen, inneralpin war es recht, auf der Alpensüdseite gar meist sonnig. Der West-/Südwestwind frischte auch heute im Mittelland auf und erreichte Werte von 40 bis 60, stellenweise bis 70 km/h. Auf den Alpengipfeln wurden noch Böen über 100 km/h registriert. Die Temperatur stieg auf 17 bis lokal 23 Grad.

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