Inhaltsbereich

Gewittertief am Dienstag: Unruhestifter oder falscher Alarm?

MeteoSchweiz-Blog | 17. Juli 2023
10 Kommentare

Eine knifflige Wetterlage stellt sich am Dienstag über dem Alpenraum ein. In einer schwülwarmen und labilen Luftmasse sind potentiell teils heftige Gewitter möglich. Gleichzeitig nähert sich von Frankreich her ein kleines Gewittertief. Es scheint alles angerichtet, unklar ist allerdings wann, wo und wie verbreitet die Gewitter entstehen. Wir schauen uns die Lage an.

  • Wetter

Fussbereich

Top Bar Navigation

Alle Schweizer BundesbehördenAlle Schweizer Bundesbehörden

Energiereiche Luftmasse

Wie in den letzten Tagen in unseren Blogs erwähnt, liegt der Alpenraum in dieser Woche in einer westlichen bis südwestlichen Strömung und im Bereich einer Luftmassengrenze zwischen kühler Luft nördlich von uns und heisser Luft südlich der Alpen. Am Dienstag schwappt die Luftmassengrenze etwas nordwärts in Richtung Deutschland. Die Schweiz gelangt dabei in den Zustrom von sehr warmer und ausgesprochen energiereicher Luft. Verantwortlich dafür ist ein kleines Tief, das sich von Ostfrankreich bis am Mittwoch nach Mitteldeutschland verlagert. Wie energiereich eine Luftmasse ist, kann beispielsweise an der äquivalentpotentiellen Temperatur abgelesen werden: Je höher diese Temperatur, desto wärmer und feuchter und damit energiereich die Luftmasse. In Teilen der Schweiz wird eine äquivalentpotentielle Temperatur um 70 °C prognostiziert, was ein aussergewöhnlich hoher Wert darstellt.

Hohe Gewitterbereitschaft

In der schwülwarmen Luft steigt die Gewitterbereitschaft im Laufe des Dienstags immer weiter an. Die Luftschichtung wird potentiell hochlabil, im Tagesverlauf nimmt auch die Dynamik in Form von Windscherung stetig zu. Wehen mit zunehmender Höhe die Winde unterschiedlich stark und aus unterschiedlichen Richtungen, können sich Gewitter, sofern sie ausgelöst werden, zu Gewittersystemen entwickeln und lokal heftig ausfallen. Ein kombiniertes Mass für die Labilität einer Luftmasse und für die (durch Windscherung bereitgestellte) Dynamik ist bei der folgenden CAPE-SHEAR Abbildung zu sehen. In Gebieten mit orange-roter oder gar violetter Färbung überlappen sich hohe Labilität und starke Windscherung. Hier sind die Umgebungsbedingungen am günstigsten für die Entwicklung von lokal heftigen Gewittern – sofern sie eben ausgelöst werden.

Wo löst das Tief Gewitter aus?

Die grosse Unbekannte wird am Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch die Auslösung der Gewitter sein. Wie seine grossen Brüder hat auch ein kleines Gewittertief in den meisten Fällen eine Warmfront und eine Kaltfront. Im Laufe des Vormittags soll die Warmfront die Alpennordseite nordostwärts überqueren. Dabei können bereits tagsüber einzelne, dafür aber lokal kräftige Gewitter ausgelöst werden – dies wahrscheinlich am ehesten über der Nordwest- und Nordschweiz sowie mit Schwerpunkt ennet der Grenze über Nordostfrankreich und dem südlichen Baden-Württemberg.

Der zweite aktivere Teil des Gewittertiefs wird in der Schweiz am Abend und in der Nacht zum Mittwoch erwartet. Hier drückt von Westen und Nordwesten weniger warme Luft herein («Kaltfront») und löst gebietsweise Schauer und Gewitter aus, die auf der Alpennordseite und entlang der Alpen lokal heftig ausfallen können. Aber selbst dann ist bis jetzt nicht eindeutig klar, wie verbreitet die Gewitter auftreten. Die Bandbreite von möglichen Wetterentwicklungen kann man in der Ensembleprognose unseres COSMO-2E-Modells erahnen. Von Modellläufen mit verbreiteten Schauern und Gewittern bis hin zu komplett trockenen Szenarien ist bei der 24-stündigen Niederschlagsprognose alles vertreten.

Die MOS-Vorhersage (MOS = Model Output Statistics) sieht ähnlich wie die IFS-Prognose verbreitet Schauer und Gewitter am Dienstagabend. Beim MOS-Verfahren handelt es sich um ein statistisches Post-Processing, bei dem Vorhersageergebnisse numerischer Wettermodelle für einen bestimmten Ort anhand von Stationsmesswerten angepasst werden.

Was kann man nun erwarten?

Wie gesehen gehen die Modellprognosen für den Dienstag und für die Nacht zum Mittwoch weit auseinander. Sehr verbreiteter Gewitterregen wie es z.B. die IFS- und MOS-Prognose zeigen, ist bei dieser Wetterlage möglich, aber in Abwägung mit anderen Modellen eher unwahrscheinlich, vor allem zur Südwestschweiz hin. Dass fast gar nichts passiert, wie es einige COSMO-2E Ensemble-Members zeigen, sehen wir Meteorologinnen und Meteorologen ebenfalls als unrealistisch. Das wahrscheinlichste Szenario wird irgendwo dazwischen liegen mit dem grössten Gewitterrisiko einerseits ab Dienstagnachmittag und -abend, andererseits in den Regionen der Nord-, Zentral- und Ostschweiz sowie entlang der Alpen. Und ganz egal wie verbreitet die Gewitter schlussendlich auftreten: Sie können in der energiereichen Luft lokal heftig ausfallen mit Hagel, Sturmböen, Starkregen und hoher Blitzaktivität.