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Seegfrörnen

Seegfrörnen sind ein Phänomen, das auf Schweizer Mittellandseen in strengen Wintern auftritt. Beobachtungsdaten zeigen einen markanten Rückgang von Seegfrörnen im Schweizer Mittelland. Viele mittelgrosse Seen sind seit über 30 Jahren nie mehr ganz zugefroren. Durch den Klimawandel dürften Seegfrörnen zukünftig noch seltener werden.

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In strengen Wintern bildet sich auf Schweizer Mittellandseen Eis, das vor allem in den Fokus der Öffentlichkeit gerät, wenn die Seen begehbar werden. Wir besprechen hier einige klimatologische Aspekte im Zusammenhang mit Seegfrörnen.

Keine systematische Erfassung

Eis auf Schweizer Seen wird nicht systematisch erfasst. Trotzdem gibt es Gruppierungen oder Einzelpersonen, die seit langem Daten über Eis auf ihrem See sammeln. Auch Medienarchive liefern wichtige Hinweise. Im Jahr 2008 wurden Daten zu Eis auf Schweizer Mittellandseen von Hendricks Franssen und Scherrer publiziert. Nun liegen sie bis ins Jahr 2020 vor und erlauben einen vertieften Einblick in die Klimatologie des Phänomens Eis auf Schweizer Mittellandseen.

Definition einer Seegfrörni

Wir verwenden im Folgenden den Begriff «Seegfrörni» wie er in der Publikation von Hendricks Franssen und Scherrer (2008) gebraucht wurde. Danach tritt eine Seegfrörni auf, wenn ein See während mehr als einem Tag vollständig oder fast vollständig mit Eis bedeckt ist. Im Gegensatz zu anderen Definitionen muss das Eis für diese Analyse nicht zwingend dick genug sein, um Personen zu tragen.

Wann friert ein See zu?

Seen reagieren unterschiedlich auf Kälte. Sehr vereinfacht gilt: Je tiefer ein See, desto mehr Kälte wird benötigt, bis er zufriert. Das hat damit zu tun, dass die gesamte Wassermasse des Sees zuerst auf etwa 4°C abgekühlt werden muss, bevor ein weiteres Abkühlen der oberflächennahen Wassermassen erfolgt und ein zufrieren möglich wird. Als einfaches Mass für die benötigte Kälte haben sich die sogenannten negativen Gradtage (NGT) erwiesen. Hier werden die Grade der Tage mit einer durchschnittlichen Temperatur unter 0°C zusammengezählt. Ein Tag mit einer Durchschnittstemperatur von -5°C liefert so zum Beispiel 5 NGT. Jeder See benötigt eine andere Anzahl NGT, bis er zufriert. Abbildung 1 gibt eine Übersicht für einige Mittellandseen. Wichtig: Die Anzahl benötigter NGT für eine Gfrörni kann stark schwanken. So war zum Beispiel der Greifensee schon mit nur rund 100 NGT zugefroren. In einem anderen Jahr haben auch 200 NGT nicht für eine Gfrörni gereicht. Eine wichtige Rolle spielt hier der jeweilige Witterungsverlauf vom vorangegangenen Sommer bis Winter.

See

NGT in

mittlere NGT

Bereich NGT
10.-90. Perzentil

Anzahl Gfrörnen
1901-2020

Pfäffikersee

Zürich/Fluntern

89

55‒147

86

Murtensee

Neuchâtel

132

91‒191

30

Greifensee

Zürich/Fluntern

149

101‒220

53

Bielersee

Neuchâtel

172

122‒244

15

Untersee (Bodensee)

Güttingen

170

128‒228

36

Baldeggersee

Luzern

174

131‒232

28

Hallwilersee

Luzern

174

134‒225

25

Obersee (Zürichsee)

Zürich/Fluntern

188

147‒240

36

Sempachersee

Luzern

216

144‒325

17

Sarnersee

Luzern

222

160‒309

15

Abbildung 1: Benötigte Kälte für ein komplettes Zufrieren für zehn Schweizer Seen. Gezeigt werden die mittlere Anzahl negativer Gradtage (NGT) und der Bereich der NGT, für den ein Zufrieren im Zeitraum 1901-2006 beobachtet wurde (aus Hendricks Franssen und Scherrer, 2008). Auch gezeigt: die Anzahl beobachteter Gfrörnen im Zeitraum 1901-2020.

Markant weniger Seegfrörnen

Es gab in den letzten Jahrzehnten markant weniger Seegfrörnen, wie Abbildung 2 eindrücklich zeigt. Die grössten Abnahmen lassen sich bei mittelgrossen Seen, wie zum Beispiel beim Hallwiler- und Sempachersee, erkennen. Bis in die 1960er Jahre gab es an diesen Seen zwei bis vier Gfrörnen pro Jahrzehnt. Mit der Ausnahme der 1980er Jahre, sind die Gfrörnen an diesen Seen seitdem nicht mehr aufgetreten. Etwas weniger dramatisch ist die Abnahme bei kleineren, flacheren oder höher gelegenen Seen wie dem Pfäffikersee, Greifensee oder Ägerisee, aber auch hier wurden die Gfrörnen deutlich seltener. Grosse oder tiefe Seen, wie der Boden- und Zugersee frieren sehr selten zu, zum letzten Mal im strengen Winter 1962/63. Es gibt sogar Seen, die seit hunderten Jahren nie zugefroren sind wie der Genfersee, der Walensee und der Vierwaldstättersee.

Klimawandel erklärt Abnahme

Die Schweiz hat sich in den letzten 150 Jahren um zwei Grad Celsius erwärmt und Kältewellen haben deutlich abgenommen. Da Seegfrörnen nur in strengen Wintern auftreten, reagieren sie sehr sensitiv auf die Erwärmung und das Ausbleiben von starken Kältewellen. Somit erklärt die Klimaerwärmung sehr gut die markante Abnahme der Eisbedeckung auf den Schweizer Mittellandseen.

Was bringt die Zukunft?

Die Klimaerwärmung geht weiter. Die Temperaturen werden in den nächsten Jahrzehnten je nach Szenario um einige weitere Grad ansteigen. Forscher der ETH Zürich, der Universität Fribourg, des Forschungszentrum Jülich und der Academia Engiadina haben nun mit einem einfachen Modell berechnet, dass mittelgrosse Mittellandseen bis 2050 in extrem kalten Wintern weiterhin zufrieren könnten. Nach 2050 wird ein Zufrieren zunehmend unwahrscheinlicher.