Jede Niederschlagsprognose ist mit Unsicherheit behaftet. Aus diesem Grund werden die Niederschlagsprognosen von MeteoSchweiz mit probabilistischer Zusatzinformationen ergänzt, um die vorhandenen Unsicherheiten darzustellen. Da Statistik und Wahrscheinlichkeiten nicht immer ganz einfach zu verstehen sind, versuchen wir heute anhand von Anwendungsbeispielen die probabilistischen Niederschlagsprognosen, wie sie in der MeteoSchweiz App zu finden sind, genauer zu erläutern.
Um die Unsicherheiten darzustellen, wird bei numerischen Wettermodellen ein sogenannter «Ensemble»-Ansatz verwendet. Das bedeutet, dass für denselben Zeitraum mehrere Szenarien mit demselben numerischen Modell berechnet werden, jedoch mit leichten Modifikationen – beispielsweise bei den Anfangsbedingungen, die als Startparameter für die Simulationen eingegeben werden. Bei MeteoSchweiz verwenden wird das ICON Ensemble-Vorhersagesystem. So berechnet beispielsweise das ICON-CH2-EPS (horizontale Auflösung von 2,1 km) 21 Szenarien für einen Zeitraum von 5 Tagen. Folgende Grafik (Abbildung 1) veranschaulicht den oben beschriebenen Ensemble-Ansatz. Dargestellt sind die 21 verschiedenen ICON-CH2-Modellmembers für die prognostizierte 3-stündige Niederschlagssumme am 22.10.25 um 12 UTC.
Für den berechneten Zeitraum ist ersichtlich, dass es zwischen den Szenarien erhebliche Unterschiede gibt bezüglich der Niederschlagsmengen und -verteilung (vergleiche z.B. die Regionen, die rot eingekreist sind in Abbildung 1). Dies verdeutlicht die Unsicherheit der berechneten 3-stündigen Niederschlagsmengen für das entsprechende Zeitintervall.
Die Unsicherheiten des berechneten Niederschlags werden in der MeteoSchweiz-App in unterschiedlichen Formen dargestellt. Im Folgenden werden die verschiedenen Produkte genauer erklärt.
Interessiert man sich für die Tagesniederschlagsmenge, die an einem Ort zu erwarten ist, schaut man sich am besten die Lokalprognose (> Wochenprognose) für den entsprechenden Ort an (siehe Abbildung 2). Auf der linken Seite ist als einzelne Zahl (fett) die beste Schätzung (Median) für den Tagesniederschlag sowie darunter ein Wertebereich (hellgrau) angegeben. Der Wertebereich zeigt uns, dass 80% aller berechneten Member in diesem Bereich liegen (für eine detaillierte Erklärung zu den statistischen Massen siehe Exkurs II unten). Grundsätzlich kann man sagen, je geringer der Wertebereich, desto mehr kann man dem Median vertrauen schenken.

Folgende Grafik (Abbildung 3) veranschaulicht, wie sich die im oben aufgeführten Beispiel (Abbildung 2) angegebenen Niederschlagswerte statistisch einordnen lassen.

Um die verschiedenen statistischen Begriffe besser zu veranschaulichen, wurden die einzelnen berechneten Niederschlagswerte der verschiedenen Ensemble-Member (Punkte) in der Grafik oben (Abbildung 3) in aufsteigender Reihenfolge geordnet. Bei den 14 mm handelt es sich also um das «Median-Szenario»: D.h. für die Hälfte der Szenarien der Ensemble-Vorhersage wurde einen höheren und für die andere Hälfte einen tieferen Tagesniederschlagswert berechnet. Man geht davon aus, dass in den meisten Fällen der Median die beste Schätzung ist. Um den Unsicherheitsbereich anzugeben, verwendet man in der App die Bandbreite der berechneten Niederschlagssummen zwischen dem 10%- und 90%-Quantil. Das 10%-Quantil bzw. 90%-Quantil ist der Wert, unter dem 10% der tiefsten (bzw. 10% der höchsten) Niederschlagssummen liegen. Das heisst, 80% der berechneten Niederschlagsmengen liegen zwischen Q10 (6 mm) und Q90 (21 mm).
Möchte man zeitlich eine bessere Auflösung und ist interessiert daran, wann es stündlich wieviel an einem Ort regnet, schaut man sich am besten die detaillierte Lokalprognose für einen Ort an (siehe Abbildung 4). Hier findet man mittels Säulendarstellung Angaben zu den 1-stündigen Niederschlagsmengen. Wie bei den Tagesniederschlägen (Wochenprognose) werden auch hier dieselben statistischen Masse verwendet: der Median für das wahrscheinlichste Szenario und das 10%-Quantil (Q10) und 90%-Quantil(Q90) für die Angabe des Unsicherheitsbereichs (siehe Box oben für die Erklärung der statistischen Masse). Die farbigen Balken zeigen den Median, die transparenten Balken den Unsicherheitsbereich der Ensemble-Vorhersage. In anderen Worten bedeutet das, dass z.B. zwischen 5 und 6 Uhr die Regenmenge von 2 mm zu 90% nicht überschritten wird. Zwischen 11 und 14 Uhr sind nur transparente Balken sichtbar. Hier liegt der Median (wahrscheinlichste Szenario) also bei 0 mm. Somit ist das Regenrisiko in diesem Zeitraum geringer als in den Stunden zuvor oder danach. Dennoch gibt es aber ein Restrisiko, dass etwas Niederschlag fallen könnte (siehe transparente Balken).

Vorsichtig ist geboten bei der Interpretation der Regenmengen-Angaben bei konvektiven Wetterlagen, wenn das Wetter von Schauern und weniger von flächigem Niederschlag geprägt ist. Wenn ein Schauer oder Gewitter den Vorhersageort trifft, dann ist die Angabe vom Medianwert oft deutlich zu tief. Deshalb sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass man bei Gewitterlagen dem Unsicherheitsbereich grössere Beachtung schenkt als bei einem frontalen Niederschlagsereignis.
Interessiert man sich weniger für die Niederschlagsmengen, sondern möchte man wissen, ob es zu einer bestimmten Zeit trocken bleibt oder nicht, dann schaut man sich am besten die flächigen Niederschlagswahrscheinlichkeiten an. In der App findet man diese unter Animationen und dem «Wolkensymbol mit %» (siehe Abbildung 5).

Wählt man einen der Wochentage aus, stehen einem zusätzlich zu den 24-stündigen auch die 6-stündigen Wahrscheinlichkeitskarten zur Verfügung (siehe Abbildung 5). Die Wahrscheinlichkeitskarte rechts zeigt, dass das Risiko für Regen in Lugano von 0 bis 6 Uhr zwischen 20 bis 40 % liegt. Doch was bedeutet es, wenn uns eine Regenwahrscheinlichkeit von 40% angezeigt wird? Wichtig zu wissen ist, dass die Regenwahrscheinlichkeit nichts über die Dauer des Niederschlags aussagt. Eine Regenwahrscheinlichkeit von 40 % bedeutet, dass 40 % der Ensemble-Members Niederschlag berechnen und 60 % ein trockenes Szenario liefern.
Stets zu beachten ist bei den Wahrscheinlichkeitsprognosen auch, welches Zeitintervall man in Betracht zieht. Ein 24-stündiges Zeitfenster ist immer wahrscheinlicher von Niederschlag betroffen als ein 6-stündiges, weil es mehr Raum für die Entwicklung und Dauer von Niederschlagsmustern lässt.
Zudem müssen auch hier die Wahrscheinlichkeiten bei konvektiven Lagen (Schauer und Gewitter) mit grösserer Vorsicht interpretiert werden. Im Allgemeinen sind dann die berechneten Wahrscheinlichkeiten im Vergleich zu frontalen Niederschlagsereignissen geringer, da die recht zufällige und flächig geringere Verteilung der Niederschläge es unwahrscheinlicher macht, dass es in allen Members des Ensembles zu grösseren Niederschlagsmengen am selben Ort kommt.
Weitere Infos zu Wahrscheinlichkeitsprognosen finden sie auf unserem Wetterlexikon:
oder in einem alten Blog:
https://www.meteoschweiz.admin.ch/ueber-uns/meteoschweiz-blog/de/2023/07/statistik-fuer-dummies.html