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Extreme Niederschlagsarmut
MeteoSchweiz-Blog | 16. August 2022
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In der Periode von Mai bis Mitte August fiel in der Schweiz regional so wenig Regen wie nie in den letzten 140 Jahren. In der Westschweiz fehlte gebietsweise die Regenmenge von fast zwei normalen Sommermonaten. Die Normalisierung könnte Monate dauern.

Verdorrte Wiese.
Vertrocknete Grasflächen sind die typischen Folgen von anhaltender Regenarmut. Foto: Stephan Bader
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Extrem wenig Regen im Westen

Die ausgeprägte Niederschlagsarmut zieht sich in der Schweiz schon über mehr als drei Monate hin. Besonders betroffen ist die Westschweiz. Hier erreichte die Regensumme vom 1. Mai bis zum 14. August im regionalen Mittel nur die Hälfte der Norm 1991–2020. Das ist für diese Periode die geringste Niederschlagsmenge in den letzten 140 Jahren und die zweitgeringste seit Messbeginn 1864.

Säulendiagramm zur Niederschlagsmenge vom 1. Mai bis zum 14. August in der Westschweiz seit Messbeginn.
Abb. 1: Niederschlagssumme vom 1. Mai bis zum 14. August in der Westschweiz seit Messbeginn 1864. Berechnet wurde das Mittel aus elf langen Messreihen. Die unterbrochene Linie zeigt die Norm 1991–2020.

Rekordtemperatur

Zum extremen Regenmangel gesellte sich eine extrem hohe Temperatur. Die Schweiz erlebte den zweitwärmsten Mai, den zweitwärmsten Juni und den viertwärmsten Juli seit Messbeginn 1864. In Genf zeigte sich die Periode vom 1. Mai bis 14. August 2022 ebenso warm wie im legendären Hitzesommer 2003. In diesen beiden Jahren lag die Temperatur 1 °C höher als in allen übrigen Vergleichsperioden seit Messbeginn.

Liniendiagramm zur Temperatur der Periode 1. Mai bis 14. August am Messstandort Genève-Cointrin.
Abb. 2: Die Temperatur der Periode 1. Mai bis 14. August am Messstandort Genève-Cointrin seit Messbeginn 1864. Die graue Linie zeigt das 20-jährige gleitende Mittel.

Die anhaltende Wärme oder auch Hitze trieb die Verdunstung enorm an. In der Gesamtbetrachtung des grössten Regenmangels der letzten 140 Jahre und der Rekord-Temperatur seit Messbeginn ist es also durchaus gerechtfertigt, in der Westschweiz von einer Jahrhundert-Dürre zu sprechen.

Der Regenmangel im Vergleich

In der Periode vom 1. Mai bis zum 14. August fiel in der Westschweiz aktuell so wenig Regen wie nie in den letzten 140 Jahren. In der Nordostschweiz war die Periode vom 1. Mai bis am 14. August letztmals im Jahr 2018 niederschlagsärmer. Derart tiefe Werte wie 2022 und 2018 wurden in der Nordostschweiz seit mehr als 60 Jahren nicht mehr erreicht.

Auf der Alpensüdseite war die Periode vom 1. Mai bis am 14. August letztmals 2006 und 2003 regenärmer. Über die ganze Messperiode betrachtet zeigte sich die Periode vom 1. Mai bis am 14. August auf der Alpensüdseite immer wieder ähnlich regenarm oder auch regenärmer.

Nord- und Mittelbünden verzeichnete in der Periode vom 1. Mai bis am 14. August im bekannten Trockensommer 2018 deutlich weniger Regen als aktuell. Über die ganze Messperiode betrachtet ist die aktuelle Regenarmut vom 1. Mai bis am 14. August in Nord- und Mittelbünden kein besonderes Ereignis.

Abb. 3: Niederschlagssumme vom 1. Mai bis zum 14. August in der Nordostschweiz (A), auf der Alpensüdseite (B) sowie in Nord- und Mittelbünden (C) seit Messbeginn. Die unterbrochene Linie zeigt die Norm 1991–2020.

Wann kommt die Normalisierung?

In den ausgeprägten Trockensommern 2015 und 2018 hat sich in der Schweiz die Wasserbilanz (Summe aus Niederschlag (positiv) und Verdunstung (negativ)) regional erst gegen Jahresende oder sogar erst im Folgejahr normalisiert. In der Westschweiz fehlt momentan die Regenmenge von fast zwei normalen Sommermonaten. Es benötigt also einige Monate mit überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen, um das aktuelle Defizit auszugleichen. Die Niederschläge der nächsten Tage können nur die obersten Bodenschichten etwas von der Trockenheit entlasten.

Was bringt die Zukunft?

In den Klimaszenarien der Schweiz CH2018 ist die zunehmende Sommertrockenheit ein zentrales Thema. Langfristig wird die mittlere Niederschlagsmenge in den Sommermonaten in der Schweiz abnehmen und die Verdunstung zunehmen. Die Böden werden trockener, es gibt weniger Regentage, und die längste niederschlagsfreie Periode dauert länger. Generell sind Gebiete im Westen und Süden der Schweiz stärker vom möglichen Niederschlagsrückgang betroffen als solche im Osten. Mit fortschreitendem Klimawandel nimmt die Tendenz zur Trockenheit weiter zu. Gegen Ende des Jahrhunderts könnte eine Trockenheit, wie sie bisher ein bis zwei Mal in zehn Jahren auftrat, jedes zweite Jahr vorkommen.

Zunehmende Sommertrockenheit ist in der Schweiz bereits heute ein wichtiges Thema. Neben mehreren Dürreereignissen in den letzten 20 Jahren lässt sich ein klarer Trend zu mehr Trockenheit erkennen. Die Wasserbilanz im Sommerhalbjahr hat sich von rund 50 mm Wasserüberschuss in den 1980-er Jahren auf etwa 100 mm Wasserdefizit heute verschoben. Diesen Trend zu mehr Trockenheit bestätigen auch die Daten zum Bodenwasser im obersten Meter Boden. Es hat im Zeitraum 1981–2020 um etwa 20 mm oder gut 5 % abgenommen − je nach Datensatz auch mehr.

Abb. 4: Sommertrockenheit in der Schweiz. Oben: Die fünf trockensten Sommerhalbjahre (April bis September) seit 1981. Unten: Änderungen der Niederschlagssumme, Temperatur, Verdunstung und des Bodenwassers (oberster Meter Boden) für den Zeitraum 1981–2020.

Weiterführende Informationen

Trockenere Sommer

Klimaszenarien CH2018, gratis Download