Phase 2: Rekordpegelstände an Seen nach weiteren namhaften Niederschlägen
Während sich mit dem Ende der extremen Regenfälle am 13. Mai die Hochwasser-Situation in den zuerst betroffenen Gebieten des Mittellandes entspannte, verlagerte sich nun die Luftmassengrenze an den Alpennordhang. Hier gab es zwar keine derartig extremen Niederschläge wie zuvor im Mittelland. Die starken Regenfälle dauerten aber umgekehrt vom 11. bis 14. Mai und waren zeitweise doch sehr intensiv. Beinahe die Hälfte der Alpennordseite erhielt vom 11. bis 14. Mai mehr als 100 mm Regen. Stark betroffen waren das Simmen- und das Kandertal.
Entsprechend stiegen nun weniger die kleinen Bäche, sondern die grösseren Flüsse und damit auch die Seespiegel dramatisch an. Besorgnis herrschte in der Linthebene, wo der alte Linthdamm zu brechen drohte. In der Nacht zum 15. Mai erreichte die Linth vorübergehend beinahe die kritische Marke. Auch die Reuss erreichte kritische Hochwasserwerte. In der Folge stieg der Vierwaldstättersee so hoch an, dass er am 15. Mai nur noch wenige Zentimeter unter der kritischen Marke stand und das Luzerner Kongresszentrum bedrohte. Extreme Hochwasserstände erreichten auch andere Seen, doch blieben dort grössere Uferüberflutungen aus.
Weniger Glück hatten die Berner. Die Simme und Kander führten extremes Hochwasser. Viele Verkehrsverbindungen im Simmental und Diemtigtal waren unterbrochen. Am 14. Mai trat der Thunersee über die Ufer und übertraf am 15. Mai den bisherigen Höchststand von 1910 um 35 cm. Damit lag die Rekordmarke rund 70 cm über der Schadensgrenze. Auf 4 km Länge drang das Wasser bis 400 m landeinwärts vor und setzte Häuser unter Wasser.
Auch das Aaretal wurde von den Überschwemmungen stark betroffen. Das Gelände des Flughafens Belpmoos stand unter Wasser. Die Autobahn A6 war teilweise nur noch einspurig befahrbar. In Bern stieg der Aarepegel auf einen neuen Rekordstand seit Messbeginn 1917 und trat schon am 13. auf beiden Seiten über die Ufer. Am 14. Mai erreichte die Aare einen neuen Rekordstand und überflutete das ganze Mattequartier. Die Einwohner mussten evakuiert werden. Im ganzen Kanton Bern standen über 500 Häuser unter Wasser.
Kleinräumige Schäden entstanden auch in den Kantonen Schwyz, Zug und Luzern. Hier waren es teils kleinere Bäche, die über die Ufer traten, teils Rutschungen und Rüfenniedergänge. Am Lauerzersee mussten Häuser evakuiert werden.
Am 14. Mai unterbrach ein Erdrutsch die SBB-Linie Bern-Luzern durch das Entlebuch. Unpassierbar waren ebenfalls die Brünigstrecke sowie die Linie Zug-Arth-Goldau.
Glücklicherweise beruhigte sich ab dem 14. Mai das Wetter, so dass sich die Hochwassersituation allmählich etwas entspannte. Einzig der Bodensee, der wegen seiner Grösse langsamer anstieg, meldete noch steigende Tendenz und eine Annäherung an die kritische Hochwassermarke.
Hauptursache für die Hochwasser waren die extremen Niederschläge. Da es sich um warmfeuchte Luftmassen handelte, regnete es bis in grosse Höhen. Der Niederschlag floss sofort ab. Bei den vergleichbaren Frühlingsregen vom 6. bis 9. Mai 1985 und 20. bis 23. Juni 1973 hatte es hingegen oberhalb etwa 1500 m geschneit, so dass ein Teil des Niederschlags erst beim späteren Schmelzen des Schnees zum Abfluss gekommen war.
Ungünstig wirkte sich zudem aus, dass die Böden nach dem regenreichen April und durch den bei den hohen Temperaturen schmelzenden Schnee schon vor dem Eintreten der Starkregen durchnässt waren. Die direkte Schneeschmelze während der starken Niederschläge spielte gemäss Landeshydrologie hingegen eine deutlich untergeordnete Rolle. Dass der Beitrag der direkten Schneeschmelze an die Abflussvolumen nicht besonders gross war, zeigte sich deutlich in den Gebieten mit geringeren Regenfällen (oberes Rheintal, Rhonetal, Haslital). Von diesen wurden vorerst keine kritischen Hochwassersituationen gemeldet.