Bei der Klimaentwicklung beobachtet ihr die Wetterextreme in der Schweiz ganz genau. Wann wird denn generell von extremem Wetter gesprochen?
Klimaextreme sind per Definition seltene Ereignisse und gekennzeichnet durch eine deutliche Abweichung vom Mittelwert des Klimas. Das ist für die Allgemeinheit oft direkt spürbar und geht mit Folgen und Gefahren für Gesellschaft und Infrastruktur einher. Beispiel dafür ist eine extreme Hitzewelle im Sommer. Eine zentrale Aufgabe von MeteoSchweiz ist es daher, die Bevölkerung vor extremen Wetterereignissen zu warnen.
Warum sind Wetterextreme schwer vorherzusagen?
Wetterextreme sind wie gesagt selten, und in der Regel spielen viele Faktoren zusammen, die zu einem extremen Ereignis führen. Hitzewellen und Dürren beispielsweise dauern häufig länger an, als wir es in unseren Messreihen bisher beobachten konnten. Hitzewellen sind normalerweise grossräumig und somit leichter vorherzusagen. Starkniederschläge oder auch extreme Hagelereignisse hingegen sind oft sehr lokale Phänomene und schwieriger vorherzusagen. Deren auslösende Prozesse wurden in Klimamodellen bisher sehr generalisiert dargestellt und zum Teil auch noch nicht komplett verstanden.
Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte: Welches Wetterextrem ist in der Schweiz immer häufiger zu beobachten?
Seit Beginn der Messungen, die teils in das Jahr 1864 zurückreichen, stellen wir deutliche Änderungen einiger Klimavariablen fest, insbesondere die Temperatur ist gestiegen und steigt in den vergangenen Jahren immer schneller. Hitzewellen haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Darüber hinaus sehen wir, dass Starkniederschlagsereignisse intensiver werden und öfter vorkommen und die Trockenheit zunimmt, vor allem im Sommerhalbjahr. Der vergangene Sommer ist ein Beispiel eines zukünftig «normalen» Sommers in Bezug auf Hitze und Trockenheit. Mit solch aussergewöhnlichen Jahreszeiten werden wir in Zukunft also häufiger rechnen müssen.
Eine gleichzeitige Zunahme von Trockenheit und intensiveren Starkniederschlägen stehen im ersten Moment im Gegensatz zueinander. Wie lässt sich das erklären?
Das zeigt vor allem, wie komplex die zugrundeliegenden Prozesse sind. Einerseits haben wir gekoppelt an die Erwärmung eine Zunahme der Verdunstung. Andererseits sehen wir eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen, also zum Beispiel der Intensität des stärksten Sommergewitters eines Jahres. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, sodass es intensiver regnet. Gemäss physikalischen Gesetzen nimmt die Wasseraufnahmekapazität der Luft um ca. 7% pro Grad Erwärmung zu. Solche Intensivierungsraten können wir in unseren langjährigen Messreihen bereits nachweisen.
Das Jahr 2022 war in der Schweiz das heisseste seit Beginn der Messungen. Die durchschnittlichen Temperaturen steigen, aber auch die Hitzetage kommen immer häufiger vor mit immer höheren Temperaturwerten. Wird sich dieser Trend fortsetzen?
Ja. Im Jahr 2022 haben wir an der Messstation Zürich Fluntern 16 Hitzetage registriert. Um das Jahr 2060 herum rechnen wir mit greifendem Klimaschutz mit 8 bis 18 heissen Tagen, hingegen mit 14 bis 32 heissen Tagen, sollten Klimaschutzmassnahmen scheitern. Dies gilt für normale Jahre. Ebenfalls nimmt die Anzahl von so genannten Tropennächten zu, in denen die Temperaturen nicht unter 20°C abkühlen. Im Sommer 2022 haben wir an der Station Zürich Fluntern drei solcher Nächte registriert. Hinzu kommt, dass die Hitze im urbanen Raum durch den städtischen Wärmeinseleffekt verstärkt wird. Seit kurzem berücksichtigen wir diesen Effekt auch in unseren Szenarien. So zeigen die Klimaszenarien für die Zürcher Innenstadt, dass in einem pessimistischen Szenario in einem typischen Sommer etwa im Jahr 2060 28 solcher Nächte die Regel wären.
Setzt sich der Trend zu diesen Extremen weiter fort?
Ja. Aber obwohl sich der Trend fortsetzt, lässt er sich durch global koordinierte Anstrengungen für Klimaschutz um bis zu zwei Drittel gegenüber unseren «worst-case»-Szenarien abschwächen. Trotzdem werden wir uns an den beobachteten und projizierten zukünftigen Klimawandel stark anpassen müssen.