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Was sind Wasserhosen?

Als Wasserhose wird ein kräftiger, säulen- oder schlauchartiger Wirbel mit nur geringer horizontaler Ausdehnung über Wasser bezeichnet. Grundsätzlich ist damit eine Wasserhose nichts anderes als ein Tornado über Wasser.

Trotzdem lassen sich Wasserhosen auf Schweizer Seen nicht mit den bekannten Tornados z.B. aus den USA oder der Po-Ebene vergleichen, da die Entstehung auf komplett unterschiedliche Bedingungen zurückzuführen ist.

Die meisten schadensträchtigen Tornados sind auf sogenannte Superzellen beziehungsweise auf deren Mesozyklone zurückzuführen und werden als „Typ-l-Tornado“ oder „Superzellen-Tornado“ bezeichnet.

Übersicht und Erklärung: Was ist ein Tornado?

Wann sind Wasserhosen in der Schweiz zu beobachten?

Meist treten Wasserhosen in der Schweiz im Spätsommer oder Frühherbst auf, da sich dann die Grundvoraussetzungen am ehesten überlappen: Das Wasser der Seen hat sich gegen Ende des Sommers ausreichend aufgewärmt und Trogdurchgänge mit entsprechender Kaltluft sind im Herbst wahrscheinlicher.

Was eine Wasserhose braucht

Damit Wasserhosen entstehen, müssen gewisse Bedingungen zeitlich und örtlich zusammenpassen. Die Grundvoraussetzungen für Wasserhosen sind in der Schweiz folgende:

  • Trogdurchgang/Rückseite Kaltfront mit kalter und labil geschichteter Luft
  • See mit warmem Oberflächenwasser -> starker vertikaler Temperaturgradient
  • Feuchte Luftmasse

Sind die drei Faktoren gegeben, braucht es für die Bildung der Wasserhose zusätzlich:

  • Lokale Bodenwindkonvergenzen -> horizontale Windscherung (Zusammenströmen bodennaher Luft aus unterschiedlicher Richtung)
  • Aufwind unter und in einer wachsenden Cumuluswolke (idealerweise mit tiefer Wolkenbasis)
  • Generell windschwache Lage mit nur schwacher vertikaler Windscherung

Vom unsichtbaren Luftwirbel zur sichtbaren Wasserhose

Auf der Wasseroberfläche beziehungsweise in den unteren Luftschichten bilden sich säulenartige Luftwirbel (siehe Abbildung unten).

Im Fachjargon wird ein solcher Wirbel als Vortex bezeichnet und enthält vertikale Vorticity („Wirbelhaftigkeit“). Von blossem Auge sind solche Verwirbelungen noch nicht erkennbar. Wenn nun zur gleichen Zeit ein Aufwind einer wachsenden Cumuluswolke über einem solchen Wirbel zu liegen kommt, wird dieser in der Vertikalen gestreckt und analog dem Pirouetten-Effekt beschleunigt. Der Fachbegriff hierfür ist "vortex stretching". Die vertikale Vorticity nimmt dadurch zu.

Der beschriebene Prozess funktioniert nur, wenn die Strömung relativ schwach und mit zunehmender Höhe relativ konstant ist. Ist der Höhenwind zu stark oder ändert sich mit der Höhe, so wird ein Vortex nach der Entstehung gleich wieder auseinandergerissen.

Zeichnung
Grafische Illustration zur Entstehung eines Typ II Tornados beziehungsweise einer Wasserhose. Die detaillierte Beschreibung findet sich im Text (Non-supercell Tornadoes, von Wakimoto and Wilson, 1989)

Anfänglich ist bei einer Wasserhose oft nur ein schwarzer Fleck auf der Wasseroberfläche sowie eine sogenannte Funnelcloud (Trichterwolke) unterhalb der Cumuluswolke ersichtlich. Zu diesem Zeitpunkt besteht der Wirbel allerdings bereits vollständig, ist jedoch noch nicht sichtbar.

Durch die spiralförmige Feuchtezufuhr über dem Wasser und die Druckabnahme im Innern der Wasserhose kondensiert die Trichterwolke von oben herab nach unten. Über dem Wasser zeigt sich zu diesem Zeitpunkt meist ein Sprühring. Schlussendlich entwickelt sich eine vollständig auskondensierte Wasserhose.

Um zu verstehen, wie dies passiert, kann man sich einen Balletttänzer oder eine Balletttänzerin vorstellen: Wenn die Person eine Pirouette dreht, und dabei die Arme zusammenführt, beschleunigt sich ihre Rotation. Ähnlich verhält es sich mit der Luft in den unteren Luftschichten: Es braucht nur ein wenig Rotation im Windfeld über dem See. Sobald die Luft durch die Erwärmung aufsteigt wird sie gestreckt und durch den Pirouetten-Effekt beschleunigt. Dies kann zu einer Wasserhose führen.

Ungünstig für Wasserhosen sind starker Wind und insbesondere Windscherung (Änderung von Geschwindigkeit und/oder Richtung des Windes mit der Höhe). Durch diese Windscherung kann der Wirbel quasi zerrissen werden, bevor er überhaupt durch Kondensation sichtbar wird.

Vorhersage von Wasserhosen

Um Situationen mit möglichen Wasserhosen vorherzusagen, müssen diverse Parameter beachtet werden. Ein bewährtes, relativ altes Hilfsmittel ist das sogenannte «Wasserhosen-Nomogramm», entwickelt von W. Szilagyi vor über 20 Jahren. Das Szilagyi-Wasserhosen-Nomogramm basiert auf umfangreichen Beobachtungen von Windhosen über den Großen Seen in der USA. Es veranschaulicht, bei welcher Wolkenmächtigkeit in Kombination mit welchen Temperaturdifferenzen zwischen der Wasseroberfläche und etwa 1500 Metern Höhe potenziell Wasserhosen entstehen können.

Grafik vom Szilagyi Wasserhosen-Nomogramm
Das Szilagyi Wasserhosen-Nomogramm (2005). Der schwarze Punkt bzw. die Werte oben rechts in der Grafik zeigen die Bedingungen, welche am 29.Juli über dem Bodensee geherrscht haben. (W. Szilagyi, 2005)

Wasserhose über dem Bodensee, 8. Juli 2025

Die Modellsondierung (ICON-CH2-EPS, Gitterpunkt Bodensee) zeigte am Vortag gute Voraussetzungen für Wasserhosen: Schwachwindig, tiefe Wolkenbasis und labil geschichtete Luftmassen bis über 4 km über Meer (MeteoSchweiz)

In den unteren Luftschichten sehen wir im Profil des 8.Juli 2025 eine sehr starke Abnahme der Temperatur mit der Höhe, was ideal für Wasserhosen ist (siehe untenstehende Radiosondierung). Obwohl der Wind etwas stark ist, ist die Windscherung eher gering, was ebenfalls günstig ist. Grössenbedingt ist der Bodensee begünstigt, und in der Tat wurde am Morgen eine Wasserhose gesichtet. Am 9.Juli fliesst in der Höhe etwas wärmere Luft ein, unten bleibt die Schichtung aber sehr labil. Zudem ist sowohl der Wind wie auch die Windscherung etwas schwächer als am Vortag. Das heisst auch am Morgen des 9. Juli sind die Bedingungen gut. Was eventuell noch hilft, Wasserhosen zu beobachten, ist, dass die Schaueraktivität durch die Stabilisierung in den mittelhohen Schichten etwas abnimmt. Dadurch gibt es eine bessere Sicht auf die sich entwickelnden Kumuluswolken und eine mögliche Wasserhose. Im Laufe des 9.Julis fliesst dann auch in den unteren Schichten allmählich wärmere Luft ein, wodurch der starke Temperaturkontrast zwischen Wasser und Luft abnimmt und die Chancen auf Wasserhosen wieder sinken.