Die starken Gewitter vom 21. Juni 2024 im Misox bleiben wegen der betroffenen Menschen (zwei Tote und eine vermisste Person) und der schweren Schäden, vor allem in der Ortschaft Sorte, in Erinnerung. Die Überschwemmungen entwickelten sich lokal sehr schnell und intensiv.
Niederschlagsverlauf
In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2024 strömte feuchte Luft aus der Poebene vor allem aus Südwesten in den Alpenraum. Die ersten Niederschläge erreichten das Misox gegen 8 Uhr: Es handelte sich um einzelne schwache Schauer. Am späten Vormittag, gegen 11:30 Uhr, zog eine erste organisierte Gewitterlinie über die gesamte Region und brachte die ersten nennenswerten Niederschlagsmengen. Danach gab es bis etwa 18 Uhr keine nennenswerten Regenmengen mehr, obwohl weiterhin feuchte Luft aus Südwesten zufloss. Von diesem Zeitpunkt an bildeten sich innerhalb von etwa zwei Stunden zahlreiche Gewitterzellen, die das gesamte Gebiet des Misox betrafen. Die Niederschlagsintensität lag bei über 50 mm/h. Die Gewitter waren gut organisiert und erstreckte sich von der Brianza bis zum San-Bernardino-Pass. Ab 20 Uhr zog die Gewitterfront nach Osten ab und die Niederschläge liessen rasch nach.
Die Entwicklung stationärer Gewitterfronten wie am 21. Juni 2024 ist auf der Alpensüdseite ein typisches Ereignis, das in der wissenschaftlichen Literatur bekannt und gut beschrieben ist. Der Mechanismus, der diesen Ereignissen zugrunde liegt, lässt sich wie folgt vereinfacht darstellen: Von Südwestwinden in der Höhe angetrieben erreichen warme und feuchte Luftmassen aus dem Mittelmeerraum die Alpen, wo sie durch die Wechselwirkung mit der Orografie zum Aufsteigen gezwungen werden. In einer sehr instabil geschichteten Atmosphäre, wie es am 21. Juni 2024 der Fall war, verläuft der Aufstieg turbulent und führt zur Bildung von Gewittern, die als Antrieb die Feuchtigkeit in den unteren Schichten nutzen. Sie bewegen sich in Richtung der Höhenströmungen, typischerweise von Südwesten nach Nordosten. Solange die Strömungskonfiguration in den verschiedenen Höhenlagen nahezu unverändert bleibt, regenerieren sich die Gewitter und entladen sich ständig über denselben Regionen. Typischerweise beendet der Durchgang einer Kaltfront diese Situation. Die Geschwindigkeit und Richtung der Winde in den verschiedenen Schichten der Atmosphäre variieren von Fall zu Fall und bestimmen die Art der Wechselwirkung mit der Orografie und letztlich die genaue Lage und Ausdehnung der Gewitter. Das bedeutet, dass selbst bei ähnlichen synoptischen Bedingungen die genaue Lage der Gewitter und die von ihnen betroffenen Regionen von Fall zu Fall variieren und sich entlang der Südalpen zwischen dem Maggiatal und dem Misox positionieren. Im Fall des 21. Juni 2024 führte die Kombination der Höhenwinde dazu, dass sich die Gewitter südlich des Misox entwickelten und sich von Süden nach Norden über das gesamte Tal erstreckten, wo sie vor allem am Abend intensive Niederschläge verursachten.
Tabelle 1 fasst die Niederschlagsmengen zusammen, die während des Gewitters vom 21. Juni 2024 von den Messstationen im Misox und im Calancatal gemessen wurden. Alle Niederschläge fielen innerhalb des Standardzeitraums 6 bis 6 UTC. Die Gesamtniederschlagsmengen der verschiedenen Bodenmessstationen sind in der letzten Spalte aufgeführt. Die anderen Spalten fassen die Höchstwerte pro Zeitintervall zusammen, wobei es sich um ein gleitendes Zeitintervall handelt. Bei der Interpretation der Tabelle ist zu beachten, dass die Daten der Stationen Lago d'Arbola, Lago d'Isola und Roggiasca nur stündlich erfasst werden und die gleitenden Summen daher auf Stundenwerten basieren und nicht wie bei den anderen Messstationen auf 10 Minuten. Das bedeutet, dass die tatsächlichen Höchstwerte für diese drei Stationen etwas höher sein könnten als in Tabelle 1 angegeben. Bemerkenswert sind die sehr hohen Werte in nur 2 Stunden in Grono (82.3 mm) und am Lago d'Arbola (107.0 mm).