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Was uns ein Saunabesuch über Gewitter lehrt

MeteoSchweiz-Blog | 27. Juli 2023
11 Kommentare

Wie zerstörerisch Gewitter sein können, konnten wir in den letzten Tagen wieder oft sehen. Deren unbändige Kraft kommt zum grossen Teil aus dem Wasserdampf. Um die Energiemengen in einem Gewitter abzuschätzen, braucht man kein Zahlenakrobat zu sein, Alltagsbeobachtungen helfen bereits.

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Die versteckte Energiequelle

Falls Sie nächstens einen Saunabesuch planen, dann empfehle ich Ihnen ein kleines Experiment. Setzen Sie sich auf der obersten Bank neben das Thermometer und beauftragen Sie eine zweite Person, einen richtig starken Aufguss zu machen. Kurz nachdem das Wasser zischend zu verdunsten beginnt, schlägt Ihnen die Hitze ins Gesicht. Beim Betrachten des Thermometers werden Sie jedoch feststellen, dass sich die Temperatur kaum geändert hat. Was wenn nicht die Temperatur verursacht dieses Hitzegefühl? Die Antwort tropft ihnen vom Körper: Wasser. Der Aufguss ist zu Wasserdampf verdunstet.  Weil Sie und die anderen Saunabenützer im wahrsten Sinne des Wortes das Coolste in der Umgebung sind, kondensiert das Wasser wieder aus. Dies verursacht das Hitzegefühl, weil beim Auskondensieren Wärme freigesetzt wird.

Übrigens: Dass es sich beim heruntertropfenden Wasser in erster Linie um kondensiertes Wasser handelt und nicht Schweiss, können Sie einfach überprüfen. Kühlen Sie sich unmittelbar vor dem Experiment im Eisbad lange ab. So stellen Sie nicht nur sicher, dass Sie zu Beginn kaum Schwitzen, sondern Ihre Haut ist so auch sehr kühl und das Experiment funktioniert besonders gut.

Die Heizleistung eines Gewitters ist enorm

Die beim Auskondensieren freigesetzte Wärme ist nicht nur in der Sauna gefühlsmässig eindrücklich, sie ist es auch in Zahlen. Wenn ein Liter Wasser auskondensiert, dann entsteht gleich viel Wärme wie beim Verbrennen von rund 50 g Benzin. Ein Liter pro Quadratmeter ist gleichbedeutend wie ein Millimeter Niederschlag. Fällt 1 mm Regen, so wurde in der Wolke pro Quadratmeter ein Liter Wasserdampf auskondensiert. Pro Quadratmeter entstand somit in der Wolke gleichviel Wärme wie beim Verbrennen von 50 g Benzin entsteht. Fast schwindelerregend wird die Energiemenge, wenn man bedenkt, dass ein Gewitter auf unzähligen Quadratkilometern Regenmengen von 10 mm und mehr bringt.

Könnte man diese Energie in Wolken nutzen, dann wäre unser Energieproblem gelöst. Nur ist dies eine rein theoretische Überlegung. Würden wir wirklich die Energie abzapfen können, dann zerfiele das Gewitter, weil wir es «ausbluten» würden.

Nichts geht verloren

Geld kann vernichtet oder geschaffen werden. Mit Energie ist dies nicht der Fall. Energie verschwindet nicht und sie entsteht auch nicht aus dem Nichts. Energie ändert lediglich seine Form. In der Sauna ist dies sehr einfach zu sehen. Beim Aufguss in der Sauna gelangt Wasser auf sehr heisse Steine. Die Steine geben ihre Wärme an das Wasser weiter mit der Folge, dass das Wasser verdunstet und sich die Steine abkühlen. Die Wärme, die die Steine verloren haben, ist nun gespeichert im Wasserdampf. Diese gespeicherte Energie wird wieder als Wärme freigesetzt, wenn der Wasserdampf auf dem Körper auskondensiert. Was wir also bei unserem Aufguss-Experiment spüren ist die Wärme der Steine, welche via Wasserdampf zu uns gelangt ist.

Dem Zahlenmuffel hilft die Eleganz der Naturgesetze

Die Energiemengen sind beim Verdunsten und Kondensieren identisch: Wird ein Liter Wasser verdunstet, dann braucht dies gleich viel Wärme wie an Wärme freigesetzt wird, wenn dieser Liter wieder auskondensiert.

Dieses Wissen hilft, auch ganz ohne Zahlenspielerei die umgesetzten Energien in den Wolken abzuschätzen. Wenn es regnet, dann wird in der Wolke gleich viel Energie freigesetzt, wie es bräuchte, um den fallenden Regen sofort wieder zu verdunsten. Bedenkt man dies während eines heftigen Platzregens, dann kriegt man ein Gefühl für die enormen Wärmemengen.

Viel Bewegung, ein bisschen Blitz

Die in den Wolken freigesetzte Wärme sorgt in erster Linie in der Wolke für starke Aufwinde. Die für uns so eindrücklichen Blitze sind dagegen – energetisch betrachtet – lediglich ein winziges Abfallprodukt. Ein anderer, meist weit energiereicherer «Nebeneffekt» sind heftige Fallwinde.

In den Aufwindzonen entstehen Niederschläge, welche heftige Abwinde produzieren können, besonders unterhalb der Wolke: Fällt der Regen in trockene Luft, dann verdunstet ein Teil des Niederschlags. Dies entzieht der Luft Wärme. Die abgekühlte und somit schwerere Luft stürzt nach unten, was sich als teils zerstörerischen Fallwind/Downburst manifestiert. (s. Blog vom 25. Juli)

Nur schon aus diesem Grund soll man Gewittern immer mit Respekt begegnen. Sicher kann man sie aber auch einfach als Anlass nehmen, über Naturgewalten zu staunen.