Wetten, dass am Dienstag und Mittwoch fleissig über die Kälte gejammert wird? Kein Wunder, es ist ja schliesslich auch eine Zumutung, wenn wir statt dem wohlverdienten warmen Frühling Temperaturen von nur knapp über 10 Grad haben. Dabei sollten wir es eigentlich wissen, wie sich ein Schweizer Frühling anfühlt. Nimmt man die Periode von 1991 bis 2020 als Referenz, dann sind im Flachland in der ersten Aprilhälfte Höchsttemperaturen 12 bis 16 Grad üblich. Also sehr nahe an dem, was wir am Dienstag und Mittwoch unter schwerstem Leiden erdulden müssen. Der Kälteeinbruch ist also eigentlich nur ein «Normalwettereinbruch».
Wobei der Spott durchaus auch auf den Autor dieser Zeilen fällt. Auch er hat - trotz gewiss genügend langer Erfahrung – den Garten bereits übermotiviert bepflanzt. Was können schon Fakten gegenüber einem Gefühlsschub auslösen? (Fragen Sie das mal Klimaforscher, wenn Sie diese demotivieren wollen.)
Das Phänomen der «shifting baseline»
Menschen sind anpassungsfähig. Wir gewöhnen uns nach einiger Zeit an eine neue Situation und empfinden diese dann wieder als normal. Dieses Phänomen, wenn eine neue Realität zum «normal» wird, wird auf gut Deutsch «shifting baseline» genannt. Dies zeigt sich nicht nur beim langfristigen Thema Klima, sondern auch bereits beim schnelllebigen Wetter. In diesem Jahr sind wir nach dem sehr milden Winter und März in der «gefühlten Jahreszeit» schon viel zu weit fortgeschritten. Die milden Vormonate haben unsere Basis, unser Gefühl davon, was «normal» ist, verschoben. Die Wärme der letzten Tage empfanden deshalb viele als angenehm, aber nicht sonderlich bemerkenswert.