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Die Schweiz muss in Zukunft öfter mit aussergewöhnlichen Jahreszeiten rechnen

MeteoSchweiz-Blog | 23. März 2023
13 Kommentare

In der Schweiz ist der Klimawandel besonders zu spüren. Mit den steigenden Temperaturen der Erdatmosphäre gehen auch mehr Extremwettereignisse einher. Zum Anlass des Weltmeteorologietages legen wir den Fokus auf Hitzewellen, Starkregen und Trockenheit und wagen einen Blick in die Zukunft des Wetters in der Schweiz.

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Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von MeteoSchweiz analysieren nicht nur täglich die aktuellen Wetterlagen und erstellen detaillierte Prognosen, sondern beschäftigen sich auch mit der vergangenen und zukünftigen Klimaentwicklung. Die Klimaszenarien CH2018, erarbeitet von MeteoSchweiz gemeinsam mit der ETH, zeigen, wo und wie der Klimawandel die Schweiz trifft und was weltweite Klimaschutzanstrengungen dagegen ausrichten können.

Wir nehmen Sie anlässlich des Weltmeteorologietages mit hinter die Kulissen von MeteoSchweiz und fragen beim Team Klimaentwicklung nach, wie sich Wetterextreme in der Zukunft entwickeln werden. Jan Rajczak, stellvertretend für das Team Klimaentwicklung innerhalb von MeteoSchweiz, gibt Antworten.

Weltmeteorologietag

Der Weltwettertag erinnert jedes Jahr am 23. März an die 1950 in Kraft getretene Konvention zur Gründung der WMO (World Meteorological Organization). Die WMO als Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UNO) vereint 191 Mitgliedstaaten. Die Schweiz gehört seit 1950 zu den Mitgliedsstaaten und wird durch das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz vertreten.

In diesem Winter gab es an vielen Orten aussergewöhnlich wenig Schnee. Sieht so der Winter der Zukunft aus?

Ja, Winter wie der diesjährige könnten durchaus die Regel werden. Die Klimaszenarien sagen für die Zukunft weniger Schneefalltage gegenüber den heutigen klimatischen Bedingungen voraus und eine deutliche Reduktion der Schneedecke, vor allem in tiefen Lagen. Weil durch die Klimaerwärmung die Nullgradgrenze weiter ansteigt, fällt mehr Regen als Schnee. Der Winter 2022/2023 war darüber hinaus aussergewöhnlich trocken, was die Schneearmut noch weiter verstärkt hat. Grundsätzlich erwarten wir für die Zukunft aber sogar leicht zunehmende Winterniederschläge – dieser wird jedoch vermehrt als Regen fallen.

Das heisst, die beobachteten Klimaextreme in der Schweiz – wie beispielsweise der schneearme Winter – haben direkt mit der Entwicklung des Klimas zu tun?

Die globale Erwärmung ist in der Schweiz besonders spürbar. Mit mehr als 2 Grad gegenüber vorindustriellen Bedingungen liegt diese sogar deutlich über dem globalen Mittel von ca. 1,1 Grad. Die Erderwärmung beeinflusst das Wetter und das Klima; besonders im Alpenraum sind direkte Folgen der Erwärmung klar ersichtlich, insbesondere der deutliche Rückzug der Alpengletscher. Der Klimawandel führt ausserdem dazu, dass Wetterextreme intensiver werden und häufiger vorkommen. In regelmässigen Abständen erstellen wir die sogenannten Klimaszenarien - Grundlagen, welche den Klimawandel und die mögliche Klimazukunft der Schweiz beschreiben.

Klimaszenarien CH2018

Diese Szenarien zeigen in vergleichender Weise auf, wie sich das Klima mit und ohne Klimaschutzanstrengungen verändern könnte. Sie veranschaulichen anhand von verschiedenen Treibhausgas-Emissionsszenarien den Mehrwert von Klimaschutzanstrengungen und liefern wertvolle Grundlagen zur Definition von Anpassungsstrategien in der Schweiz. Die Klimaszenarien CH2018 sagen für die Schweiz vier deutliche Trends voraus: trockenere Sommer, heftigere Niederschläge, mehr Hitzetage und schneearme Winter.

Bei der Klimaentwicklung beobachtet ihr die Wetterextreme in der Schweiz ganz genau. Wann wird denn generell von extremem Wetter gesprochen?

Klimaextreme sind per Definition seltene Ereignisse und gekennzeichnet durch eine deutliche Abweichung vom Mittelwert des Klimas. Das ist für die Allgemeinheit oft direkt spürbar und geht mit Folgen und Gefahren für Gesellschaft und Infrastruktur einher. Beispiel dafür ist eine extreme Hitzewelle im Sommer. Eine zentrale Aufgabe von MeteoSchweiz ist es daher, die Bevölkerung vor extremen Wetterereignissen zu warnen.

Warum sind Wetterextreme schwer vorherzusagen?

Wetterextreme sind wie gesagt selten, und in der Regel spielen viele Faktoren zusammen, die zu einem extremen Ereignis führen. Hitzewellen und Dürren beispielsweise dauern häufig länger an, als wir es in unseren Messreihen bisher beobachten konnten. Hitzewellen sind normalerweise grossräumig und somit leichter vorherzusagen. Starkniederschläge oder auch extreme Hagelereignisse hingegen sind oft sehr lokale Phänomene und schwieriger vorherzusagen. Deren auslösende Prozesse wurden in Klimamodellen bisher sehr generalisiert dargestellt und zum Teil auch noch nicht komplett verstanden.

Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte: Welches Wetterextrem ist in der Schweiz immer häufiger zu beobachten?

Seit Beginn der Messungen, die teils in das Jahr 1864 zurückreichen, stellen wir deutliche Änderungen einiger Klimavariablen fest, insbesondere die Temperatur ist gestiegen und steigt in den vergangenen Jahren immer schneller. Hitzewellen haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Darüber hinaus sehen wir, dass Starkniederschlagsereignisse intensiver werden und öfter vorkommen und die Trockenheit zunimmt, vor allem im Sommerhalbjahr. Der vergangene Sommer ist ein Beispiel eines zukünftig «normalen» Sommers in Bezug auf Hitze und Trockenheit. Mit solch aussergewöhnlichen Jahreszeiten werden wir in Zukunft also häufiger rechnen müssen.

Eine gleichzeitige Zunahme von Trockenheit und intensiveren Starkniederschlägen stehen im ersten Moment im Gegensatz zueinander. Wie lässt sich das erklären?

Das zeigt vor allem, wie komplex die zugrundeliegenden Prozesse sind. Einerseits haben wir gekoppelt an die Erwärmung eine Zunahme der Verdunstung. Andererseits sehen wir eine Zunahme der Intensität und Häufigkeit von Starkregenereignissen, also zum Beispiel der Intensität des stärksten Sommergewitters eines Jahres. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, sodass es intensiver regnet. Gemäss physikalischen Gesetzen nimmt die Wasseraufnahmekapazität der Luft um ca. 7% pro Grad Erwärmung zu. Solche Intensivierungsraten können wir in unseren langjährigen Messreihen bereits nachweisen.

Das Jahr 2022 war in der Schweiz das heisseste seit Beginn der Messungen. Die durchschnittlichen Temperaturen steigen, aber auch die Hitzetage kommen immer häufiger vor mit immer höheren Temperaturwerten. Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Ja. Im Jahr 2022 haben wir an der Messstation Zürich Fluntern 16 Hitzetage registriert. Um das Jahr 2060 herum rechnen wir mit greifendem Klimaschutz mit 8 bis 18 heissen Tagen, hingegen mit 14 bis 32 heissen Tagen, sollten Klimaschutzmassnahmen scheitern. Dies gilt für normale Jahre. Ebenfalls nimmt die Anzahl von so genannten Tropennächten zu, in denen die Temperaturen nicht unter 20°C abkühlen. Im Sommer 2022 haben wir an der Station Zürich Fluntern drei solcher Nächte registriert. Hinzu kommt, dass die Hitze im urbanen Raum durch den städtischen Wärmeinseleffekt verstärkt wird. Seit kurzem berücksichtigen wir diesen Effekt auch in unseren Szenarien. So zeigen die Klimaszenarien für die Zürcher Innenstadt, dass in einem pessimistischen Szenario in einem typischen Sommer etwa im Jahr 2060 28 solcher Nächte die Regel wären.

Setzt sich der Trend zu diesen Extremen weiter fort?

Ja. Aber obwohl sich der Trend fortsetzt, lässt er sich durch global koordinierte Anstrengungen für Klimaschutz um bis zu zwei Drittel gegenüber unseren «worst-case»-Szenarien abschwächen. Trotzdem werden wir uns an den beobachteten und projizierten zukünftigen Klimawandel stark anpassen müssen.