Inhaltsbereich

Warnlage - Die Niederschlagsmengen blieben hinter den Erwartungen

MeteoSchweiz-Blog | 23. Dezember 2023
27 Kommentare

Heute Vormittag ging die Warnlage «Sturm/Starkschneefall/Dauerregen» zu Ende. Während der Wind in der erwarteten Stärke über die Schweiz fegte, fiel deutlich weniger Regen und Schnee als prognostiziert.

  • Wetter

Fussbereich

Top Bar Navigation

Alle Schweizer BundesbehördenAlle Schweizer Bundesbehörden

Der Stau, der keiner ist

Wenn sich im Winter eine Nordstaulage anbahnt, dann sind Schneefälle in den Alpen vorprogrammiert. Wobei das Wort «Stau» eigentlich falsch ist. Bei einer Staulage steht die Luft nicht still wie bei einem Verkehrstau, sondern sie überströmt die Alpen. Dieses Überströmen und die damit verbundene Abkühlung resp. das Auskondensieren der Luftfeuchtigkeit ist dafür verantwortlich, dass am Alpennordhang am meisten Niederschlag fällt. Weil das Niederschlagsgebiet am Alpennordhang stationär bleibt, sieht es so aus, als ob sich die Wolken stauen würden.

Wieviel Niederschlag fallen kann, hängt unter anderem mit der Windgeschwindigkeit und der Windrichtung zusammen. Um bei der Verkehrsanalogie zu bleiben: Je schneller der Verkehr rollt, desto mehr Personen und Güter können transportiert werden, respektive je stärker der Wind weht, desto mehr Feuchte kann zu den Alpen gelangen. Wenn dieser Wind dann auch noch im rechten Winkel auf die Alpen trifft, dann ist der Aufstieg besonders steil und der Niederschlag fällt auf relativ kleinem Raum.

Trotz den richtigen Zutaten fast ein Flop

Kein Wunder, schauen wir von der Wetterzentrale besonders genau hin, wenn die Modelle eine stramme und feuchte Nordwestlage prognostizieren. So auch zu Beginn dieser Woche. Die Modelle waren sich zu dem Zeitpunkt einig, dass sich über den Alpen eine Nordwestströmung etablieren wird, welche in der Höhe mit Orkanstärke feuchte Luft vom Atlantik zu uns führt. Entsprechend rechneten die Modelle mit sehr grosse Neuschneemengen in den Alpen. Aus diesem Grund entschieden wir uns, entsprechende Warnungen herauszugeben. Bereits gestern zeichnete es sich jedoch ab, dass die Mengen geringer ausfallen werden und wir setzten die Schneewarnung Stufe 4 auf Stufe 3 herab. Jedoch war selbst die nicht überall gerechtfertigt und wir waren überrascht, wie wenig Schnee insgesamt fiel. Lokal gab es zwar über 70 mm Niederschlag (was ungefähr 70 cm Schnee entspricht), aber flächig waren die Mengen viel tiefer als berechnet.

Wer ist schuld?

Die Suche nach dem «Sündenbock» ist schwierig und braucht Zeit. Wie so oft bei komplexen Systemen ist es sehr gut möglich, dass es nicht den Fehler gibt, sondern es eine Kombination von Faktoren ist, welche zur Fehlprognose führten. Zur Verteidigung sei gesagt: Die Grosswetterlage wurde richtig berechnet und unsere Sturmwarnungen stellten sich als korrekt heraus. Auf den Alpengipfeln toste der Sturm mit bis zu 180 km/h. Aber auch wenn die Wetterlage richtig vorhergesagt wurde, so wurden die Niederschläge trotzdem überschätzt. Mögliche Ursache könnten verschiedene kleine Abweichungen von Parametern wie Luftfeuchte, Temperatur, Stabilität der Luft, Windstärke und Anströmungswinkel sein, welche sich zu einem grösseren Fehler bei der Niederschlagsberechnung und der Schneefallgrenze akkumulierten. Ebenfalls eine mögliche Fehlerquelle ist Berechnung der Niederschlagsbildung im Modell selber. Die physikalischen Prozesse, welche zu Schneefall oder Regen führen, sind so komplex, dass sie bisher nicht direkt berechnet werden können. Deshalb wird ein vereinfachtes Schema angewandt. In der Regel ergeben diese vereinfachten Berechnungen gute Resultate. Gewisse daraus entstehende systematische Modellfehler kennen wir MeteorologInnen und korrigieren sie zum Beispiel in unseren manuell erstellten Prognosen. Je nach Situation können die Vereinfachungen aber auch zu Fehlern führen, welche wir erst im Nachhinein erkennen.

Vielleicht bleibt es ein Rätsel

Die Suche nach den Ursachen der Überschätzung der Neuschneemengen dürften einige Zeit beanspruchen. Finden wir eindeutige Gründe, so können aus diesem Fall Lehren gezogen werden. Möglich ist aber auch, dass die Ursachen nie vollständig eruiert werden können. Dies wäre nicht völlig überraschend. Das Wetter ist zu komplex, um global und in seiner Vollständigkeit perfekt erfasst und berechnet zu werden. Wetterprognosen zu erstellen ist deshalb ähnlich wie planen im Alltag: Mit sorgfältiger Vorbereitung können die meisten Fehler vermieden werden, aber ganz gewappnet gegen Überraschungen ist man nie, so sehr man sich auch Mühe gibt. So auch in diesem Fall, bei dem sowohl die Wetterlage wie auch die auftretenden Wetterphänomene und die betroffenen Regionen richtig vorhergesagt wurden...und trotzdem war schlussendlich die Niederschlagsprognose falsch.