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El Niño – das einzigartige Klimaphänomen im tropischen Pazifik

Im Abstand von einigen Jahren ereignet sich im äquatorialen Pazifikraum – sowohl in der Atmosphäre als auch im Ozean – eine mehrere Monate dauernde Strömungsumkehr. Solche El Niño Ereignisse bedeuten in ihrer starken Ausprägung Sintfluten statt trockene Witterung an der Pazifikküste Südamerikas und verheerende Trockenheit statt tropischer Feuchte in der Region Südostasien-Australien. Das Klima in diesen Regionen kippt sozusagen von seinem normalen Zustand ins extreme klimatische Gegenteil.

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El Niño zeigt sich primär als ausgeprägte Erwärmung des äquatorialen Pazifiks, ausgehend von der südamerikanischen Küste Richtung Westen. El Niño Ereignisse sind im langjährigen Durchschnitt im Abstand von mehreren Jahren zu erwarten. Die kühlen Phasen zwischen zwei El Niño Ereignissen tragen seit etwa 1985 den Namen La Niña.

Die seltenen starken El Niño Ereignisse stehen den weit häufigeren schwachen Ereignissen gegenüber. Mit Hilfe historischer Quellen lassen sich die El Niño Ereignisse der letzten 450 Jahre gut erfassen. Aus dieser Zeit sind 47 starke oder sehr starke Ereignisse bekannt. Stark heisst dabei eine Temperaturzunahme des Meerwassers vor der peruanischen Küste von 3 °C bis 5 °C, sehr stark eine solche von über 5 °C. Im Mittel wiederholten sich in den vergangenen 450 Jahren starke oder sehr starke El Niños alle 10 Jahre, wobei die Wiederkehrdauer zwischen 4 und 20 Jahren schwankte. Sehr starke Ereignisse, oder gar mehrjährige Phasen mit sehr starker El Niño Aktivität, sind bekannt aus den Jahren 1578, 1685-88, 1728, 1789-93, 1828, 1877/1878, 1891, 1925/26, 1982/83 und 1997/98 (Quelle: Quinn et al. 1987: El Niño occurences over the past four and a half centuries. Journal of Geophysical Research 92 (C 13): 14449-14461).

Als Mass für die Stärke von El Niño und La Niña wird heute oft der sogenannte multi­variate ENSO-Index MEI verwendet (multivariater El Niño Southern Oscillation Index). Der MEI berechnet sich aus dem Bodendruck, den Ost-West- und Nord-Süd-Komponenten des Bodenwindes, der Meeresoberflächentemperatur, der Lufttemperatur auf Meereshöhe und dem Bewölkungsgrad im äquatorialen Pazifik.

Das Phänomen kurz erklärt

Wenn El Nino nicht aktiv ist – das heisst während der kühlen La Niña Phase – sorgt ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet (südpazifische Antizyklone) für eine starke bodennahe Passatwindzirkulation. Die über das Meer streichenden Passatwinde nehmen grosse Mengen an Wasserdampf auf und transportieren sie über weite Strecken. Über Neuguinea und Indonesien bewirkt das Zusammentreffen des Südostpassats mit dem Nordostpassat eine starke Konzentration von Feuchtigkeit.

Der konstante Nachschub an Wasserdampf führt zu dessen Ausweichen respektive Aufsteigen in höhere Bereiche der Atmosphäre. Je wärmer die Meeresoberfläche des Westpazifiks ist und je mehr Wasserdampf vom Passat transportiert wird, desto ausgeprägter zeigt sich die Konzentration der Feuchtigkeit über der südostasiatischen Inselwelt. Die Folge ist hier eine ausgeprägte Tiefdrucklage mit intensiver Gewittertätigkeit und entsprechend starken Niederschlägen.

Durch das starke Aufsteigen der feuchten Luft über Indonesien wird entlang des Äquators aus Richtung Osten ein Nachfliessen von Luftmassen ausgelöst. Als Kompensation dieser bodennahen Ost-West Strömung fliesst die aufgestiegene Luft in der Höhe zurück nach Osten. Im Bereich des südamerikanischen Kontinents sinkt sie ab und lässt damit eine geschlossene äquatoriale Zirkulation entstehen (Walker-Zirkulation).

Die Beeinflussung der Meeresströmung

Die kräftigen Südostpassate sind die Ursache für eine ausgeprägte Ost-West gerichtete Meeresströmung im äquatorialen Pazifik. Die Winde treiben warmes Oberflächenwasser entlang des Äquators weg von der südamerikanischen Küste. In Südostasien ergibt sich ein Überschuss an ober­­­flächen­nahem Warmwasser.

Als Ausgleich zum wegdriftenden Oberflächenwasser steigt vor Südamerika kaltes antarktisches Tiefenwasser zur Meeresoberfläche auf. Die Luft über der Meeresfläche kühlt sich hier deshalb ab und kann entsprechend wenig Wasserdampf aufnehmen. Zusammen mit den absinkenden und damit austrocknenden Luftmassen am Rand der südpazifischen Antizyklone sorgt dies vor allem an den Küsten Perus und Nordchiles für ein ausgesprochen trockenes Klima.

Die El Niño Zirkulation

Etwa alle zwei bis zehn Jahre stellt sich das Strömungssystem im Pazifik massiv um. In solchen Situationen zeigt sich regelmässig eine aussergewöhnliche Abschwächung des südpazifischen Hochdruckgebiets. Als Folge davon weht der Südostpassat über mehrere Monate nur noch schwach oder bricht phasenweise ganz zusammen. Der Antrieb für den äquatorialen Wassertransport Richtung Indonesien geht weitgehend verloren.  Das im Westpazifik gestaute Warmwasser schwappt in Form einer Welle zurück. Die Welle benötigt zur Überquerung des Pazifiks einige Monate und trifft in der Regel etwa um die Weihnachtszeit an der südamerikanischen Küste ein.

An der südamerikanischen Küste wird das kalte antarktische Auftriebswasser grossflächig durch das zurückschwappende Warmwasser überdeckt. Die Ausbreitung von Warmwasser im Südostpazifik schwächt das südpazifische Hochdruckgebiet zusätzlich, was ein noch stärkeres Abflauen des Süd­ost­passats nach sich zieht. Das gesamte Phänomen dieser Zirkulationsumstellung wird als El Niño Southern Oscillation (ENSO) bezeichnet.

Der typische Verlauf

Ein klassisches El Niño Ereignis erstreckt sich über etwas mehr als ein Jahr. Die ersten Zeichen eines beginnenden Ereignisses zeigen sich oft ab April. Das Maximum wird vielfach in der zweiten Jahreshälfte erreicht. Manchmal dauert der Aufbau auch länger und das Maximum verschiebt sich auf die ersten Monate des Folgejahrs. Das El Niño Ereignis 1986/87 gipfelte sogar erst zwischen April und August des Folgejahrs.

Die unmittelbaren Auswirkungen

Mit dem warmen Wasser verlagert sich auch die Zone tiefen Drucks von Südostasien Richtung Südamerika. Diese Verschiebung bedeutet eine Umkehr der Walker-Zirkulation im äquatorialen Pazifik. Die nun vor der südamerikanischen Küste aufsteigenden warmen und sehr feuchten Luftmassen lösen vor allem im Küstenbereich von Ecuador, Peru und Nordchile Starkniederschläge mit oft verheerenden Überschwemmungsfolgen aus. Das warme Meerwasser ist für viele Meerestiere tödlich und überall an den Stränden liegen ihre angespülten Kadaver.

Über Südostasien bildet sich hingegen eine ausgeprägte Hoch­drucklage, und die Region leidet unter einer lang anhaltenden Trockenheit. Ein starker El Niño kann in dieser Region einen grossen Teil der Ernte vernichten und stark dezimierte Viehbestände hinterlassen. Die enorme Trockenheit führt zudem durch oft zu grossflächigen Wald- und Buschbränden. Diese werden zwar in vielen Fällen durch den Menschen verursacht, geraten aber infolge der grossen Trockenheit schnell ausser Kontrolle und können, wie 1997/98 in Indonesien, über Monate hinweg wüten.

Der Einfluss auf Europa

Auch wenn gewisse Korrelationen zwischen El Niño und dem Niederschlagsregime in Europa bestehen, ist diese Fernkoppelung nur sehr schwach ausgeprägt. In der Regel wird das Niederschlagsverhalten in Europa sehr dominant durch die sogenannte Nordatlantische Oszillation (NAO) gesteuert.

Mit der NAO werden die Druck-Schwankungen in der nordatlantischen Atmosphäre beschrieben. Der Begriff Oszillation bedeutet, dass die nordatlantische Atmosphäre zwischen zwei Zuständen hin und her pendelt, nämlich vom Zustand eines schwachen Süd-Nord-Druckgefälles hin zum Zustand eines starken Süd-Nord-Druckgefälles. Das Süd-Nord-Druckgefälle über dem Nordatlantik steuert das atmosphärische Strömungsregime über Europa und damit auch die Zugbahnen der niederschlagsbringenden Störungszonen.

Bei einem neutralen NAO-Zustand kann der Einfluss von El Niño in Europa spürbar werden. Laut einem Bericht des Deutschen Wetterdienstes ist dann im Winter mit mehr Niederschlag vor allem entlang der französischen Alpen und des Juras bis nach Südwestdeutschland zu rechnen. Grosse Gebiete in Europa bleiben jedoch von El Niño unbeeinflusst.

Der Name El Niño

El Niño (spanisch “der Junge, das Kind”, symbolisch für das Christkind), erhielt seinen Namen von den peruanischen Fischern. Sie gerieten durch die ungewöhnlich starke Erwärmung des Meeres, welche häufig um die Weihnachtszeit ihr Maximum erreicht, oft in arge Bedrängnis. Denn durch das nährstoffarme Warmwasser gehen die Fischpopulationen bei einem starken El Niño Ereignis drastisch zurück, was zumindest früher für das Fischereigewerbe verheerende Folgen hatte. Ursprünglich wurde nur die in unregelmässigen Zeitabständen wiederkehrende warme Meeresströmung als El Niño bezeichnet. Sprach man vom gesamten Phänomen, also von der atmosphärischen und der ozeanischen Zirkulationsumkehr, wurde der Begriff ENSO verwendet. Mittlerweile werden jedoch die Begriffe El Niño und ENSO oft gleichbedeutend für das gesamte Phänomen verwendet.

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