Hagel kann nicht flächendeckend am Boden gemessen werden. Alle vorgestellten Produkte basieren auf Radarhageldaten, die mit Hilfe von Algorithmen aus den Radarmessungen abgeleitet werden. Die Radarhageldaten werden mit punktuellen Bodenbeobachtungen wie Hagelkornfunden oder Schäden plausibilisiert. Die vorhandene Radardatenreihe ab 2002 ist für klimatologische Aussagen relativ kurz. Daher werden zur Abschätzung von seltenen, stärkeren Gefährdungen statistische Ansätze angewendet (sogenanntes Resampling), um auch Aussagen über extreme Ereignisse zu machen, die beispielsweise nur alle 50 Jahre erwartet werden.
Als Grundlage für die klimatologischen Berechnungen dienen Daten der Wetterradare der MeteoSchweiz. Im Gegensatz zu anderen Messdatentypen eignen sich Radardaten besser zur Berechnung einer Hagelklimatologie, da Radardaten flächendeckend sowie zeitlich und räumlich hoch aufgelöst sind. Dies ist für die Beobachtung von vergleichsweise kleinen und kurzlebigen Phänomenen wie Hagelgewittern, eine unabdingbare Voraussetzung.
Seit 2002 liegen die Rohdaten des Schweizer Radarnetzwerkes in hoher Qualität vor. Diese Daten decken die gesamte Schweiz und angrenzende Regionen ab. Zwischen 2002 und Ende Mai 2014 waren insgesamt drei Radare in Betrieb, an den Standorten Monte Lema im Tessin, Albis bei Zürich und La Dôle bei Genf (3. Radargeneration des Schweizer Messnetzes). In den Jahren 2011 und 2012 wurden die Radare im Projekt Rad4Alp komplett erneuert und mit den neusten technologischen Eigenschaften ausgestattet (4. Radargeneration des Schweizer Messnetzes). Der Generationswechsel brachte nochmals eine massive Verbesserung der Datenqualität. Mitte 2014 und Anfang 2016 kamen zwei weitere Radare in Bergregionen dazu: Eines auf der Pointe de la Plaine Morte im Wallis und das andere auf dem Weissfluhgipfel bei Davos. Die neuen Radare bieten eine bessere Sichtbarkeit der teils abgeschatteten Bergregionen und garantieren eine Abdeckung der Schweiz, falls eines der anderen Radare je ausfallen sollte. Im Schweizer Radarnetzwerk erfolgt alle 5 Minuten eine neue 3D-Messung, welche mit 1 km2 Auflösung abgespeichert wird.
Bei Radardaten handelt es sich um Messungen von Reflektivitätssignalen in der Höhe, zum Beispiel von Regentropfen oder Eispartikeln in Wolken. Diese Signale müssen für Angaben zum Wettergeschehen am Boden zunächst aufwändig umgerechnet werden. Die Hagelabschätzungen basieren auf dem Unterschied der Höhe der Nullgradgrenze in der Umgebung des Gewitters, welche dem Wettermodell entnommen wird, und der Höhe des sogenannten EchoTop-Signals vom Radar. Das EchoTop steht in Zusammenhang mit dem aktiven Kern einer Gewitterwolke. Je grösser der Abstand zwischen EchoTop und Nullgradgrenze, desto grösser die Hagelwahrscheinlichkeit und die erwarteten Korngrössen. Bei MeteoSchweiz werden seit 2002 hauptsächlich zwei Hagelalgorithmen verwendet:
Sowohl POH wie auch MESHS werden flächendeckend über der ganzen Schweiz und dem angrenzenden Ausland mit einer Maschenweite von 1 Kilometer und einer zeitlichen Auflösung von 5 Minuten berechnet. Beide Datenfelder sind jeweils eine Minute nach den Radarmessungen verfügbar.
Obwohl Radardaten sich gut für Hagelbeobachtungen eignen, bringt ihre Anwendung zur Erstellung einer Klimatologie einige Herausforderungen mit sich.
Wegen dieser Punkte ist eine aufwändige Kontrolle und Vorbereitung vor der Weiterverwendung der Daten unabdingbar. Bei der Erarbeitung der Datengrundlage für die neue Hagelklimatologie der Schweiz wurden Auswirkungen der technischen Änderungen auf die vieljährige Datenreihe erstmals dokumentiert, quantifiziert und nach Möglichkeit korrigiert. Das Ziel ist es, einen zeitlich möglichst homogenen Datensatz zu erhalten, um langfristig robuste Aussagen über das Hagelgeschehen machen zu können.
Die Voraussetzungen für die Berechnung von Wiederkehrperioden sind sehr lange Messreihen. Die Zeitreihe der Radarmessungen seit 2002 ist kurz, gemessen an klimatologischen Zeitskalen von normalerweise mindestens 30 Jahren und mehr. Zusätzlich ist Hagel ein sporadisches Phänomen, es tritt auf einen einzelnen Ort bezogen sehr selten auf, und dauert meist nur einige Minuten. Die Abbildung der Gesamtsumme der Tage mit Hagel pro Ort zeigt, dass es mit Ausnahme der Hotspot-Regionen nur wenige Orte mit ausreichend Daten für eine robuste statistische Auswertung der Extreme in den Beobachtungsdaten gibt. Räumliche klimatologische Auswertungen sind daher oft von einzelnen beobachteten Gewitterzellen geprägt. Aufgrund der Natur von Hagelgewittern ist davon auszugehen, dass die langjährigen Auftretenswahrscheinlichkeiten räumlich homogener sind. Beim nächsten Gewittertag kann ein Gewitter auch eine leicht veränderte Zugbahn einschlagen – auch wenn der Variabilität im Gebirgsland Schweiz durch das Gelände Grenzen gegeben sind.

Zur Gefährdungsabschätzung der Hagelereignisse wurde daher ein Resampling-Ansatz angewandt, ein statistisches Verfahren, bei dem beobachtete Ereignisse stochastisch vervielfältigt werden. Es findet in der Gefährdungs- und Risikoanalyse der Versicherungs- und Rückversicherungswirtschaft, aber auch der auswirkungsorientierten (impact-oriented) Klimaforschung Anwendung (z.B., Schwierz et al. 2010, Bloemendaal et al. 2020). Der «Hail Storm Stochastic Resampler» (HailStoRe) berücksichtigt die beobachtete Variabilität von Hagelereignissen und berechnet über die Beobachtungen hinaus Abschätzungen der räumlich-zeitlichen Auftretenswahrscheinlichkeiten von Hagel in der Schweiz. Die Methode umfasst verschiedene Module.
Als wichtigste Grundlage dienen die neuen, für die klimatologische Anwendung optimierten Radarhageldaten. Hochaufgelöste Details einzelner Hagelzellen werden dann im Zusammenhang mit grossskaligen atmosphärischen Bedingungen, unter anderem aus den MeteoSchweiz Wetterlagen-Klassifizierungen analysiert. Es werden zunächst statistische Modelle darüber aufgestellt, wann und wo unter welchen Bedingungen Hagel in der Vergangenheit in der Schweiz aufgetreten ist Diese Modelle machen es möglich, basierend auf den grossskaligen Wetterlagen zufallsbasiert hypothetische Hagelereignisse in Form von synthetischen Radarhagelfeldern zu erstellen, welche unter den heutigen Klimabedingungen plausibel auftreten könnten. In Folge kann die potenzielle Gefährdung eines schweren Hagelgewitters unter Annahme verschiedener, stochastisch generierter Zugbahnen simuliert werden. Des Weiteren dienen die so simulierten Zeitreihen als Grundlage für die Berechnung der statistischen Wiederkehrperioden der Hagelkorngrössen.
Das entwickelte Resampling-Modell HailStoRe (Hail Storm Stochastic Resampler) umfasst mehrere Schritte. Die einzelnen HailStoRe-Module ermöglichen eine flexible Anpassung der Voraussetzungen, um Ensembles von plausiblen Hagelereignissen zu erstellen.

Im ersten Schritt werden die Radarhageldaten aufbereitet und jeder einzelne der ca. 40’000 beobachteten Hagelgewitter codiert und abgespeichert. Die fünf-minütig aufgelösten Radarhageldaten werden dafür mit Zugbahn-Informationen aus dem MeteoSchweiz Gewittertracking-Algorithmus (TRT_Algorithmus) verschnitten. Für jede detektierte Gewitterzelle wird ein Sturm-Objekt erstellt, welches für jeden Zeitschritt den Hagel-Footprint der Gewitterzelle speichert. Als Footprint wird das räumlich aufgelöste Muster der Hagelkorngössen bezeichnet, der "Fussabdruck", den eine Hagelzelle hinterlässt.
HailStoRe erlaubt es, stochastische Eventsets entweder aus den Footprints beobachteter Ereignissen zu erstellen, oder die Footprint-Objekte ebenfalls stochastisch zu resamplen. Hierfür werden die Verteilungen der Hagelkorngrössen innerhalb eines Hagelgewitters unter Berücksichtgung der räumlichen Strukturen verändert. In einem ersten Schritt werden Cluster ähnlicher Hagelstürme anhand ihrer Charakteristika (Tracklänge, Fläche, Tageszeit) mittels eines K-Means Clustering Algorithmus klassifiziert. In einem zweiten Schritt werden für jedes Sturmtyp-Cluster die Verteilungen der maximalen Hagelkorngrössen parametrisch beschrieben. Es werden dann die Footprints vervielfältigt, indem die Werteverteilung eines beobachteten Footprints stochastisch auf Basis der für diesen Sturmtypen typischen Verteilung von Hagelkorngössen transformiert wird. Die räumliche Struktur wird dabei beibehalten.
Des Weiteren werden Daten der automatisierten MeteoSchweiz Wetterlagenklassifizierung und der ERA-5 Reanalyse für den Analysezeitraum aufbereitet.
In diesem Schritt werden klimatologische Muster in den beobachteten Hagelereignissen mit Umgebungsbedingungen (Wetterlagen) verknüpft und ein Resampling-Modell erstellt. In diesem Schritt wird festgelegt, welche Variablen der Umgebungsbedingungen zur Vorhersage genutzt werden. Es ist möglich, ein Modell nur auf Basis der Grosswetterlagen zu erstellen, oder andere Faktoren aus der Reanalyse, die zur Entstehung von Gewitterlagen beitragen, in den Ausgangs-Wetterlagen zu berücksichtigen. Als zweiter Faktor werden die Regionen festgelegt, in welchen aufgrund der bisherigen Beobachtungen ähnliche Hagelmuster zu erwarten sind. Hier werden typischerweise das Schweizer Mittelland, die Alpensüdseite, die hagelärmere Alpenregion und die Juraregion unterschieden. Sind die Prädiktoren festgelegt, werden statistische Modelle erstellt, welche die Hagelbedingungen bestmöglich beschreiben. Um die konvektive Aktivität über der Schweiz abzubilden, wird die Verteilung der Anzahl der entstehenden Hagelzellen mithilfe eines Negativen Binomial Modells mit Nullenüberschuss (zero-inflated) abgebildet. Dabei werden die Parameter für jede Wetterlage angepasst. Ebenfalls werden mithilfe von 2D Kernel Density Maps die typischen Entstehungsregionen erfasst, welche für jede Wetterlage die Regionen abbildet, in welcher mit höherer oder niedrigerer Wahrscheinlichkeit Hagelzellen entstehen.
Im dritten Schritt werden mithilfe längerer Zeitreihen stochastische Eventsets (plausible hypothetische Ereignisse) erstellt und validiert. Als Ausgangsdaten dienen die Zeitreihen der Wetterlagen, für die die Hagelhäufigkeiten während der Beobachtungsperiode untersucht wurden Diese Daten beinhalten die Witterung mehrerer Jahrzehnte und dienen als Ausgangslage für das Resampling. Um eine lange Reihe an möglichen Daten zu erhalten, wird pro Simulation tausend Mal eines der verfügbaren Jahre zufällig ausgewählt, Für jeden Tag eines jeden Jahres wird nun ein plausibles Hagelszenario modelliert. Dabei wird jeweils innerhalb der parametrisch beschriebenen Bedingungen für die jeweilige Region und Wetterlage ein Tag zufallsbasiert (stochastisch) erzeugt.
Für jeden Tag der Ausgangszeitreihe werden folgende Schritte durchlaufen:
Im vierten Schritt werden die Häufigkeiten von auftretenden Hagelkorngrössen analysiert und Überschreitungswahrscheinlichkeiten bestimmt. Auf Basis der unter heutigen Klimabedingungen plausibel simulierten, sehr langen Datenreihen wird die Auftretenshäufigkeit von Hagelereignissen mit verschiedenen Korngrössen bestimmt. Die Ergebnisse werden in den Karten der Wiederkehrwerte gezeigt.