Thomas Stucki, Leiter Lawinenwarndienst am SLF, besuchte heute die Prognose- und Flugwetterzentrale am Flughafen-Zürich. Er begleitete den Meteorologen Daniel Gerstgrasser bei seinem Frühdienst.
Eine Gelegenheit, den beiden ein paar Fragen zum Prognostiker-Austausch zu stellen.
Das Gespräch
Wie hast du den heutigen Tag erlebt? Thomas Stucki: Der Tag ist noch nicht vorbei (lacht). Ich begann mit Dani den Frühdienst um 6 Uhr. Es ist sehr interessant über das eigene Gärtchen hinauszublicken und fördert das gegenseitige Verständnis. Das hilft bei der Zusammenarbeit. Letztmals machte ich vor mehr als 10 Jahren einen solchen Austausch, damals in der Wetterzentrale in Locarno-Monti, und noch früher am alten MeteoSchweiz-Standort am Zürichberg. So sehe ich auch die Entwicklungen über all die Jahre.
Welches ist der grösste Unterschied in der Arbeitsweise bei euch und hier im Wetterdienst? T.S.: Beim Wetter haben die Modelle einen viel höheren Stellenwert als bei uns, obwohl im Lawinenwarndienst die Entwicklung zunehmend auch in diese Richtung geht. Wir arbeiten stark mit Prognoseregeln basierend auf Messdaten und besonders auf Augenbeobachtungen. Die vielen Beobachtungen über Schneeoberfläche, Lawinenabgänge, etc. sind sehr wichtig.
Daniel Gerstgrasser: Für kurzfristige Prognosen verwenden wir auch Beobachtungen und Prognoseregeln, aber ab ca. 2 bis 3 Tagen nur Modelldaten. Beim Wetter wurden und werden zunehmend Beobachtungen durch automatische Messungen abgelöst.
T.S.: Es gibt bereits automatische Lawinendetektionssysteme, welche auch bei schlechter Sicht Meldungen über Lawinenabgänge erlauben und uns in Zukunft noch stärker unterstützen werden.
Gibt es Modelle, die die Schneedecke resp. Lawinensituation simulieren/vorhersagen? T.S.: Wir arbeiten mit dem Schneesimulationsmodell SNOWPACK. Zudem gibt es seit kurzem ein neues Modell, welches künstliche Intelligenz einsetzt und die Gefahrenstufe, die Stabilitätsentwicklung sowie Nassschneelawinentage vorhersagt. Es liefert im Prognoseprozess eine weitere Meinung.
Und welches sind die Gemeinsamkeiten? D.G.: Grundsätzlich sind unsere Arbeitsweisen recht ähnlich. Bei Schichtbeginn mache ich eine Analyse der aktuellen Situation und überlege dann, welche Parameter heute wichtig sind. Danach werden die Vorhersagemodelle ausgewertet.
T.S.: Daneben gibt es auch bei der Betriebsorganisation Gemeinsamkeiten. Beispielsweise das 4-Augen Prinzip bei der Produktekontrolle oder der Schichtbetrieb. Im Lawinenwarndienst arbeiten im Winter an 7 Tagen drei Lawinenprogostikerinnen/-prognostiker, jedoch nur tagsüber.
G.D.: Wir sind ein 24 Stunden Schichtbetrieb an 7 Tagen.
Was bringt dir ein solcher Austausch für deine tägliche Arbeit? T.S.: Wir haben eine sehr enge Zusammenarbeit und gemeinsame Produkte. Die Zusammenarbeit mit den Meteorologen wird umso enger, je höher die Gefahrenstufe wird. Für eine gute Zusammenarbeit ist es wichtig, dass man sich kennt und auch über die Arbeitsabläufe des anderen Bescheid weiss. Man sieht auch, wo weitere mögliche Anknüpfungspunkte sind.
D.G.: Man hat einen anderen, besseren Kontakt, wenn man sich persönlich kennt.