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Satelliten messen die Verfügbarkeit von Wasser auf der Erde

MeteoSchweiz-Blog | 20. Oktober 2023
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Die Verfügbarkeit von Wasserressourcen auf der Erde ist für unsere Gesellschaft von grosser Bedeutung. Diese Grösse zu messen ist, wie man sich vorstellen kann, nicht einfach. Dank der ständigen Weiterentwicklung von Satelliten ist es jedoch seit einigen Jahren möglich, die weltweiten Wasserressourcen aus dem Weltraum zu bestimmen.

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Messungen aus dem Weltraum

Satelliten führen von ihrer Umlaufbahn aus eine Reihe von Messungen durch, von denen einige zur Bestimmung der Wasserressourcen auf der Erde verwendet werden können.

Die Bodenfeuchte wird beispielsweise mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung gemessen, die vom Boden emittiert wird. Die Mikrowellen durchdringen Wolken unverändert, so dass diese Messung selbst bei bewölktem Himmel und regnerischem Wetter möglich ist. Abbildung 1 zeigt die vom Satelliten SMAP (Soil Moisture Active Passive) gemessene Bodenfeuchte. SMAP misst jedoch lediglich die Bodenfeuchte in den oberen Zentimetern des Bodens. Aussagen zum Beispiel zur Höhe des Grundwasserspiegels können somit nicht gemacht werden.

Satelliten ermöglichen es auch, den Wasserstand von Seen zu messen und Aussagen über deren Veränderung zu machen. Dies ist insbesondere dort nützlich, wo keine Messstationen zur Verfügung stehen.

Die Wasserverfügbarkeit mithilfe der Schwerkraft der Erde messen

Die weltweite Wasserverfügbarkeit kann auch über die Veränderungen der Schwerkraft (Gravitation) der Erde abgeschätzt werden. Die Missionen GRACE- und GRACE-FO (Gravity Recovery and Climate Experiment – Follow On) verwenden diese Messmethode.

Das Messprinzip besteht darin, Abweichungen im Erdschwerefeld zu bestimmen, die im Laufe der Zeit aufgrund der Veränderung von Wassermassen (Seen, Grundwasser, aber auch Gletscher) entstehen. Durch den Wasserkreislauf und die atmosphärische Zirkulation werden ständig riesige Wassermengen über den Globus verteilt, was zu lokalen, sehr kleinen Änderungen der Erdanziehungskraft führt. Diese Variationen liegen in der Grössenordnung von 10-8 m s^-2 und sind damit eine Milliarde Mal kleiner als die mittlere Gravitationskonstante von g = 9,81 m s^-2. Diese kleinen Änderungen sind jedoch gross genug, um die Umlaufbahn von Satelliten zu beeinflussen, insbesondere wenn diese in einer niedrigen Erdumlaufbahn (500 km im Fall der GRACE und GRACE-FO Satelliten) positioniert sind.

Ein Gebiet auf der Erde mit einer überdurchschnittlich hohen Massenabweichung, wie es zum Beispiel nach sehr starken Regenfällen der Fall sein kann, erzeugt an dieser Stelle eine stärkere Gravitationskraft. Dies führt zu geringfügigen Änderungen in der Flugbahn des Satelliten, der diese Zone überfliegt: Der Satellit erfährt bei der Annäherung an diese Region eine grössere Anziehungskraft, was zunächst zu einer Beschleunigung (rote Flugbahn in Abbildung 2), gefolgt von einer Geschwindigkeitsabnahme (blaue Flugbahn in Abbildung 2) führt. Im Umkehrschluss bedeutet dies für Regionen mit einem Wasserdefizit (zum Beispiel während Dürreperioden), dass der Satellit beim Überfliegen der Region zuerst eine Verlangsamung und danach eine Beschleunigung erfährt.

Die erste GRACE-Mission (2002 – 2017) bestand aus zwei Zwillingssatelliten, die die Erde in einem Abstand von 220 km umkreisten. Aus den Abstandsänderungen zwischen den beiden Satelliten können die Massenveränderungen an der Erdoberfläche abgeleitet werden. Die Veränderung des Abstandes zwischen den beiden Satelliten wurde kontinuierlich mit einer Genauigkeit von etwa 1 μm pro Sekunde mittels Mikrowellenradar gemessen. Das wäre in etwa so, wie wenn man die Entfernung zwischen Lausanne und Mailand mit einer Genauigkeit misst, die der Dicke eines menschlichen roten Blutkörperchens entspricht. In der darauffolgenden GRACE-FO-Mission wurde diese Genauigkeit dank einem neuen sog. Laser-Interferometer sogar um den Faktor 200 erhöht.

Nach der Aufnahme der Daten müssen diese zunächst aufbereitet werden, da Massenänderungen, die durch die Atmosphäre oder die Gezeiten hervorgerufen werden, abgezogen werden müssen. Anschliessen erhält man Datensätze, die es ermöglichen, die Veränderungen der Wasserressourcen auf der gesamten Erde zu erfassen. Auf diese Weise können kurz- und langfristige Veränderungen im gesamten Wasserkreislaufs einschliesslich des Grundwassers überwacht werden, da lediglich die Massenänderung gemessen wird. Mit dieser Methode lassen sich jedoch nur große Massenveränderungen erkennen, die auf einer großen räumlichen Skala stattfinden (d. h. auf mindestens dem 3- bis 4-fachen der Fläche der Schweiz).

Abbildung 3 zeigt die Abweichung der Wasserressourcen im November 2012. Die Eisschmelze in Grönland, das Absinken des Grundwasserspiegels in Nordwestindien und das Absinken des Meeresspiegels im Kaspischen Meer sind deutlich zu erkennen. Auch jahreszeitliche Schwankungen werden sichtbar, wie zum Beispiel eine monsun-bedingte grosse Zunahme der Wasserspeicher in Westafrika.

Diese von Satelliten beobachteten Veränderungen der Wasserressourcen haben also mehrere Ursachen: der Klimawandel sowie die Bewirtschaftung der Wasserressourcen und natürliche Schwankungen können die lokale Wasserverfügbarkeit stark beeinflussen.

Satellitenmessungen im Alpenraum

Diese Satellitenmessungen werden auch für Untersuchungen des europäischen Alpenraums genutzt. Sie ermöglichen es, die zeitliche Wassermassenentwicklung zu verfolgen und die Art der Veränderung zu bestimmen.

Laut den GRACE-Satellitendaten (siehe Abbildung 4) schwankt der Gesamtwasserbestand in der Alpenregion im Laufe der Jahreszeiten erheblich, wobei langfristig ein abnehmender Trend zu beobachten ist. Im Allgemeinen ist der Gesamtbestand im Herbst am geringsten. Im Winter bewirken stärkere Niederschläge und die Schneeanhäufung in höheren Lagen einen Anstieg der Wasserspeicher, der im Frühjahr seinen Höhepunkt erreicht. Der Sommer ist durch einen starken Rückgang der Wasserspeicher gekennzeichnet. In sehr trockenen und heissen Jahren wie in den Sommern 2003, 2015 oder 2022 ist die Abnahme besonders ausgeprägt.

Die langfristige Veränderung der Wasserspeicher im Alpenraum beläuft sich auf eine Grössenordnung von -19 km^3 / Jahrzehnt und ist hauptsächlich auf die Gletscherschmelze zurückzuführen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit Feldstudien von Glaziologen, die für die gesamte Alpengletscherregion einen Massenverlust in der Grössenordnung von -13 bis -20 km^3 / Jahrzehnt angeben. Dies entspricht ungefähr dem Volumen des Zürichsees, der alle zwei bis drei Jahre verloren gehen würde.

Bald gibt es noch genauere Daten

Die GRACE-FO-Mission wird bald zu Ende gehen. Die europäischen und amerikanischen Raumfahrtbehörden ESA und NASA haben aber bereits die nächste Mission geplant: MAGIC (Mass-Change and Geosciences International Constellation). Sie soll im 2028 starten. Mit insgesamt sechs Satelliten (drei Paare von je zwei Satelliten) wird die Mission die gesamte Erde mit einer horizontalen Auflösung von bis zu 100 km alle drei Tage abdecken. Zum Vergleich, die aktuelle Mission GRACE-FO hat eine zeitliche Abdeckung von einer Aufnahme pro Monat. Die MAGIC Mission wird somit noch detailliertere Untersuchungen des Wasserkreislaufs ermöglichen.