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(Zu) ergiebiger Regen
MeteoSchweiz-Blog | 19. August 2022
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Die heutige Wetterlage ähnelte stark der sogenannten «Vb» Wetterlage, die im Alpenraum schon oft für markante Hochwasser sorgte. Ganz so ergiebig und langanhaltend waren die aktuellen Niederschläge nicht, dass flächige Hochwasser entstanden. Trotzdem regnete es lokal sehr viel, teils zu viel innert kurzer Zeit.

Die Sihl in der Nähe von Langnau a.A.  führte heute sehr viel Wasser. Der Schwemmholzrechen wurde aber zum Zeitpunkt der Bildaufnahme knapp nicht geflutet. Foto: D. Gerstgrasser
Die Sihl in der Nähe von Langnau a.A. führte heute sehr viel Wasser. Der Schwemmholzrechen wurde aber zum Zeitpunkt der Bildaufnahme knapp nicht geflutet. Foto: D. Gerstgrasser
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Vb-Lage

Ein Höhentief zog seit gestern Donnerstag von Südfrankreich über Norditalien hinweg zur nördlichen Adria. Auf dessen Vorderseite bildete sich um Sardinien ein Bodentief, das in der Folge ebenfalls in Richtung nördliche Adria zog. Diese Konstellation entsprach mehr oder weniger der sogenannten «Vb» Wetterlage.

Die Sihl bei Langnau a.A.
Die Sihl bei Langnau a.A. (Foto: D. Gerstgrasser)

Bei einer Vb Wetterlage wird typischerweise feuchtwarme Mittelmeerluft im Gegenuhrzeigersinn um den östlichen Alpenbogen geführt, wobei sie dann – auf der Rückseite des Höhentiefs – mit der nördlichen oder nordöstlichen Strömung an den Alpennordhang geführt wird. Dort wird sie dann gestaut und regelrecht ausgepresst, was zu ergiebigen Niederschlägen führt.

Wetterlage am Freitag, 19.8.22. Das (Höhen-)tief lag um die Mittagszeit über Norditalien, das Bodentief (in der Grafik nicht ersichtlich) lag zum Zeitpunkt ungefähr über der nördlichen Adria. Feuchtewarme Mittelmeerluft wurde damit um den östlichen Alpenbogen herum nach Norden geführt, um anschliessend mit der nördlichen Strömung an den Alpennordhang gedrückt zu werden (mit dem roten Pfeil schematisch dargestellt). Diese Konstellation wird auch als Vb-Lage bezeichnet.
Wetterlage am Freitag, 19.8.22. Das (Höhen-)tief lag um die Mittagszeit über Norditalien, das Bodentief (in der Grafik nicht ersichtlich) lag zum Zeitpunkt ungefähr über der nördlichen Adria. Feuchtewarme Mittelmeerluft wurde damit um den östlichen Alpenbogen herum nach Norden geführt, um anschliessend mit der nördlichen Strömung an den Alpennordhang gedrückt zu werden (mit dem roten Pfeil schematisch dargestellt). Diese Konstellation wird auch als Vb-Lage bezeichnet.

Hohe Niederschlagsintensitäten

Genau so präsentierte sich die Wetterlage heute über der Schweiz. In der Nacht auf heute Freitag begannen sich die Niederschläge am Alpennordhang auszudehnen und zu intensivieren. Gebietsweise, namentlich vor allem an den Schwyzer Voralpen oder auch im St. Galler Rheintal, fielen innert kurzer Zeit ergiebige Regenmengen.

6-stündige Niederschlagsmenge bis Freitag, 19.8.22 14:30 Uhr MESZ, eruiert anhand von Stations- und Radardaten. Während der bislang intensivsten Phase fielen den östlichen Voralpen entlang ergiebige Regenmengen.
6-stündige Niederschlagsmenge bis Freitag, 19.8.22 14:30 Uhr MESZ, eruiert anhand von Stations- und Radardaten. Während der bislang intensivsten Phase fielen den östlichen Voralpen entlang ergiebige Regenmengen.

Innert 10 Minuten wurden in diesen Regionen oft zwischen 5 und rund 7 mm, innert einer Stunde 25 bis knapp 35 mm Regen. Lokal waren diese Intensitäten definitiv zu hoch, was teils zwangsläufig zu Überflutungen, vielen Feuerwehreinsätzen und in einigen Flüssen und Bächen zu Hochwasser geführt hat.

Ein über die Ufer getretener Bach bei Urnäsch.
Ein über die Ufer getretener Bach bei Urnäsch. (Foto: Meteo Meldung/App)

Betrachtet man die bis Redaktionsschluss um 17 Uhr intensivste Phase, so wurden zwischen den Schwyzer Voralpen und dem St. Galler Rheintal sowie auch im benachbarten Vorarlberg teils Mengen zwischen 55 und 70, lokal sogar rund 90 bis etwa 110 (!) mm innerhalb von 6 Stunden gemessen.

Diese Werte statistisch einzuordnen ist nicht ganz einfach, da die Stationen, die heute solche Regenmengen registrierten, meist über keine verlässlichen Extremwertstatistiken verfügen. Man kann aber sicher festhalten, dass sie ausserordentlich hoch sind.

Der Regen tat der Natur sicherlich gut. Mancherorts gab es aber definitiv zu viel in zu kurzer Zeit. Stimmungsbild aus Güttingen am Bodensee.
Der Regen tat der Natur sicherlich gut. Mancherorts gab es aber definitiv zu viel in zu kurzer Zeit. Stimmungsbild aus Güttingen am Bodensee. (Foto: W. Nater)

Betrachtet man den Tagesniederschlag (6 bis 6 Uhr UTC), so sind zum Teil verlässliche Extremwetterstatistiken vorhanden. Hierzu kann allerdings erst morgen Samstag eine Aussage gemacht werden. Summiert man die Niederschläge über die letzten 24 Stunden (bis Freitag 17 Uhr), so ergibt sich folgendes Bild:

24-stündige Niederschlagsmenge bis Freitag, 19.8.22 um 17 Uhr MESZ, eruiert anhand von Stations- und Radardaten.
24-stündige Niederschlagsmenge bis Freitag, 19.8.22 um 17 Uhr MESZ, eruiert anhand von Stations- und Radardaten.

Die höchsten 24-stündigen Summen (bis Redaktionsschluss um 17 Uhr) bewegen sich zwischen rund 95 und 135 mm, wobei angemerkt werden muss, dass diese Niederschläge meist in deutlich weniger als 24 Stunden fielen.

Vorhersage mit vielen Unsicherheiten

Die Verteilung der Niederschläge war insgesamt recht klassisch, das heisst, wie sie bei einer solchen Wetterlage oft zu beobachten ist, mit einem Maximum am Alpennordhang. Die aktuelle Wetterlage beinhaltete jedoch viele Schwierigkeiten, sie in den letzten Tagen richtig vorherzusagen. Denn die Wettermodelle zeigten bis relativ kurz vor Einsetzen der markanten Niederschläge noch recht unterschiedliche Lösungen. Es ist nämlich bei dieser Konstellation oft sehr entscheidend, wo genau das Zentrum des Tiefs liegt und welche Zugbahn es nimmt.

Im Jura, wie hier auf dem Chasseral, war das heutige Wetter zwar auch stark bewölkt, Regen fiel allerdings nur sehr wenig.
Im Jura, wie hier auf dem Chasseral, war das heutige Wetter zwar auch stark bewölkt, Regen fiel allerdings nur sehr wenig. (Foto: B. Kunz)

Die Niederschläge werden nun in der Nacht auf Samstag von Westen her immer mehr nachlassen. Gänzlich abtrocknen wird es auf der Alpennordseite allerdings erst auf Sonntag.