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Der Nordatlantik – Teil 1: Eine Ozeanströmung spendet Wärme

MeteoSchweiz-Blog | 18. September 2023
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Meeresströmungen im Nordatlantik bescheren uns in Europa ein mildes Klima. Wie funktioniert der Wärmetransport im Ozean und wie könnte sich das in Zukunft verändern? In einem zweiteiligen Blogbeitrag gehen wir diesen Fragen nach. In diesem Teil erläutern wir die Hintergründe der Ozeanzirkulation. Im zweiten Beitrag ordnen wir die Fakten rund um die aktuell sehr warmen Ozeantemperaturen ein.

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Ein weltweites Förderband im Ozean

Im Vergleich zu ähnlich nördlichen Regionen wie Kanada oder Russland ist das Klima bei uns in Europa deutlich milder. So können in Schottland Palmen wachsen, wo auf gleicher geografischer Breite in Kanada nur Moose und Flechten gedeihen. Dies verdanken wir grösstenteils den Meeresströmungen im Atlantik. Wir wollen hier näher auf die sogenannte Atlantische meridionale Umwälzzirkulation, auf Englisch «Atlantic Meridional Overturning Circulation», kurz AMOC, eingehen und wie sie unser Klima in Europa prägt.

Die AMOC transportiert warmes Wasser aus Äquatornähe zu uns nach Europa. Sie ist Teil der noch grösseren sogenannten Thermohalinen Zirkulation, die den gesamten Globus umspannt. Sie wird auch manchmal also globales Förderband bezeichnet. Die Thermohaline Zirkulation wird angetrieben durch Dichteunterschiede des Meerwassers. Diese kommen durch unterschiedliche Wassertemperaturen und variierenden Salzgehalt zustande. Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, fliesst die AMOC zuerst an der Oberfläche (in rot) entlang der Ostküste Amerikas nach Norden, bevor sie auf der Höhe von Florida Richtung Nordosten abbiegt und in Europa für ein relativ warmes und feuchtes Klima sorgt.

Das Wasser gibt seine Wärme an die kühlere Atmosphäre ab und kühlt dadurch selber aus. Dabei ist es von Bedeutung, dass die Atmosphäre Grossteils nur im Winter kälter ist als der Ozean. Der Effekt der AMOC ist deshalb vor allem im Winter wichtig für das Klima in Europa. Zusätzlich verdunstet in den Subtropen einiges an Wasser, was dazu führt, dass der Salzgehalt auf dem Weg der Strömung Richtung Norden zunimmt. In den hohen Breiten angekommen, ist das Wasser nun kalt und salzig und dadurch sehr schwer – es sinkt in die Tiefe. Als kalter Strom fliesst es dann in bis zu 3000 m Tiefe wiederum entlang der Ostküste Amerikas zurück nach Süden, wo es rund um die Antarktis und in anderen Küstenregionen wieder Richtung Oberfläche strömt.

Wie der Klimawandel die Zirkulation beeinflusst

Die AMOC ist Teil der globalen Umwälzzirkulation (Abbildung 1). Diese ist ein grosser Kreislauf, der massgeblich davon abhängt, dass im Nordatlantik Wasser absinkt und damit die gesamte Zirkulation antreibt. Ein weiterer bedeutender Antrieb der globalen Ozeanzirkulation ist das Südpolarmeer. Dies wird jedoch in dieser Diskussion nicht weiter behandelt. Mit dem Klimawandel ändern sich allerdings zwei wichtige Faktoren im Nordatlantik, die von entscheidender Bedeutung für dieses Absinken sind:

  • Die Lufttemperatur: Sie steigt, wodurch der Ozean weniger Wärme an die Atmosphäre abgeben kann. Das Wasser bleibt wärmer und damit leichter.
  • Der Salzgehalt: Grosse Teile des grönländischen und arktischen Eisschilds schmelzen. Das Schmelzwasser fliesst in den Nordatlantik. Ausserdem, gibt es aufgrund der wärmeren Atmosphäre mehr Niederschlag. Beides bringt mehr Süsswasser in den Nordatlantik, wo es den Salzgehalt des Ozeans verdünnt und das Wasser ebenfalls leichter macht.

Diese Faktoren sorgen dafür, dass weniger Wasser in die Tiefe sinkt und die AMOC schwächer wird. Das bedeutet wiederum, dass weniger salzhaltiges Wasser aus dem Süden in den Nordatlantik gelangt. Dadurch wird die Strömung weiter geschwächt. Die Forschung hat gezeigt, dass es möglich ist, dass die AMOC unter bestimmten Umständen sehr schwach werden oder ganz zum Erliegen kommen («kollabieren») könnte. Rekonstruktionen des Klimas der Vergangenheit deuten darauf hin, dass abrupte Klimaschwankungen während der vergangenen Kaltzeit mit starken Änderungen der AMOC einhergingen.

Folgen einer Abschwächung der AMOC

Eine Verlangsamung der Zirkulation hat Einfluss auf unser Klima. Durch eine verminderte Zufuhr von warmem subtropischen Wasser, kühlt der Nordatlantik ab. Schon heute wird eine lokale Abkühlung des Nordatlantiks beobachtet (siehe Abbildung 2). Wenn das Wasser kühler ist, gibt es in der Folge weniger Verdunstung und dadurch weniger Niederschlag über Europa.

Durch die Veränderung der Wärmeverteilung können auch gross-skalige Wettersysteme beeinflusst werden, so zum Beispiel der indische Monsun oder Niederschlag über der Sahel Zone. Des Weiteren führt eine schwächere Strömung entlang der Ostküste Amerikas zu einem Anstieg des Meeresspiegels in dieser Region. Zusätzlich führt eine Verlangsamung der AMOC zu einer verminderten CO2 Aufnahme der Ozeane, da dieses in geringeren Mengen in die Tiefen des Ozeans transportiert wird.

Wie sieht die Zukunft aus?

Der Weltklimarat IPCC schreibt in seinem 6. Weltklimabericht von 2021, dass es sehr wahrscheinlich ist (90-100%), dass die AMOC im 21. Jahrhundert schwächer wird und das auch mit starkem Klimaschutz. Unsicher bleibt dabei die Stärke der Abschwächung. Abbildung 3 zeigt, wie sich die AMOC mit zunehmender Temperatur verändert. Dabei sind die Unsicherheiten sehr gross, im Median zeigen die Modelle jedoch eine Abnahme der AMOC von etwa 20% unter Einhaltung des Pariser Klimaziels von 1.5°C Erwärmung. Der IPCC gibt mittleres Vertrauen in die Aussage an, dass die AMOC nicht vor 2100 kollabieren wird.

Direkte Beobachtungen der AMOC gibt es erst seit 2004. Das ist zu kurz um damit Aussagen über die Entwicklung der AMOC zu machen. Allerdings nutzen Forscher andere Indikatoren dafür wie zum Beispiel Ozeantemperaturen oder Sedimente am Ozeangrund. Dabei gibt es Hinweise für eine Verlangsamung und Destabilisierung der AMOC, welches Warnsignale eines Kollapses wären. Um aber gesicherte Aussagen über den Zustand und die Entwicklung der AMOC zu machen müssen die Messungen im Nordatlantik weitergeführt und mehr Daten gesammelt werden. Im nächsten Teil (Publikation voraussichtlich am 21. September 2023) schauen wir uns an, wie das mit den sehr warmen Ozeantemperaturen in diesem Sommer zusammenpasst.

Quellen

  • Wei Liu et al., Climate impacts of a weakened Atlantic Meridional Overturning Circulation in a warming climate. Sci. Adv. 6, eaaz4876 (2020). DOI:10.1126/sciadv.aaz4876
  • Jackson, L.C., Kahana, R., Graham, T. et al. Global and European climate impacts of a slowdown of the AMOC in a high resolution GCM. Clim Dyn 45, 3299–3316 (2015). DOI
  • Kuhlbrodt, T., Griesel, A., Montoya, M., Levermann, A., Hofmann, M., and Rahmstorf, S. (2007), On the driving processes of the Atlantic meridional overturning circulation, Rev. Geophys., 45, RG2001, doi:10.1029/2004RG000166.
  • Boers, N. Observation-based early-warning signals for a collapse of the Atlantic Meridional Overturning Circulation. Nat. Clim. Chang. 11, 680–688 (2021). DOI
  • New York Times Artikel über die Ozeanzirkulation im Atlantik
  • Spiegel-Kommentar zu aktuellen Geschehnissen im Nordatlantik von Experte Stefan Rahmstorf