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Wenn der Herbst den Sommer zurückruft
MeteoSchweiz-Blog | 13. Oktober 2024
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Wissen Sie, wie man die Zeit nennt, in der der Sommer seine Koffer gepackt hat und schon fast zur Tür hinaus ist, als er sich plötzlich umdreht und ruft: «Hey, ich hab noch was vergessen»?

Ein mit Tau überzogenes Spinnennetz, das von einer tiefstehenden Sonne angestrahlt wird, ist DAS Symbolbild für welche Zeit? Foto: ulleo, pixabay.com
Ein mit Tau überzogenes Spinnennetz, das von einer tiefstehenden Sonne angestrahlt wird, ist DAS Symbolbild für welche Zeit? Foto: ulleo, pixabay.com
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Es ist auch jene Zeit, in der die Murmeltiere bereits im tiefen Winterschlaf schnarchen und von saftigen Wiesen im nächsten Sommer träumen. Die Kühe sind nach ihrer Alpsömmerung längst wieder im Tal und chillen, während sie sich fragen, warum die Menschen so aufgeregt sind.

Sie sind es wohl deshalb, weil der Herbst die schönste Jahreszeit ist, um in den Bergen zu wandern. Das sagen zumindest jene, die sich an den farbenprächtigen, warmen und sonnigen Tagen erfreuen, welche im Oktober gerne auftreten. Genau, es geht um jene Zeit, wo der Herbst den Sommer zurückruft: der Altweibersommer.

Goldene Lärchen am Lagh da Val Viola im Val da Camp (Archivfoto).
Goldene Lärchen am Lagh da Val Viola im Val da Camp (Archivfoto). (Foto: U. Graf)

Der Altweibersommer hat aber nichts damit zu tun, dass der Sommer nicht loslassen könnte und sich wie eine alte Dame an ihre Jugendklamotten klammert. Nein, der Begriff leitet sich von Spinnfäden her, die im Herbst umherfliegen und bei tiefstehender Sonne gut zu erkennen sind. Deshalb auch das Titelbild dieses Blogs.

Mit «weiben» wurde im Altdeutschen das Knüpfen der Spinnweben bezeichnet, wobei das Wort «weiben» für das heutige Wort «weben» verwendet wurde. Der Begriff «alt» ist gemäss Duden-Bedeutungswörterbuch im Zusammenhang mit «spät» zu verstehen. Der Altweibersommer ist demnach quasi der Spätsommer.

In der Meteorologie ist der Altweibersommer als Singularität oder Witterungsregelfall bekannt, also als eine Witterungsphase, die mehr oder weniger zur selben Zeit vorkommt und in der die Witterung vom üblichen Jahresverlauf abweicht.

Er kommt hierzulande etwa ab Mitte September, besonders häufig jedoch im Oktober vor, da dann vielfach eine recht beständige Hochdrucklage über Mitteleuropa auftritt. Die Sonne scheint dann offensichtlich Überstunden zu machen, zumindest in den Bergen. Dies zeigen zum Beispiel die Daten der Messstation in Davos.

Eine Lärche oberhalb von Davos hat sich in Herbst-Schale geworfen und leuchtet auch ohne Sonneneinstrahlung um die Wette.
Eine Lärche oberhalb von Davos hat sich in Herbst-Schale geworfen und leuchtet auch ohne Sonneneinstrahlung um die Wette. (Foto: Meteomeldungen/App)

Deren Messreihe der täglichen Sonnenstunden reicht über 100 Jahre zurück. Eine Analyse der relativen Besonnung bietet sich deshalb gut an, um den Altweibersommer daran festzunageln. Stationen im Mittelland eigenen sich dafür hingegen weniger. Dort ist die Besonnung bei Hochdrucklagen oft durch Nebel oder Hochnebel eingeschränkt.

Mit den heutigen Klimabedingungen erscheint der Altweibersommer jedoch nicht mehr in gleich markanter Ausprägung wie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Betrachtet man die aktuelle Klimanorm 1991 bis 2020, dann stechen am ehesten noch der heutige 13. Oktober, der 22. sowie die Tage vom 25. bis 27 Oktober als häufige Schönwettertage heraus.

Abweichung der relativen Sonnenscheindauer vom 1. bis und mit 12. Oktober 2024 zur Norm. In der ganzen Schweiz zeigte sich die Sonne bisher weniger oder deutlich weniger als üblich.
Abweichung der relativen Sonnenscheindauer vom 1. bis und mit 12. Oktober 2024 zur Norm. In der ganzen Schweiz zeigte sich die Sonne bisher weniger oder deutlich weniger als üblich. (Quelle: MeteoSchweiz)

Auch wenn die Alpenwelt ohne den klassischen Altweibersommer natürlich zweifelsohne ihren magischen Charme hat, in diesem Jahr hat der Herbst den Sommer noch nicht zurückgerufen. Der Altweibersommer ist bisher noch eine schüchterne Diva, was die Besonnung anbelangt. Die Sonne blieb bis jetzt oft hinter den Wolken verborgen. Aber was noch nicht war, kann ja noch werden. Der Sommer hat schliesslich ja noch was vergessen einzupacken.

Goldige Lärchen im Oberengadin, ein Naturschauspiel, das Seinesgleichen sucht (Archivfoto).
Goldige Lärchen im Oberengadin, ein Naturschauspiel, das Seinesgleichen sucht (Archivfoto). (Foto: U. Graf)