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„Twisters“ der Film: Was sich in 30 Jahren verändert hat

MeteoSchweiz-Blog | 27. August 2024
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Der neue Film „Twisters“, der derzeit in den Kinos läuft, zeigt Gewitterjäger/-innen und Wissenschaftler/-innen, die versuchen, Tornados besser vorherzusagen und sie aufzulösen. Was hat sich in den fast 30 Jahren seit dem Erscheinen des Originalfilms „Twister“ im Jahr 1996 bei der Vorhersage von Tornados in den USA wirklich verändert?

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Die Technologie

Im Jahr 1996 waren die sozialen Netzwerke erst in den Kinderschuhen und noch nicht wie heute im Überfluss vorhanden. Facebook gab es nicht, Instagram, X oder TikTok und es gab auch kein Youtube um live von Tornados zu berichten. 1996 wurde das erste soziale Netzwerk „Six Degrees“ ins Leben gerufen und es sollte noch weitere sieben Jahre dauern, bis „MySpace“ verfügbar war. Smartphones gab es noch keine, um auf den Wetterapps die Niederschlagsanimation zu verfolgen, Warnungen zu erhalten oder Crowdsourcing Beobachtungen auszutauschen. Das erste iPhone kam erst 11 Jahre später auf den Markt.

Die Vorhersage

Das Storm Prediction Center (SPC), welches dem National Weather Service angegliedert ist und dem National Oceanic and Atmsopheric Administration unterliegt, ist für die Ausgabe von Gewitter-Vorwarnungen und Tornados verantwortlich. Dieses Zentrum konnte 1996 noch nicht von einer engen Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Forschenden profitieren. Erst kurze Zeit später begann das Zentrum mit dem Umzug von Kansas City nach Norman (Oklahoma), um eine engere Synergie mit der Forschung zu erreichen. Damals warnte das SPC für die nächsten zwei Tage vor schweren Gewittern (die unter anderem Tornados verursachen können). Heute tun sie dies für die nächsten drei Tage und geben auch eine grobe Prognose für die nächsten fünf Tage ab.

Früher gab es noch keine Möglichkeit, mit Ensemble oder probabilistischen numerischen Vorhersagemodellen zu arbeiten. Diese ermöglichen heute, verschiedene Szenarien in die Prognose für die kommenden Tage miteinzubeziehen. Numerische Modelle, die sich explizit mit Gewitterphänomenen befassen (sogenannte CAMs - convection allowing models), gab es ebenfalls noch nicht. Obwohl diese Modelle nicht immer eine grosse Hilfe bei der Vorhersage von Tornados an sich oder ihrer Entstehung an einem bestimmten Ort sind, ermöglichen sie oft eine bessere Einschätzung der zukünftigen Gefahren welche von Gewitter ausgehen.

Die Radargeräte

In den USA war das landesweite Netzwerk von Wetterradaren mit Doppler-Technologie (NEXRAD) noch nicht vollständig fertiggestellt, als der erste Film „Twister“ in die Kinos kam. Erst im darauffolgenden Jahr (1997) konnten Meteorolog/-innen damit beginnen, Rotationen innerhalb von Gewitterzellen mithilfe dieser Technologie besser zu erkennen. Heute kann mithilfe der Dual-Polarisations-Technologie die Form von Hydrometeoren (Tropfen, Hagel, Schneeflocken) und auch Trümmer identifiziert werden, welche in der Tornado-Zirkulation mitgeführt werden.

Der nationale Wetterdienst der USA, der National Weather Service, hat heute ebenfalls neue Radarscanstrategien, mit denen sie dynamische Veränderungen innerhalb von Gewittern schneller und besser erkennen können. Dank dieser Verbesserungen konnte die Vorlaufzeit von Tornadowarnungen in den USA in den letzten 30 Jahren um durchschnittlich 12 Minuten erhöht werden.

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Die Warnungen

In den USA wurden 1996 die Warnungen vor schweren Gewittern und Tornados (entspricht bei uns den FlashOrages) für ganze Counties, also Bezirke, herausgegeben. Dadurch wurden tendenziell zu viele Menschen gewarnt, da das Gewitter (mit oder ohne Tornado) oft nur einen Teil des Bezirks betraf. Im Jahr 2007 entwickelte der National Weather Service feinere Warnungen, die einen Vorhersagezeitraum von 30 Minuten bis zu einer Stunde abdeckten.

In den USA wird die Öffentlichkeit heute ebenfalls mit verschiedenen Arten von Tornadowarnungen versorgt. Sie basieren entweder auf der einfachen Identifizierung von Rotationen innerhalb des Gewitters (was keine Garantie für die Bildung eines Tornados am Boden ist) oder auf der visuellen Identifizierung eines Tornados am Boden durch Augenzeugen. In den USA hat die Bevölkerung heute eine durchschnittliche Vorwarnzeit von 15 Minuten (3 Minuten im 1996). Dies mag sehr kurz erscheinen, widerspiegelt aber die Komplexität der Entstehung und Warnung dieses Phänomens selbst in flachem Gelände.

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Schadensanalysen vor Ort

Die Intensität von Tornados wird anhand der Schäden, welche sie am Boden verursachen, eingeschätzt und mittels der Fujita-Skala klassifiziert. Diese Skala wurde 1971 in den USA vom japanischen Wissenschaftler Theodore Fujita entwickelt und war 1996 bereits in Gebrauch, um die Intensität von Tornados nachträglich in F0 bis F5 zu klassifizieren. Aufgrund einiger Einschränkungen der Skala entwickelten Wissenschaftler und Ingenieure 2007 eine aktualisierte Version der Skala, die heute als Enhanced Fujita Scale (EF) bezeichnet wird.

Die verbesserte Version der Fujita-Skala berücksichtigt heute ein breiteres Spektrum an Gebäuden und ermöglicht es, das Ausmass der Schäden besser auf die Windgeschwindigkeit abzustimmen. In Europa wurde angesichts der sehr unterschiedlichen Bauphilosophie, eine neue Skala mit dem Namen „The International Fujita Scale“ entwickelt. Diese Skala berücksichtigt die Bauvorschriften in verschiedenen Teilen der Welt und die verschiedenen verwendeten Materialien.

Tornados bleiben ein schwer vorhersagbares Phänomen

Trotz aller Verbesserungen und Technologien in den letzten Jahrzehnten, bleiben Tornados ein Phänomen, das sich nur schwer im Voraus vorhersagen lässt. Trotz ständig verbesserter Vorhersagemodelle und immer leistungsfähigerer und moderner Technologien bleibt die Entstehung eines so lokal begrenzten und oft kurzlebigen Phänomens eine grosse Herausforderung.

Dies ist vergleichbar mit der Medizin und der Astrophysik. Je mehr man versucht, das unendlich Kleine zu analysieren und zu verstehen, desto schwieriger wird es. Da die Atmosphäre von Natur aus chaotisch ist, nimmt die Unordnung, Unsicherheit und Streuung zu, je weiter der Vorhersagezeitpunkt entfernt liegt. Dasselbe gilt auch für die Vorhersagbarkeit von Phänomenen in sehr kleinem Massstab. Aber die bereits erzielten Schritte in diesem Bereich werden es zweifellos ermöglichen, diese „Twister“ in Zukunft besser zu verstehen und vorherzusagen – egal, wie klein diese Schritte auch sein mögen.

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Dieser Blog entspringt dem MeteoSuisse Blog und wurde für Sie ins Deutsche übersetzt und angepasst.