Inhaltsbereich

Warme Luft bringt Schnee

MeteoSchweiz-Blog | 09. Dezember 2022
8 Kommentare

Ja, Sie haben richtig gelesen. Und nein, der heutige Meteorologe vom Dienst war nicht verwirrt und konnte auf den Wetterkarten tatsächlich feststellen, dass Warmluft heute Schneefall bis in tiefe Lagen brachte. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch klingt, geschieht im Winterhalbjahr immer wieder.

  • Wetter

Fussbereich

Top Bar Navigation

Alle Schweizer BundesbehördenAlle Schweizer Bundesbehörden

Wetterlage

«Ein Tief über den Pyrenäen lenkt aus Südwesten feucht-warme Luft zum Alpenraum». Stünde dieser Satz im Sommerhalbjahr in der Allgemeinen Lage des Wetterberichts, so dürfte man berechtigt Hoffnung oder Sorge haben für das ein oder andere Gewitter im Tagesverlauf. Oft ist diese tiefdruckbestimmte (zyklonale) Südwestwetterlage mehr oder weniger Garant dafür, dass auf tüppig heisse Sommertage teils kräftige Schauer und Gewitter folgen. Nun stand im Wetterbericht vom heutigen 9. Dezember: «Ein Tief über den Pyrenäen führt mit einer mässigen südwestlichen Höhenströmung eine Warmfront (also warme Luft) zum Alpenraum». Das klingt nach exakt derselben Wetterlage. Heute gab es aber statt Schauer und Gewitter das Kontrastprogramm, nämlich Schneefall bis in die tiefsten Lagen. Wie das?

Alles ist relativ

Wie im echten Leben ist auch beim Wetter vieles relativ. Wenn warme Luft im Sommer zu uns strömt, so kann die starke Sonneneinstrahlung die unteren Luftschichten gut aufheizen, durchmischen und labilisieren: eine Grundvoraussetzung für Schauer- und Gewitterwolken. Geschieht der Warmlufttransport im Winter, so liegt die wärmere Luft öfters abgekoppelt über der kälteren Grundschicht. Diese Temperaturinversion (mit der Höhe zunehmende Temperatur) stabilisiert die Luftschichtung und unterbindet die vertikale Durchmischung der Luftmasse. Die Folge ist eine typische «Warmluftnase» oberhalb der bodennahen Kaltluftschicht, mustergültig im Radiosondenaufstieg über Payerne in der Nacht auf Freitag zu sehen:

Das Heranführen der feuchten und wärmeren Luft fand in der letzten Nacht also recht weit über unseren Köpfen statt. Auf «Nasenhöhe» blieb im Flachland die Kaltluft mit einer Temperatur um oder etwas unter 0 Grad liegen. Schaut man genau auf den Temperaturverlauf im Radiosondenaufstieg, so fällt auf, dass auch die herantransportierte Warmluft zwischen etwa 1.5 und 2 Kilometer Höhe nur «relativ» warm war. In keiner Höhe lag die Temperatur deutlich über 0 Grad. So konnte der Niederschlag, der von der Warmfront erzeugt wurde, bis zum Erdboden als Schnee fallen.

Die heutige Wetterlage ist eine derjenigen, die unter Meteorologinnen und Meteorologen gerne als «Schneebringer» fürs Flachland bezeichnet werden. Sie haben alle eine Gemeinsamkeit: Eine genügend dicke, bodennahe Kaltluftschicht und darüber «relativ» warme (und damit feuchtere), aber durchwegs unter 0 Grad temperierte Warmluft. Damit können teils kräftige Niederschläge ausgelöst werden, die bis in tiefe Lagen als Schnee fallen, so zum Beispiel bei markanten Warmlufteinschüben (8. Februar 1999), bei scharfen Luftmassengrenzen (Mitte Januar 2021) oder bei Mittelmeertiefs über Norditalien mit um den Alpenbogen herumgeführter Warmluft (5. März 2006).

Etwas Neuschnee

Betrachtet man dieses Schneeereignis bis Freitagnachmittag, so waren die Neuschneemengen moderat, mindestens im zentralen und westlichen Flachland aber sicher ein erster Fingerzeig des Winters. In der Ostschweiz tat sich die Warmfront schwer. Hier wurden die Niederschläge von den Alpen her von föhnigem Südwestwind abgeschwächt. In Göschenen reichte es mit Föhneinfluss tagsüber für knapp 6 Grad plus, in Basel-Binningen für den ersten Eistag der Saison, in den tiefen Lagen ganz im Osten vorerst nicht einmal für «es Schümli» Neuschnee.