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Starkwind und Windstärke - eine Begriffsklärung

MeteoSchweiz-Blog | 27. Februar 2023
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Nachdem sich die Bise gestern im Westen ausgetobt und für neue Rekordwerte gesorgt hat, büsste sie auf heute etwas an Stärke ein. Dazu eine Einordnung – klimatologisch und mit Blick auf die Windstärken.

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Bisensturm

Zwischen einem Hoch mit Zentrum über Schottland und einem Tief über dem westlichen Mittelmeer hatte sich am Samstag der Druckunterschied über Mitteleuropa verstärkt. Damit stellte sich auf der Alpennordseite eine Bisenlage ein. Die Bise legte im Laufe des Samstagabends zu und erreichte am Sonntagabend in der Westschweiz ihren Höhepunkt. In der Nacht auf Montag verlagerte das Sturmtief Juliette (in der Zwischenzeit heraufgestuft und mit Namen versehen) seinen Kern allmählich vom Golf von Genua Richtung Balearen. Damit nahm der Druckgradient ab und die Bise liess im Laufe des Montags allmählich nach.

Neue Rekordwerte

Die markanten Druckgegensätze mit knapp 9 hPa zwischen Zürich und Genf lösten einen ausserordentlich starken Bisensturm vor allem in den westlichen Landesteilen aus. An mehreren Orten wurden für Bisenlagen Rekordwerte der Windgeschwindigkeiten gemessen. Die Wetterstationen von MeteoSchweiz registrierten mit 102.6 km/h in Mathod am Südwestufer des Neuenburgersees, 100.8 km/h in St.-Prex am Genfersee sowie 98.6 km/h in Genf-Cointrin die höchsten Werte seit Messbeginn. In der Nacht auf Montag und am Morgen wehte zwar nach wie vor eine vor allem im Westen noch starke Bise mit Böenspitzen von 50 bis maximal 90 km/h, sie schwächte sich aber im Tagesverlauf weiter ab. Auf Dienstag lässt dann die Bisenströmung weiter nach und weht nur noch schwach bis mässig.

Interessant in diesem Zusammenhang ist untenstehende Grafik, welche die Bisenstunden an der Messstation Zürich / Kloten für das Winterhalbjahr seit 1981 zeigt. Man erkennt eine tendenzielle Zunahme der Bisenstunden in den vergangenen 40 Jahren. Dies kann allerdings nicht auf das ganze Mittelland übertragen werden.

Warnungen

Am Samstagvormittag wurden von MeteoSchweiz Starkwindwarnungen für das Ereignis von Sonntag bis Montag ausgegeben: in der Genferseeregion, im westlichen Jura und im angrenzenden Mittelland stürmisch mit Böen zwischen 80 und 100 km/h, über dem Jura 120 bis 150 km/h (Warnung Stufe 3). Für die übrigen Regionen galt eine Warnung für 70 bis 90 km/h in den Niederungen und in der Höhe 80 bis 100 km/h (Stufe 2).

Die Warnung war also zutreffend und auch der Warnzeitraum gut abgesteckt, vor allem da bereits im Vorfeld ein Warnausblick ausgegeben und auf das bevorstehende Ereignis rechtzeitig sensibilisiert wurde.

Auch die Vorausberechnungen der verschiedenen Modelle wiesen schon frühzeitig recht stabil auf den Bisensturm hin und hatten das Ereignis sowohl zeitlich als auch in der Stärke gut erfasst.

Schäden

Die ungewöhnlich starke Bise führte insbesondere in den westlichen Landesteilen auch zu Schäden an Gebäuden und Infrastruktur sowie zu zahlreichen umgestürzten Bäumen oder umgeworfenen Gegenständen. Auf den Mittellandseen kamen geübte Windsurfer und Kiterinnen mit der starken bis stürmischen Bise voll auf ihre Rechnung - mit Neoprenanzug versteht sich.

Windstärken

Im Zusammenhang mit der windigen Wetterlage gehen wir an dieser Stelle auf Windstärken und ihre Einordnungen bzw. Beschreibungen ein.

Windgeschwindigkeiten werden üblicherweise mit Anemometern gemessen und können anschliessend in km/h oder m/s oder kt (Knoten) angegeben werden. In unserem Wetterbericht wird der Wind mit den Hauptwindrichtungen und dem Mittelwind angegeben.

Untenstehend eine tabellarische Übersicht über die im Wetterbericht verwendeten Begriffe, unterschieden nach Wind in den Niederungen und Wind in den Bergen.

Wenn kein Anemometer verfügbar ist, kann man die Windgeschwindigkeiten auch mittels Beobachtungen der Auswirkungen auf die Natur abschätzen. Der Britische Wetterdienst entwarf  dazu 1906 die 13-stufige Beaufort-Skala, mit der die Windstärke auch ausgedrückt werden kann. Die Beaufort Skala bezieht sich ebenfalls auf die mittlere Windgeschwindigkeit. Es gibt sie für Wirkungen an Land und für Wirkungen am Meer.

Der gestrige Bisensturm in der Westschweiz würde demnach in der Beaufort Skala für das Binnenland als «steifer Wind» bis «stürmischer Wind» bezeichnet, mit Auswirkungen an Land wie «Zweige brechen von Bäumen, erschwert erheblich das Gehen». Lokal hatte es auch grössere Auswirkungen wie umgeworfene Bäume oder kleinere Schäden an Häusern. Auf See würde es bedeuten «die See türmt sich» bis «Kämme beginnen Gischt zu verwehen».

Im Übrigen fällt auf der Beaufort-Skala auf, dass die Geschwindigkeitsintervalle der verschiedenen Windstärken nicht gleich groß sind. Dies hat geschichtliche Gründe: Ursprünglich versuchte man, die wachsende Seefahrt mit Informationen über günstige Handelsrouten zu versorgen. Erst in zweiter Linie waren die Windgeschwindigkeiten an Land von Interesse. In beiden Fällen aber wollte man die Stärke des Windes über seine Auswirkungen ermitteln. Dieses Vorgehen erklärt nicht nur die unterschiedlichen Intervalle, sondern auch, warum die höchste Stufe der Skala nach oben offen ist. Es stellte sich die Frage, ob eine Steigerung der ab etwa 120 km/h beobachteten schweren Verwüstungen an Land sinnvoll ist und wie diese zu definieren ist. Andererseits konnte zu diesen Zeiten auch kaum ein Kapitän von seinen Erfahrungen mit Stürmen der Stärke 12 berichten – bei solchen Stürmen sind Schiffe nämlich oft einfach gesunken.