Heute lag der Alpenraum noch unter dem Einfluss des kräftigen Hochdruckrückens über Südosteuropa. Mit einer südwestliche Höhenströmung gelangte wiederum für die Jahreszeit sehr warme und trockene Luft zur Schweiz. Betreffend der Höchsttemperatur wurden gestern einige Septemberrekorde seit Messbeginn geknackt:
Am Sonntag verlagert sich ein umfangreicher Trog zur Biskaya. Eine damit verbundene Kaltfront erfasst bis am Abend von Westen her die Schweiz und leitet damit ein markantes Niederschlagsereignis ein. In der Folge wird sich ein Teil des Troges in Form eines abgeschlossenen Höhentiefs über Westfrankreich abspalten. In den unteren Schichten bildet sich derweil ein Tief über den Meeralpen. Damit verlagert sich die Kaltfront nur langsam über die Alpen hinweg ostwärts.
Im Vorfeld der Kaltfront wird aus Südwesten sehr feuchte Mittelmeerluft zur Alpensüdseite und mit der starken Höhenströmung über die Alpen nach Norden geführt. Durch die grossräumige Hebung der Trogvorderseite in Kombination mit der orografischen Hebung an den Alpen werden kräftige Niederschläge ausgelöst. Auf der Alpensüdseite sind diese auch noch von Gewittern durchsetzt.
Mit der Verlangsamung der Frontalzone verweilt die niederschlagsreiche Zone länger über den Alpen und führt auch deshalb zu grossen Niederschlagsmengen. Nach aktuellem Stand der Modelle werden von Sonntag- bis Dienstagabend in Teilen der Alpensüdseite 100 bis 150 mm (in einzelnen Modelläufen sogar über 200 mm), möglicherweise auch in den nördlich angrenzenden Regionen des Alpenhauptkammes. In den nördlich angrenzenden Regionen der zentralen und Teilen der östlichen Alpen werden 80 bis 120 mm vorhergesagt. Die Schneefallgrenze liegt mehrheitlich recht hoch, so dass der grösste Teil zum Abfluss gelangt. Da noch Unsicherheiten in Bezug auf die Verteilung und die Niederschlagssummen bestehen, wurde zunächst einmal eine Vorwarnung ausgegeben.
Die Zugbahnen von abgekoppelten Höhentiefs sind oftmals schwierig vorherzusagen. Insbesondere in diesem Fall könnte das Höhentief eine sogenannte Vb-Zugbahn einschlagen (siehe Box weiter unten). Diese Entwicklungen haben oftmals ein grösseres «Unwetterpotential», je nachdem wo das Zentrum des Höhentief verläuft. Klassische Beispiele für Vb-Zugbahnen waren die Ereignisse von August 2002 und August 2005.
Die aktuelle Vorhersage zeigt, dass das Zentrum des Höhentiefs in den darauffolgenden Tagen zunächst knapp südlich der Schweiz vorbeizieht und später über der Schweiz zu liegen kommt. Damit würden die Niederschläge ab Dienstag in deutlich geringerem Masse ausfallen, als wenn das Höhentief die klassische Vb-Zugbahn (etwas weiter südlich) wie in früheren Ereignissen vollziehen würde. Die Unsicherheiten sind im Moment noch recht gross, so dass die weitere Entwicklung laufend möglichst genau beurteilt werden muss.
Der Name Vb-Tief beziehungsweise «Fünf-b-Tief» geht auf den deutschen Meteorologen Wilhelm Jacob van Bebber zurück. Er untersuchte wiederkehrende Zugbahnen von Tiefdruckgebieten in Europa und kategorisierte diese mit den römischen Zahlen Ia bis VIb. Bis heute gebräuchlich ist die Vb-Wetterlage, die regelmässig für anhaltende und ergiebige Niederschläge besonders über dem östlichen Mitteleuropa verantwortlich ist. Beim Vb-Tief handelt es sich in der Regel um ein Leetief, welches im Gebiet Golf von Genua, Norditalien oder der Adria entsteht und in der Folge über den östlichen Alpenbogen nordostwärts zieht. Durch seine Herkunft führt das Tief sehr feuchte Mittelmeerluft nach Mitteleuropa. Mehrere Hochwasserereignisse in Mitteleuropa gehen auf ein Vb-Tief zurück.