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Wie Nullgradgrenzen von über 5000 Metern analysiert werden
MeteoSchweiz-Blog | 04. September 2023
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In der Nacht auf heute wurde die zweithöchste Nullgradgrenze seit Messbeginn 1954 registriert. Solch hohe Werte können nur mithilfe von Radiosondierungen verlässlich gemessen werden. Wir zeigen, wo die Wetterballone aufsteigen und wie die Messungen anhand von Vertikalprofilen visualisiert und analysiert werden.

Start eines Wetterballons in Payerne.
Start eines Wetterballons in Payerne. Quelle: MeteoSchweiz
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Ein sehr warmer, in mittleren Lagen sogar rekordverdächtig warmer Septembertag geht zu Ende. An mehreren Stationen zwischen 1350 und 2700 Metern über Meer wurden neue Septemberrekorde der Höchsttemperatur registriert. Ulrichen auf 1346 m registrierte mit 29.9 Grad sogar beinahe einen Hitzetag!

Tabelle der Stationen mit Rekordwerten
Neue Septemberrekorde der Höchsttemperatur (in Grad Celsius) vom 4. September 2023 bis Redaktionsschluss um 17 Uhr. (MeteoSchweiz)

Mit 5253 m wurde zudem erneut eine aussergewöhnlich hohe Nullgradgrenze gemessen. Dies ist der zweithöchste Wert seit Messbeginn. Vor zwei Wochen lag sie mit 5298 Metern noch leicht höher. Da die Nullgradgrenze damit bei weitem die Topografie der höchsten Alpengipfel übersteigt, kann diese nur mit Messdaten der Wetterballone oder Flugzeuge festgestellt werden.

Karte Europas mit Windmessungen sowie Geopotentialfeld auf 300 hPa.
Geopotential sowie Windfiedern der verschiedenen Wetterballone, welche am 4.9.2023 kurz nach Mitternacht gestartet sind. Die Ballonaufstiege finden weltweit zur gleichen Zeit statt und gehören mitunter zu den wichtigsten Inputdaten für die numerischen Wettermodelle. An den meisten Standorten (so auch in Payerne) wird um 00 und 12 UTC gemessen, stellenweise finden zusätzliche Sondenaufstiege um 6 und 18 UTC statt. (MeteoSchweiz, ECMWF)

Weitere Messdaten für die höheren Schichten der Atmosphäre liefern Flugzeuge im Steig- oder Sinkflug. Diese Messdaten sind sowohl zeitlich als auch räumlich nicht immer bzw. nur unregelmässig verfügbar. Zudem ist deren Qualität ist im Allgemeinen tiefer als die der Wetterballone.

Das Skew-T Diagramm

Die Messwerte der Radiosonden werden je nach Anwendung mit unterschiedlichen Vertikalprofilen dargestellt. Bei MeteoSchweiz nutzen wir meist das «Skew-T» Diagramm, welches auch regelmässig in unseren Meteoblogs zu finden ist. Die Erklärung dieser Darstellung nimmt an den Hochschulen ganze Vorlesungsstunden in Anspruch. Trotzdem hoffen wir, Ihnen diese informationsreichen Vertikalprofile etwas näher bringen zu können. Wir beginnen mit einem leeren Diagramm ohne Messwerte:

Skew-T Diagramm ohne Messdaten.
Leeres Skew-T Diagramm. Die blauen, strichlierten Linien sind normalerweise nicht sichtbar und deuten die ungefähre Höhe über Grund an. Rot markiert ist die Nullgrad-Isotherme, welche wie die anderen Temperatur-Isolinien um 45° geneigt ist. (MeteoSchweiz)

Die y-Achse stellt den Luftdruck dar. Da dieser mit der Höhe abnimmt, kann dies 1:1 für die Höhe verwendet werden. Zur Hilfe sind einige Flugflächen (FL) in Fuss angegeben. So bedeutet FL100 beispielsweise 10'000 Fuss, was 3048 Metern entspricht. Die x-Achse wird hauptsächlich für die Temperatur verwendet. Die Achse ist aber um 45° geneigt, womit wir bereits eine Erklärung für den kuriosen, englischen Namen «Skew-T» gefunden haben.

Jetzt schauen wir uns die ausserordentlichen Messwerte der Radiosondierung vom 04.09.2023 um 00 UTC an. Zuerst mal nur die Temperatur, dargestellt als rote Linie. Bei der schwarzen, dünnen Linie handelt es sich um die sogenannte Feuchtkugeltemperatur, auf welche wir hier nicht genauer eingehen. Sie gibt uns z. Bsp. Auskunft über die potentielle Schneefallgrenze.

Skew-T
Der Titel zeigt, von welcher Radiosonde die Messwerte stammen. Weitere Erklärungen im Text. (MeteoSchweiz)

Da die Temperatur in der Troposphäre mit der Höhe normalerweise abnimmt, ist die rote Linie fast immer steiler als 45° bzw. meist nach links geneigt. Wir erkennen die hohe Nullgradgrenze auf über 5000 m ü.M. sowie die Tropopause, welche durch eine Inversion (=Temperaturanstieg mit der Höhe) markiert ist.

Nun fügen wir noch zwei weitere Parameter hinzu, welche mit Radiosonden gemessen werden:

  • Der Wind:
    Rechts im Diagramm und dargestellt mit Windfiedern. Wie bei einem Pfeil zeigt die Spitze der Windfieder stromabwärts. Die Striche deuten die Windstärke an.
  • Den Taupunkt:
    Blaue, gestrichelte Linie. Entspricht der Taupunkt der Temperatur, so ist die Luft in dieser Höhe gesättigt (>=100%). Sind die rote und blauen Linien nahe beieinander, so ist mit Wolken zu rechnen.

Damit wären die wichtigsten Elemente eines «Skew-T» Diagrammes erklärt.

Es geht aber noch etwas komplizierter: Um die Daten besser analysieren und auswerten zu können, werden weitere Hilfslinien eingezeichnet: Trockenadiabaten, Feuchtadiabaten und Mischungsverhältnis (g/kg). Für was diese hilfreich sind, wird allenfalls in einem zukünftigen Blog behandelt:

Skew-T Diagramm
Komplettes «Skew-T» Diagramm mit hervorgehobenen Trockenadiabaten, Feuchtadiabaten sowie Isolinien des Mischungsverhältnisses. (MeteoSchweiz)

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