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Versteckter Niederschlag
MeteoSchweiz-Blog | 29. November 2022
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Der Niederschlag von heute Vormittag war besonders in den inneralpinen Regionen zwar deutlich spür- und an den Messstationen messbar, trotzdem war auf dem Radarbild kaum Niederschlag zu sehen. Dieser Diskrepanz gehen wir heute nach.

Tiefe Bewölkung und Niederschlag über Kaltbach (LU).
Trüb und teilweise nass war es heute Vormittag auch in Kaltbach (LU). Quelle: Meteomeldung/App
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Schwacher Niederschlag

Grau, trüb und nass, so gestaltete sich der heutige Vormittag vielerorts, besonders in den Alpen und in der Westschweiz. Doch der Blick auf das Radarbild täuschte: Es zeigte nichts an. Dies obwohl es draussen regnete. Nicht stark, aber doch so, dass man nass wurde.

Zu sehen ist graue Bewölkung über dem Dorf Elm, im Vordergrund ein nasser Feldweg und eine Wiese.
Leichter Regen heute Vormittag auch in Elm (GL). (Quelle: Meteomeldung/App)

So war es heute Vormittag beispielsweise im Glarnerland, aber auch in anderen Regionen in den Alpen nass, obwohl auf dem Radar kaum etwas zu sehen war.

Dieses Bild bestätigt sich, wenn wir nicht nur das aktuelle Radarbild, sondern auch die Niederschlagsmessungen an unseren Messstationen anschauen:

In farbigen Flächen ist das Radarbild um 09:30 Uhr über der Südostschweiz zu sehen (in der Bildmitte ungefähr die Surselva), dazu die an den verschiedenen Messstationen gemessenen Niederschläge in den letzten 10 Minuten.
In farbigen Flächen ist das Radarbild um 09:30 Uhr über der Südostschweiz zu sehen (in der Bildmitte ungefähr die Surselva), dazu die an den verschiedenen Messstationen gemessenen Niederschläge in den letzten 10 Minuten.

Vergleichen wir die vom Radar «gemessenen» Niederschläge mit jenen, welche am Boden durch die Messstationen gemessen wurden, stellen wir fest, dass insbesondere in den zentralen und östlichen Alpen einige Zehntel Millimeter gefallen sind, welche vom Radar nicht gesehen wurden.

Stündige Niederschlagsakkumulation von den Messstationen, Messwerte in mm/h, verglichen mit dem vom Radar gemessenen, aufsummierten Niederschlag, im selben Kartenausschnitt wie oben.
Stündige Niederschlagsakkumulation von den Messstationen, Messwerte in mm/h, verglichen mit dem vom Radar gemessenen, aufsummierten Niederschlag, im selben Kartenausschnitt wie oben.

Um jeweils die Stärke von beiden Messmethoden – Radar und Bodenmessungen – zu nutzen, werden die beiden Produkte im sogenannten CombiPrecip zusammengefasst.

Und vergleichen wir die beiden Produkte, sehen wir recht grosse Unterschiede vom nur vom Radar gemessenen Niederschlag zum mit den Bodenmessungen korrigierten Niederschlag.

Links das kombinierte Produkt vom Radar mit den Bodenmessungen CombiPrecip, rechts der nur vom Radar gemessene Niederschlag. Die Niederschläge werden aufsummiert über 1 (oben) resp. über 3 Stunden (unten) dargestellt.
Links das kombinierte Produkt vom Radar mit den Bodenmessungen CombiPrecip, rechts der nur vom Radar gemessene Niederschlag. Die Niederschläge werden aufsummiert über 1 (oben) resp. über 3 Stunden (unten) dargestellt.

Radarabschattung

Aber woher kommt diese doch recht markante Diskrepanz?

Die Bewölkung heute war nicht sehr hochreichend. Wir lagen in einer relativ flachen Tiefdruckrinne, welche sich von den Britischen Inseln zum Mittelmeer erstreckte. Darin eingelagert war heute eine okkludierte Front. Diese Front war beinahe stationär, da die Höhenströmung sehr schwach war. Grossräumige Dynamik war damit ausserordentlich schwach. Der Niederschlag wurde also nicht durch grossräumige Dynamik und Hebung ausgelöst, sondern war eher dieser alten Front zuzuordnen, welche besonders aus den unteren Schichten noch etwas «ausregnete». Die Wolkenobergrenze lag in der Nacht gemäss Mitternachtssondierung von Payerne noch bei rund 5000 Meter und sank dann bis zum Mittag gebietsweise unter 3000 Meter ab. Die höher gelegenen Stationen Titlis oder Les Diablerets registrierten heute Mittag zwischendurch sogar ein paar Minuten Sonnenschein.

Immerhin erahnen liess sich die Sonne heute Mittag auf der Sex Rouge auf knapp 3000 Metern.
Immerhin erahnen liess sich die Sonne heute Mittag auf der Sex Rouge auf knapp 3000 Metern.

Der Niederschlag entstand also in den tiefen Schichten. In komplexer Topografie hat aber genau hier der Radar eine Schwachstelle. Die Radarstrahlen werden in den unteren Schichten von den umliegenden Bergen abgeschirmt, wodurch der Radar nur Niederschlag in den höheren Schichten, oberhalb der Topografie «sieht».

In der Grafik sind vier verschiedene Radarstandorte dargestellt, welche zur Niederschlagsmessung in komplexer Topografie eingesetzt werden: Ebene (Plain), Gipfel (Peak), Tal (Valley) und Abseits der Berge (Offside). Die grauen Schattierungen entsprechen den Bereichen, welche von den Radaren gesehen werden. Der sichtbare Bereich vom Radar im Tal entspricht nur dem Kegel über dem Radar und ist im Bild nicht dargestellt.
In der Grafik sind vier verschiedene Radarstandorte dargestellt, welche zur Niederschlagsmessung in komplexer Topografie eingesetzt werden: Ebene (Plain), Gipfel (Peak), Tal (Valley) und Abseits der Berge (Offside). Die grauen Schattierungen entsprechen den Bereichen, welche von den Radaren gesehen werden. Der sichtbare Bereich vom Radar im Tal entspricht nur dem Kegel über dem Radar und ist im Bild nicht dargestellt. (Quelle: Germann, U.; Boscacci, M.; Clementi, L.; Gabella, M.; Hering, A.; Sartori, M.; Sideris, I.V.; Calpini, B. Weather Radar in Complex Orography. Remote Sens. 2022, 14, 503. https://doi.org/10.3390/rs14030503)

Zusammenfassend können wir also sagen: Der Niederschlag war einfach zu wenig hochreichend, als dass er auch inneralpin von den Niederschlagsradaren hätte gesehen werden können.

Weitere Informationen zum Wetterradar in komplexer Topografie finden Sie hier (englisch):