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Verlängerung

MeteoSchweiz-Blog | 03. September 2022
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Die Gewittersaison 2022 geht in die Verlängerung. Im heutigen Blog schauen wir die Hotspots der Gewitteraktivität der letzten 24 Stunden genauer an. Den Gewittern rechtzeitig entkommen sind die Ballonfahrer des Gordon Bennett Race 2022, der Langdistanzwettfahrt im Gasballon. Diese sind am Freitagabend in St. Gallen gestartet und sind nun auf dem Weg Richtung Südosteuropa.

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Zuerst ein Blick zurück auf die Wetterentwicklung des Vorabends, Freitag 2 September: einmal mehr zog ein kräftiges Gewitter über die Region Basel hinweg und verursachte in der Innenstadt lokale Überschwemmungen, obwohl die Niederschlagsintensität mit 10 bis 15 mm in einer knappen halben Stunde nicht extrem hoch war. Dazu wurden uns Hagelkörner von rund 1 cm Grösse gemeldet.

Wie schon im Vorjahr weist die Region Basel dieses Jahr eine auffällige Häufung von Gewitterzügen auf. Ein Blick in die Statistik der Nah- und Fernblitze bestätigt diesen Eindruck: im laufenden Jahr wurden bis jetzt schon deutlich mehr Nah- und Fernblitze registriert, als in den vergangenen 40 Jahren. Diese Statistik muss jedoch mit Vorbehalt genossen werden. Automatische Messungen sind erst seit 1981 verfügbar und in diesem Zeitraum hat sich die Messtechnik sehr stark verändert.

Gordon Bennett 2022

Gerade noch rechtzeitig, bevor die Schauer und Gewitter auch den östlichen Alpenrand erfassten, konnten am späten Freitagnachmittag in St. Gallen die Gasballone zur diesjährigen Gordon Bennett Langdistanz-Wettfahrt starten.

Das Wetterfenster hätte nicht besser sein können: die Ballone kamen in der Nacht zügig Richtung Osten voran und befanden sich bei Redaktionsschluss um 16 Uhr im Grenzgebiet Kroatien/Ungarn/Serbien in einer Zone mit relativ stabilem Wetter.

Die Fahrt geht weiter Richtung Osten bzw. Südosten, falls die Piloten sich für tiefere Luftschichten entscheiden sollten. Am geschlossenen Türkischen Luftraum, dem Schwarzen Meer oder an der Griechischen Mittelmeerküste dürften die Fahrten im Verlauf der nächsten 48 Stunden enden. Es siegt dasjenige Team, welche die grösste Distanz zum Startort zurückgelegt hat. Mit am Start sind auch dieses Jahr wieder drei Schweizer Teams. Das Rennen kann live mitverfolgt werden unter folgendem Link bzw. mit der dort verlinkten App:

https://live.gordonbennett.aero/

Hotspot Locarnese

In der Nacht von Freitag auf Samstag beruhigte sich das Wetter auf der Alpennordseite und die Gewitteraktivität verlagerte sich in den Süden der Schweiz. Dieses Mal konzentrierten sich die gewittrigen Niederschläge auf das Gebiet rund um den nördlichen Lago Maggiore und die Magadino-Ebene, wo zwischen Mitternacht und frühem Morgen 50 bis 110 mm gemessen wurden.

An der Messstation Magadino wurde eine Stundensumme von 54 mm registriert, was dem zweithöchsten je an dieser Station gemessenen Wert entspricht. Der Rekord von 60 mm pro Stunde datiert vom 28. Juli 2018, die Messwerte reichen zurück bis ins Jahr 1982.

«Baby MCS»

Am heutigen Samstag 3. September überquerte in der ersten Tageshälfte eine weitere Staffel mit Schauern und Gewittern die Schweiz von Südwest nach Nordost. Nebst dem Genferseegebiet, dem Jurabogen und dem Alpstein wurde auch die Region Basel wieder von den Gewittern erfasst.

Der Begriff «Schauerstaffel» wird oft salopp für mehr oder weniger gut organisierte Niederschlagsgebiete verwendet, welche deutlich grösser als einzelne isolierte Schauerzellen (2-20 km) sind, aber nicht die räumliche Ausdehnung von Fronten (200-2000 km) erreichen. Ein besser passender, aber nur in Englisch gebräuchlicher Begriff ist im aktuellen Beispiel «Mesoscale Convective System», kurz MCS. Mit «mesoskalig» ist ebendiese Raumskala von 20-200 km gemeint, wobei sich grosse MCS durchaus über Distanzen von bis zu 1000 km erstrecken können. «Konvektiv» bedeutet, dass ausgeprägte Vertikalbewegungen die Wolken- und Niederschlagsbildung bewirken.

Radaranimation vom Samstag 3. September 2022: In der Anfangsphase bewegen sich die Niederschlagsstrukturen mit der Strömung in den mittelhohen Luftschichten einigermassen gleichförmig ost-nordostwärts. Mit der Zeit deutet sich eine Rotation an, welche auf Grund der Eigendynamik des gesamten Niederschlags zu Stande kommt und der ost-nordostwärts gerichteten Bewegung aufgeprägt ist. Diese Dynamik ist ein typisches Merkmal eines «Mesoscale Convective System», MCS.

Zwei typische Merkmale von MCS sind die sich an der Vorderseite des Systems ständig neu bildenden Schauer- und Gewitterzellen, die relativ zur Fortbewegung des gesamten Systems betrachtet, mit der Zeit auf deren Rückseite gelangen und dort in Form von grossflächigen, einheitlich mässigen Niederschlägen ausregnen. Ein weiteres Merkmal ist ein zyklonaler Wirbel, der sich mit der Zeit in diesen Systemen bildet und die Strukturen im Gegenuhrzeigersinn (wieder relativ zu Fortbewegung des gesamten Systems betrachtet) rotieren lassen. Dieser mesoskalige Wirbel, welcher auf Grund der bei der Wolken- und Niederschlagsbildung freiwerdenden latenten Wärme entsteht, kann in schnell animierten Radaranimationen schön dargestellt werden.

Nach Abzug dieses «Baby MCS» Richtung Nordosten zeigte sich am Nachmittag vermehrt die Sonne. Isolierte Schauerzellen lebten vor allem über den Bergen nochmals auf. Die Temperatur erreichte Höchstwerte um 22 Grad.