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Polarwirbel

Der Polarwirbel ist eine Tiefdruckzone, welches sich im Winter über der Arktis befindet und wird in einen stratosphärischen und troposphärischen Wirbel unterteilt. Durch seine Dynamik beeinflusst er das Klima und Wetter in unserer Region. Ereignisse welche eine plötzliche Erwärmung zur Folge haben, können den Polarwirbel stören.

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In der Meteorologie ist der Polarwirbel ein grosses Tiefdruckgebiet, welches sich über dem Nordpol befindet. Er ist besonders in der kalten Jahreszeit ausgeprägt und umfasst eine viel grössere Region, als Tiefdruckgebiete üblicherweise aufweisen. In Europa können Tiefdruckgebiete einen Durchmesser von 1000 bis 2000 km aufweisen. Der Polarwirbel umfasst die Region zwischen dem Nordpol und dem Polarkreis, und kann sich bis in die mittleren Breiten ausdehnen.

Der Polarwirbel ist eine Struktur, die sich hauptsächlich in der Stratosphäre entwickelt, in einer Höhe zwischen 12 bis 50 km. Der Entstehungsort befindet sich oberhalb der Troposphäre, der Schicht in welcher die wichtigsten meteorologischen Prozesse stattfinden.  In der Polregion ist die Atmosphäre im Vergleich zur Äquatorregion dünner und die Stratosphäre beginnt bereits ab 8 km Höhe.

Eine ähnliche Zirkulation befindet sich in der Troposphäre und kann zum Teil mit der Stratosphäre gekoppelt sein. Es wird also vom stratosphärischen und troposphärischen Wirbel unterschieden. Direkt über dem Nordpol kann, von oben betrachtet, eine kreisförmige gewellte Bewegung der Luftmassen gegen den Uhrzeigersinn erkannt werden. Die Wellen in dieser Strömung werden in der Meteorologie Rossby-Wellen bezeichnet. Über dem Südpol befindet sich ebenfalls ein Wirbel, der antarktische Polarwirbel.

Der stratosphärische Polarwirbel

Die Drehbewegung gegen den Uhrzeigersinn (im Uhrzeigersinn am Südpol) wird durch die Corioliskraft, also die Erdrotation, bestimmt. Der stratosphärische Polarwirbel entsteht aufgrund der starken Westströmung, welche in den mittleren Breitengraden in der Höhe entsteht. Diese Strömung wiederum ist das Ergebnis der unterschiedlichen Erwärmung der nördlichen und mittleren Breitengraden und des daraus entstehenden thermischen Ungleichgewichts. Dieses ist in der kalten Jahreszeit, aufgrund der stärkeren Abkühlung in den arktischen Zonen als in den äquatorialen Zonen, stärker ausgeprägt.

Der stratosphärische Polarwirbel wird im Herbst stärker und breiter und schwächt sich im Frühjahr ab (im Sommer ist er nicht vorhanden). Der Polarwirbel hat eine gleichmässigere Form als der troposphärische Polarwirbel, es gibt jedoch vorübergehende Ereignisse, welche ihn aufbrechen und für kurze Zeit (von einigen Tagen bis maximal einige Wochen) verschwinden lassen. Dies kann jederzeit geschehen, nicht nur wenn der Polarwirbel am schwächsten ist. Des Weiteren kann aufgrund der Bildung eines Hochdruckgebietes mit Zentrum über dem Pol, der Polarwirbel verschoben werden. Im Sommerhalbjahr geschieht dies oft. Der Polarwirbel wird durch das polare Sommerhoch ersetzt, die Zirkulation ändert ihre Richtung und die stratosphärischen Winde kommen aus Osten.

Der troposphärische Polarwirbel

Der troposphärische Polarwirbel ist auch ein Tiefdruckgebiet welches sein Zentrum über dem Pol hat und befindet sich zwischen 5000 bis 9000 Metern Höhe. Der Polarwirbel reicht in der Regel bis zum 40. oder 50. Breitengrad und ist daher ausgedehnter als der stratosphärische Polarwirbel. Der troposphärische Polarwirbel wird ebenfalls durch die westliche Strömung begrenzt, weist jedoch eine weniger kompakte Struktur auf als der stratosphärische Polarwirbel.

Der troposphärische Polarwirbel kann an einzelnen Tagen auch über mehrere Zentren verfügen, jedoch in der Regel besteht der Wirbel aus einem oder zwei Zentren. Im borealen Winter finden sich m Durchschnitt zwei Zentren: eines in der Nähe der Baffininsel (Kanada) und das andere über Nordsibirien.

Der troposphärische Polarwirbel ist im Sommer schwächer und weniger ausgedehnt, aber im Gegensatz zum stratosphärischen Polarwirbel verschwindet er nicht komplett. Da sich der Polarwirbel abschwächt neigt er dazu stärkere Wellenbewegungen zu haben. Dies führt zu plötzlichen Wetteränderungen in den mittleren Breiten. Obwohl die Tropopause die beiden Polarwirbel voneinander trennen, können diese manchmal miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen.

Verwalter der borealen Kälte

Der troposphärische Polarwirbel steht in Wechselwirkung mit den subtropischen Hochdruckgebieten, die sich in den südlicheren Breitengraden befinden. Aufgrund der Erdrotation findet zwischen dem Äquator und dem Pol in der Höhe kein direkter Luftmassenaustausch statt. Die Jetstreams der mittleren Breiten lenken die Luftströmungen ab, welche das Energie-Ungleichgewicht zwischen dem Äquator und den Polen ausgleichen wollen. Ohne die Erdrotation könnte ein direkter Austausch zwischen Nord und Süd stattfinden, und die Dynamik der Erdatmosphäre wäre entschieden anders.

Je grösser die Rotationsgeschwindigkeit des Polarwirbels (Intensität der Höhenwinde) desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass troposphärische Polarluft in Richtung der mittleren Breiten (also in die Schweiz) einbricht. In diesen Fällen ist der Jetstream geradlinig und weist nur wenige Wellen auf. Der Energieaustausch zwischen Äquator und Pol ist schwieriger, und nur wenigen gut organisierten Störungen gelingt es in die mittleren Breiten vorzudringen. Ein schwacher Polarwirbel hingegen verursacht einen wellenförmigen Jetstream, welcher einen Energieaustausch zwischen dem Äquator und dem Pol begünstigt. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich ein Tiefdruckgebiet mit seinen Fronten in die mittleren Breiten bewegt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein intensiver und gut ausgebildeter troposphärischer Polarwirbel mit Zentrum über dem Pol zu intensiven Meeresströmungen und milden Westströmungen über Europa führt. Ein schwacher Polarwirbel hingegen führt zu grösserer Variabilität der Luftströmungen über Europa und damit ein grösseres Risiko für Kaltlufteinbrüche oder Kältewellen besteht.

Plötzliche Erwärmung der Stratosphäre

Es kann vorkommen, dass sich die Stratosphäre im Bereich des Polarwirbels plötzlich erwärmt (bis zu 50°C innerhalb weniger Tage). In diesem Fall spricht man von einer plötzlichen Erwärmung der Stratosphäre, im englischen «sudden stratospheric warming» (SSW). Aufgrund der möglichen Folgen (Kältewellen in den mittleren Breitengraden) weckt dieses Ereignis grosses Interesse. Kommt es zu einer solchen Erwärmung bildet sich in der Stratosphäre ein Hochdruckgebiet, das den Polarwirbel in mehrere Teile aufspalten kann und in südlichere Breitengrade verschiebt. Diese Verschiebung des stratosphärischen Polarwirbels kann sich in der Troposphäre ausbreiten und auch die dort vorherrschende Westströmung stören und verlangsamen.  Der troposphärische Polarwirbel in etwa 5000 Metern Höhe kann auch in mehrere voneinander unabhängige Teile (Tiefdruckzentren) zerfallen.

Die Zirkulation in de Troposphäre ist nicht zwingend mit der Stratosphäre gekoppelt. Es ist möglich einen starken stratosphärischen Polarwirbel und eine schwache Westströmung zu haben. Umgekehrt wirkt sich eine Erwärmung in der Stratosphäre nicht immer auf die Troposphäre aus.

Kaltlufteinbrüche

Ein schwacher Polarwirbel mäandriert stärker (grössere Wellen) als ein starker Polarwirbel. Das führt zu Ausstülpungen (Wellental) mit kalter arktischer Luft, welche in Richtung Europa, Nordamerika oder Asien kanalisiert werden. Die Positionierung dieser Ausstülpungen ist eher zufällig. Eine klimatologische Analyse der Position oder auch über die Häufigkeit ist schwierig, da es noch keine ausreichend lange und homogene Beobachtungsreihe gibt.

Die Position dieser Ausstülpungen ist entscheiden ob eine Kältewelle über Europa auftritt oder nicht. Dafür muss sich diese zwischen Osteuropa und Sibirien etablieren. Mit einem unterbrochenem troposphärischen Polarwirbel und einer schwachen Westströmung, kann sich ein Hochdruckrücken in Richtung Nordsee und Atlantik ausdehnen. Dies begünstigt eine östliche Strömung, welche kalte Luft aus Sibirien nach Europa führen kann.

Das letzte nennenswerte Ereignis einer stratosphärischen Erwärmung, dass zu einem Kaltlufteinbruch über Europa führte, fand im Februar 2018 statt. Mitte Februar kam es zu einer bedeutenden Erwärmung der Stratosphäre und zu einer Spaltung des stratosphärischen Polarwirbels in zwei Teile, eines über Westeuropa und ein weiteres über dem Nordpazifik.

Diese stratosphärische Erwärmung breitete sich in die tieferen Schichten aus und störte den troposphärischen Polarwirbel. Dieser begann stark zu mäandrieren und sorgte für einen Zustrom sehr kalter Luft nach Europa. Mit einer östlichen Strömung gelangte sibirische Kaltluft bis nach Westeuropa.

Das Phänomen bleibt jedoch zeitlich begrenzt. Im Jahr 2018 gewann der Polarwirbel etwa 10 Tage später wieder an Kraft und führte mildere Luftmassen aus Westen nach Europa und beendete so die Kältewelle. Vergangene sehr kalte Winter sind nicht immer auf eine plötzliche stratosphärische Erwärmung zurückzuführen, da diese zeitlich und räumlich begrenzt ist.

Der Antarktische Polarwirbel

Die Dynamik des Wirbels über dem Südpol ist ähnlich wie die des arktischen Polarwirbels, jedoch verläuft die Strömung im Uhrzeigersinn wie bei allen Tiefdruckgebieten auf der Südhalbkugel. Da die Jahreszeiten auf der Nord- und Südhalbkugel umgekehrt sind, ist es sehr selten, dass beide Polarwirbel gleichzeitig vorhanden und stark sind. Der antarktische Polarwirbel (tropo- wie stratosphärisch) weist in der Regel eine gleichmässigere Form auf. Die Zirkulation ist kreisförmiger und neigt weniger zu mäandrieren. Dies liegt insbesondere an der kleineren Ausdehnung der Landmassen in den mittleren Breiten der Südhemisphäre, welche die atmosphärische Dynamik beeinflussen können. Der antarktische Polarwirbel neigt dazu weniger stark auszubrechen. Plötzliche stratosphärische Erwärmungen sind zwar vorhanden, aber noch wenig erforscht und es gibt noch viele Unsicherheiten zu diesem Thema.