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Zwölf Monate in Folge wurden die globalen Temperaturrekorde gebrochen

MeteoSchweiz-Blog | 05. Juni 2024
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Der Mai 2024 ging in der Schweiz als eher kühler Monat in die Archive ein. Der vergangene Frühling war hierzulande trüb und nass. Global aber war es der wärmste Mai seit dem Beginn der Messungen, auch alle 11 Monate vorher waren global die bisher wärmsten. Welche Prozesse sind dafür verantwortlich? Ein Erklärungsversuch.

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Der Mai 2024 hat viel mit dem April und dem März, sowie den neun Monaten davor gemeinsam: Er war weltweit der wärmste Monat seit Beginn der Messungen. Die globalen Monatsmitteltemperaturen liegen seit Juni 2023 beständig höher als alle früheren jeweiligen Monatsmittel des Copernicus-Datensatzes. Die neuen Monatsrekorde in der zweiten Jahreshälfte 2023 bewegten sich sogar weit ausserhalb des bisher Bekannten, auch im Vergleich zu globalen Temperaturdatensätzen, die bis 1850 zurück reichen: Verglichen zum Mittel über alle 12 Monatsrekorde, die vor Juni 2023 noch bestanden (siehe violette Punkte in Abbildung 1; Abweichung gegenüber 1991-2020: +0,5 °C) lag das Mittel von Juni 2023 bis Mai 2024 um 0,25 °C höher (Abweichung gegenüber 1991-2020: +0,75 °C).

Über das gesamte Jahr gesehen lagen die Monatsmittelwerte im Schnitt knapp 3 Standardabweichungen über Norm 1991-2020 (weisse Null-Linie als Mittel in Abbildung 1). Es stellt sich die Frage: Was sind die Gründe hierfür? Wir fassen hier den gegenwärtigen Stand des Wissens zusammen.

Welche Prozesse könnten für die aktuelle Erwärmung verantwortlich sein?

Es ist wissenschaftlich unbestritten, dass Treibhausgasemissionen durch menschliche Aktivität das globale Klima massgeblich verändern. Ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts tritt der Einfluss durch unsere Emissionen als Hauptursache des fortschreitenden globalen Temperaturanstiegs klar hervor. Die daraus resultierende Erwärmung betrug seit der vorindustriellen Zeit im Jahre 2023 +1,3 °C.

Gleichzeitig können andere Prozesse die kurzfristigen Schwankungen der Temperatur mitbeeinflussen. Dazu zählen natürliche Treiber, wie z.B. Vulkanausbrüche, Aerosole oder die Sonnenaktivität. Schliesslich gibt es auch natürliche Klimaschwankungen, die in unregelmässigen Wellen zu ausserordentlich warmen – aber auch kühleren – Jahren führen können. Im Zeitraum 1850-2020 trug diese sogenannte natürliche Variabilität nicht oder nur sehr wenig zur globalen Erwärmung bei (Bandbreite: -0,23 °C bis +0,23 °C).

Die genaue Wirkungsweise dieser Prozesse im Bezug zur Klimaerwärmung wird am Ende dieses Blogs für Interessierte näher erklärt.

Wie können diese Prozesse die beobachtete auffällige Erwärmung der letzten 12 Monate erklären?

Forscherinnen und Forscher untersuchen die auffallend warme anhaltende Periode gerade intensiv. In diesem Blog können somit keine eindeutigen Schlussfolgerungen geliefert werden. In Abbildung 2 werden die bis anhin publizierten wissenschaftlichen Resultate grafisch illustriert. Es lässt sich somit festhalten, dass die Summe aller natürlichen Prozesse und der menschgemachten Emissionen die zusätzliche globale Gesamterwärmung von 0,25 °C (gemittelt von Juni 2023-Mai 2024) tatsächlich zu einem Teil erklären kann. Zur starken globalen Erderwärmung durch Treibhausgase kamen ein Vulkanausbruch, das Phänomen El Niño, sowie die Entschwefelung der Schifftreibstoffe als zusätzliche Faktoren hinzu.

Die simple Addition aller Zahlen ist allerdings eine zu starke Vereinfachung, da die Prozesse meistens miteinander interagieren. Hier müssen die laufenden Forschungsprojekte in den kommenden Jahren zeigen, ob die bisherigen Resultate final bestätigt werden können.

Wie geht es nun weiter?

Die vergangenen aussergewöhnlich warmen 12 Monate zeigen, dass eine potentielle Überlagerung zahlreicher natürlicher und menschgemachter Faktoren dazu führen kann, dass sich die Erde zumindest kurzzeitig über 1,5 °C erwärmen kann. Diese 1,5 °C sind das gesetzte Ziel des Klimaabkommens von Paris, das langfristig die globale Erwärmung begrenzen soll.

Der Einfluss der aufgelisteten Faktoren wird auch weiterhin zu Schwankungen in der Klimadynamik führen. Es ist jedoch sehr wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass der bei Weitem grösste Treiber der Klimaerwärmung die menschgemachten Treibhausgasemissionen sind. Diese haben bisher zu einer mittleren globalen Erwärmung von rund 1,3 °C geführt.

Umso wichtiger ist es, die Anstrengungen zur Eindämmung des anthropogenen Klimawandels konsequent und rasch voranzutreiben, um die weitere Klimaerwärmung zu begrenzen.

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Hintergrundinformation: Wie wirken die verschiedenen Prozesse genau auf den Klimawandel ein?

Treibhausgasemissionen:

Mit Beginn der Industrialisierung ist die Konzentration der wichtigsten Klimagase stark angestiegen. Dies führt zu einem zunehmenden Treibhauseffekt, der die globalen Temperaturen steigen lässt. Dabei ist die Wechselwirkung relativ simpel: Je höher die Treibhausgaskonzentrationen, umso höher die mittlere Lufttemperatur. Zu den wichtigsten Treibhausgasen zählen Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Seit der Vorindustriellen Zeit haben die steigenden Treibhausgaskonzentrationen zu einer Erwärmung von +1,3°C geführt.

Vulkanische Aktivität:

Vulkane emittieren meist Schwefelbestandteile, Kohlendioxid und Asche in die Atmosphäre. Diese Gase können bis in die Stratosphäre, also in höhere Atmosphärenschichten, gelangen. Je nach Explosivität und Zusammensetzung der vulkanischen Rauchsäule ist es dabei auch möglich, dass grössere Mengen Wasserdampf bis in grosse Höhen vorstossen.

Aerosole aus Schwefelbestandteilen reflektieren das einkommende sichtbare Licht und haben damit einen kühlenden Effekt auf der Erdoberfläche. Bei grösseren Vulkanausbrüchen kann die Abkühlung mehrere Jahre andauern kann. Auch der bei Eruptionen in die Atmosphäre eingebrachte Wasserdampf kann über verschiedene dynamische Prozesse die Oberflächentemperatur beeinflussen.

Sonnenzyklus:

Das Magnetfeld der Sonne polt sich alle 11 Jahre um. Innerhalb dieses 11-jährigen Zyklus schwankt die Anzahl und die Ausdehnung der Sonnenflecken. Dies führt zu einer sich regelmässig verändernden Sonnenaktivität, deren Leuchtstärke dabei um ca. 0,1 % variiert. Da die Erde aufgrund der riesigen Ozeane ein äusserst träges Klimasystem besitzt und die Variation der Sonneneinstrahlung nur wenig variiert, sind auch die Effekte dieses 11-jährigen Zyklus auf die globale Temperatur kaum nachzuweisen.

Natürliche Variabilität:

Die natürliche Klimavariabilität bezieht sich auf die natürlichen Schwankungen innerhalb des Klimasystems, die durch interne Prozesse und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Komponenten des Systems (Atmosphäre, Ozeane, Landmassen, Eisflächen) verursacht werden. Diese Variabilität tritt unabhängig von externen Einflüssen wie der Sonnenaktivität, Aerosolen oder vulkanischen Eruptionen auf und ist ein wesentlicher Bestandteil der kurzfristigen natürlichen Klimadynamik. So kann sie einige Jahre oder Jahrzehnte ein kühleres oder wärmeres Klima bewirken.

Da sich diese Prozesse in hohem Masse chaotisch verhalten, ist deren genaue Prognose nicht möglich. Modellprojektionen geben deswegen jeweils eine Bandbreite an möglichen Temperaturverläufen an.

Ebenfalls gibt es eine Reihe klassischer Schwankungsmuster, die je nach Ausprägung lokal oder sogar global zu vorübergehenden Klima-Ausreissern führen können. Eines dieser wiederkehrenden Muster ist die El Niño/Southern Oscillation. Wir berichteten in früheren Blogs bereits darüber: Im Jahre 2023 löste ein neuer El Niño Zyklus die über mehrere Jahre bestehende La Niña-Konfiguration ab, was tendenziell zu höheren globalen Temperaturen führt. Diese El-Niño-Phase schwächt sich inzwischen allerdings wieder ab.

Luftreinhaltebemühungen:

Die Luftverschmutzung durch Verbrennungsprozesse hat zwischen 1960 und 1990 zu einer Abnahme der einfallenden Sonneneinstrahlung geführt («global dimming»). In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Luftqualität insbesondere in dichter bevölkerten Regionen dank neuer Technologien stark gebessert. Das hatte auch einen Effekt auf die einfallende Sonneneinstrahlung, welche bis zu den frühen 2000er Jahren wieder auf höhere Werte stieg (siehe Blog MCH).

Während landseitig von Seiten der Luftqualität – insbesondere in Europa – keine grossen Veränderungen mehr zu erwarten sind, ist dies in der Schifffahrt nicht der Fall: Seit Januar 2020 ist für die internationale Schifffahrt ein neuer Schwefelgrenzwert in Kraft getreten. Dies führte zu einer Reduktion von ca. 70% an Schwefeldioxidemissionen, welche der Schifffahrt zuzuordnen sind [1].

Schwefeldioxidemissionen führen im marinen Bereich bevorzugt zur Bildung von tiefen Wolkenfeldern (sogenannte «Shiptracks», siehe Abbildung 4). Diese reflektieren einen Teil der einkommenden Solarstrahlung, was zu einem kühlenden Effekt der Erdoberfläche führt. Werden nun die Schwefelemissionen gesenkt, hat dies zwar einen positiven Effekt auf die Luftqualität. Gleichzeitig aber bilden sich weniger tiefe Wolkenfelder und auch weniger Aerosole, was im Endeffekt zu einer Erwärmung führt.

Referenzen:

[1]: IMO, https://www.imo.org/en/MediaCentre/PressBriefings/pages/02-IMO-2020.aspx

[2]: Schmidt, G. (2024). World view. Nature, 627, 467, https://ntrs.nasa.gov/api/citations/20240004066/downloads/GSchmidtNatureWhyReprint.pdf

[3]: Stenchikov, G., Ukhov, A., & Osipov, S. (2024). Modeling of Instantaneous and Adjusted Radiative Forcing of the 2022 Hunga Volcano Explosion (No. EGU24-2141). Copernicus Meetings.

[4]: Vömel, H., Evan, S., & Tully, M. (2022). Water vapor injection into the stratosphere by Hunga Tonga-Hunga Ha’apai. Science, 377(6613), 1444-1447.

[5]: Schoeberl, M. R., Wang, Y., Ueyama, R., Taha, G., Jensen, E., & Yu, W. (2022). Analysis and impact of the Hunga Tonga‐Hunga Ha'apai stratospheric water vapor plume. Geophysical Research Letters, 49(20), e2022GL100248.

[6]: Jucker, M., Lucas, C., & Dutta, D. (2023). Long-term climate impact of large stratospheric water vapor perturbations. Authorea Preprints.

[7]: Nedoluha, G. E., Gomez, R. M., Boyd, I., Neal, H., Allen, D. R., & Lambert, A. (2024). The Spread of the Hunga Tonga H2O Plume in the Middle Atmosphere Over the First Two Years Since Eruption. Authorea Preprints.

[8]: Millan, L., Santee, M. L., Lambert, A., Livesey, N. J., Werner, F., Schwartz, M. J., Pumphrey, H.C., Manney, G.L., Wang, Y., Su, H., Wu, L., Read, W.G., & Froidevaux, L. (2022). The Hunga Tonga‐Hunga Ha'apai hydration of the stratosphere. Geophysical Research Letters, 49(13), e2022GL099381.

[9]: Amdur, T., Stine, A. R., & Huybers, P. (2021). Global surface temperature response to 11-yr solar cycle forcing consistent with general circulation model results. Journal of Climate, 34(8), 2893-2903.

[10]: Total and Spectral Solar Irradiance Sensor TSIS-1 Data, last accessed: 27.05.2024, https://lasp.colorado.edu/lisird/data/tsis_tsi_24hr

[11]: Hobday, A. J., Burrows, M. T., Filbee-Dexter, K., Holbrook, N. J., Sen Gupta, A., Smale, D. A., Kathryn, E.S., Thomsen, M.S., & Wernberg, T. (2023). With the arrival of El Niño, prepare for stronger marine heatwaves. Nature, 621(7977), 38-41.

[12]: Menary, M., & Hermanson, L. (2024). Global surface ocean temperature anomalies in 2023 and their climate context (No. EGU24-5681). Copernicus Meetings.

[13]: Jiang, N., Zhu, C., Hu, Z. Z., McPhaden, M. J., Chen, D., Liu, B., Shuangmei, M., Yan, Y., Zhou, T., Qian, W., Luo, J., Yang, X., Lio, F. & Zhu, Y. (2024). Enhanced risk of record-breaking regional temperatures during the 2023–24 El Niño. Scientific Reports, 14(1), 2521.

[14]: Schumacher, D. L., Singh, J., Hauser, M., Fischer, E. M., Wild, M., & Seneviratne, S. I. (2024). Exacerbated summer European warming not captured by climate models neglecting long-term aerosol changes. Communications Earth & Environment, 5(1), 182.

[15]: Yuan, T., Song, H., Oreopoulos, L., Wood, R., Bian, H., Breen, K., Chin, M., Yu, H., Barahona, D., Meyer, K. & Platnick, S. (2024). Abrupt reduction in shipping emission as an inadvertent geoengineering termination shock produces substantial radiative warming. Communications Earth & Environment, 5(1), 281.

[16]: Hausfather, Z. (2024). A problematic estimate of warming from low-sulfur marine fuels. The Clmate Brink, last accessed: 03.06.2024, https://www.theclimatebrink.com/p/a-problematic-estimate-of-warming