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Wie funktionieren eigentlich Klimamodelle?

MeteoSchweiz-Blog | 24. Oktober 2023
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Klimamodelle simulieren das Klimasystem der Erde. Sie ermöglichen es, Prozesse im Klimasystem besser zu verstehen, vergangene Änderungen des Klimas in der Erdgeschichte nachzuvollziehen und mögliche künftige Entwicklungen abzubilden. Aber wie funktionieren sie eigentlich genau?

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Täglich erreichen uns aus unser Leserschaft viele spannende Fragen rund ums Klima und den Klimawandel. In dieser Serie greifen wir die häufigsten gestellten Fragen auf und beantworten sie.

Teil 1: Wie man das Klima für 100 Jahre abschätzen kann.

Klimamodelle sind komplexe Computerprogramme

Klimamodelle simulieren das Klimasystem der Erde basierend auf naturwissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten wie der Massen-, Impuls- und Energieerhaltung. Sie sind in ihrem Ursprung mit Modellen der numerischen Wettervorhersage verwandt, allerdings sind die Fragestellungen bei Klimamodellen andere als bei der Wettervorhersage. Mit Klimamodellen wird versucht, die Prozesse und Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Komponenten des Klimasystems der Erde nachzubilden, also beispielsweise zwischen Atmosphäre, Ozeanen und Eismassen.

Neben der Beschreibung möglicher zukünftiger Klimazustände basierend auf Emissionsszenarien (sog. Klimaprojektionen oder -szenarien), dienen Klimamodelle dazu, das Verständnis über relevante Prozesse und Wechselwirkungen im Klimasystem zu stärken. Darüber hinaus helfen sie dabei, den menschlichen Einfluss auf das Klima zu quantifizieren.

Damit Klimaforscherinnen und Klimaforscher das Klima modellieren können, überspannen sie die Erde mit einem dreidimensionalen Gitternetz. Die horizontale Auflösung einer Gitterzelle beträgt in der Regel 50 bis 150 km. Für jede Gitterzelle und für jeden Zeitschritt wird eine Vielzahl von Messgrössen berechnet, zum Beispiel Temperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung, Druck, Luftfeuchtigkeit etc. Die zugrundliegenden physikalischen Gesetzmässigkeiten werden dazu in vielen tausend Zeilen Computercode abgebildet. Klimamodelle gehören deshalb zu den komplexesten und rechenaufwändigsten Modellen, die es heute gibt. Dank immer leistungsfähigerer Hochleistungscomputer und dem allgemeinen Wissensfortschritt konnten Klimamodelle in den letzten Jahren immer mehr physikalische Prozesse abbilden und Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Komponenten des Klimasystems simulieren. Ein Beispiel sind die Vorgänge in den Ozeanen und deren Wechselwirkung mit der Atmosphäre.

Regionale Klimamodelle beschreiben das Klima auf kleinerem Gebiet

Durch Verfeinerungen in der räumlichen Auflösung von Klimamodellen ist es möglich, auch komplexe kleinräumige physikalische Prozesse zu simulieren und topographisch stark strukturierte Regionen wie den Alpenraum besser zu repräsentieren. Für die Beschreibung des Klimas auf regionaler bis lokaler Ebene, z.B. für die Schweiz, werden die globalen Klimasimulationen deshalb durch regionale Klimamodelle ergänzt. So ist es zum Beispiel möglich, Alpentäler und das Hochgebirge besser abzubilden (Abb. 1).

Ein Endresultat von Klimasimulationen sind Klimaprojektionen

Klimaprojektionen ermöglichen Aussagen darüber, wie sich das Klima im Verlauf des 21. Jahrhunderts verändern könnte. Dies hängt stark davon ab, wie schnell und in welchem Ausmass die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre weiter ansteigt und ob Treibhausgasemissionen zu- oder abnehmen. Um Aussagen darüber treffen zu können, werden Annahmen zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Änderungen in den kommenden Jahrzehnten getroffen und in verschiedene Emissionsszenarien übersetzt. Werden zum Beispiel alle bekannten Klimaschutzmassnahmen ausgeschöpft, gelingt es, den Ausstoss der Treibhausgase rasch und nachhaltig zu vermindern. Werden hingegen keine Massnahmen ergriffen, so steigen die Emissionen ungebremst.

Die Modelle können die gemessenen Werte gut nachbilden

Um zu prüfen, wie verlässlich Klimamodelle sind, werden die Ergebnisse von Modellrechnungen mit den tatsächlich gemessenen Werten während einem überlappenden Beobachtungszeitraum verglichen. So kann gezeigt werden, dass die Klimamodelle die gemessenen Werte gut nachbilden können: Die Kurve der beobachteten Erwärmung bewegt sich im Schwankungsbereich, den die Modelle berechnet hatten (Abbildung 2). Auch zeigt Abbildung 2 den menschlichen Einfluss auf das Klima. Um diesen Einfluss von natürlichen Faktoren zu trennen, sind Klimamodelle sehr hilfreich.

Ensemble-Auswertungen bestehen aus mehreren Modellsimulationen

Um die Modellunsicherheiten von Klimaprojektionen besser zu beschreiben und in unsere Aussagen zu integrieren, werden heutzutage nicht nur einzelne Modellsimulationen angeschaut, sondern wenn immer möglich mehrere Simulationen, welche in ihrer Konfiguration vergleichbar sind, sog. Ensembles. Dies gibt einzelnen, möglicherweise fehlerbehafteten Modellen weniger Gewicht und ermöglicht es, wahrscheinlichkeitsbasierte Aussagen zu treffen. Zur Kommunikation werden oft die Mittelwerte der Modellensembles als beste Schätzung angegeben, aber auch die Spannbreite der erhaltenen Ergebnisse, um Unsicherheiten oder deutliche Übereinstimmungen aufzuzeigen. Die Ensembles, welche dem neuesten Sachstandsbericht des IPCC zu Grunde liegen, bestehen aus mehreren hundert Simulationen, verteilt auf fünf Emissionsszenarien, welche in der Betrachtung möglicher Klimaänderungen immer einzeln angeschaut werden.

Einige Unsicherheiten bleiben

Trotz bedeutender Fortschritte in den letzten Jahren, bleiben Klimamodelle vereinfachte Abbildungen der Wirklichkeit und vor allem Klimaprojektionen beinhalten gewisse Unsicherheiten. Diese haben unterschiedliche Ursprünge. Sie entstehen zum Beispiel aus dem begrenzten Wissen über natürliche Prozesse, wie beispielweise der Entstehung von Wolken und Konvektion (z.B. Gewitter), begrenzt verfügbaren Messdaten und begrenzten Rechenkapazitäten. Modelle unterscheiden sich in der Simulation von Prozessen und deren Vereinfachung und können unterschiedlich stark auf veränderte Treibhausgaskonzentrationen reagieren. Die damit verbundenen Unsicherheiten fasst man unter dem Begriff Modellunsicherheit zusammen.

Zudem sind die zugrundeliegenden Emissionsszenarien, welche auf Einschätzungen schwierig vorhersehbarer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen in den kommenden Jahrzehnten beruhen, per Definition unsicher. Aus diesem Grund werden mehrere plausible Emissionsszenarien definiert, die eine Bandbreite zwischen konsequentem Klimaschutz und keinem Klimaschutz abdecken. Die Berücksichtigung mehrerer Emissionsszenarien ermöglicht es, Nutzen und Kosten von Klimaschutzmassnahmen den Folgen einer ungebremsten Klimaerwärmung gegenüber zu stellen und hilft dadurch vielen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern.

Neben der mit Emissionsszenarien verknüpften Unsicherheit besitzt das Klima eine grosse natürliche (oder auch interne) Variabilität. Diese ist gekennzeichnet durch Schwankungen des Klimas, welche nicht durch den menschgemachten Klimawandel, sondern durch natürlich auftretende Wechselwirkungen zwischen Komponenten des Klimasystems verursacht sind. Die natürliche Variabilität überlagert den Trend der Klimaerwärmung und ist der massgebende Grund dafür, dass sich trockene und nasse Jahre, sowie wärmere und kühlere Perioden abwechseln.

Alle Feinheiten des Klimas zu simulieren ist nach menschlichem Ermessen unmöglich. Dennoch sind die Klimamodelle heute in der Lage, langfristige Klimatrends zuverlässig zu berechnen. Ohne sie wären Simulationen des Klimas im 21. Jahrhundert undenkbar. Sie geben uns ein Bild der möglichen Klimazukünfte unseres Planeten und stellen eine wichtige Grundlage für Entscheidungen dar, zum Beispiel im Klimaschutz. Für die Schweiz zeigen die Klimaszenarien CH2018, wo und wie der Klimawandel die Schweiz trifft und was weltweite Klimaschutzanstrengungen dagegen ausrichten können.

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