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Auf der Suche nach dem ältesten Eis der Welt
MeteoSchweiz-Blog | 01. August 2025

Heute sprechen wir über Eis – allerdings nicht über das Eis Ihrer Gelateria des Vertrauens, sondern über Eis aus der Antarktis. Im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts «Beyond EPICA – Oldest Ice» wurde eine Eiskernprobe mit über 1,2 Millionen Jahre altem Eis entnommen, die nun in den Labors untersucht wird.

Ausblick vom Little Dome C in der Antarktis. (Quelle: Scoto©PNRA/IPEV)
Ausblick vom Little Dome C in der Antarktis. (Quelle: Scoto©PNRA/IPEV)
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Die Bedeutung von Eisbohrkernen

Das Eis der Antarktis ist für die Erforschung der Klimageschichte von entscheidender Bedeutung. Wie wir in unserer Blogserie (Klimatologie im Sonnensystem: Erde – Teil 1 und Klimatologie im Sonnensystem: Erde – Teil 2) gezeigt haben, liefert uns das Eis aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung Informationen über die Temperaturen der Vergangenheit. Aber nicht nur das: Das Eis enthält auch Luftblasen, die uns Aufschluss über die Zusammensetzung der Atmosphäre geben, insbesondere über die Konzentration von Treibhausgasen.

Der älteste Eisbohrkern wurde im Jahr 2002 im Rahmen des EPICA-Projekts (European Project for Ice Coring in Antarctica) am Dome Charlie, besser bekannt als Dome C, im Osten der Antarktis entnommen. Mithilfe dieses Eisbohrkerns war unter anderem eine Rekonstruktion der Temperaturen sowie der Kohlendioxid- und Methankonzentrationen der letzten 800’000 Jahre möglich.

Standort des Dome Charlie bzw. Dome C auf 3200 m Höhe.
Standort des Dome Charlie bzw. Dome C auf 3200 m Höhe. (Quelle: Wikimedia Commons)

Das Projekt «Beyond EPICA – Oldest Ice»

Das Konsortium hinter dem EPICA-Projekt, dem auch die Universität Bern angehört, hat im Jahr 2019 beschlossen, ein noch ehrgeizigeres Projekt in Angriff zu nehmen: die Entnahme eines Eisbohrkerns, um Klimainformationen aus einem Zeitraum von heute bis vor etwa 1,5 Millionen Jahren zu gewinnen. Diese Informationen könnten möglicherweise Antworten auf bestimmte Klimafragen liefern, insbesondere auf die Frage, warum sich die Eiszeitzyklen vor etwa einer Million Jahren – aus bis heute nicht vollständig geklärten Gründen – von einer Dauer von 40'000 Jahren auf eine Dauer von 100'000 Jahren verlängerten.

Es reicht jedoch nicht aus, einfach altes Eis zu entnehmen, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Das Eis muss über den gesamten gewünschten Zeitraum hinweg systematisch angesammelt worden sein, damit der Eisbohrkern eine lückenlose Chronologie liefern kann. Als beste Umgebung für die Entnahme von 1,5 Millionen Jahre altem Eis, das noch in gutem Zustand ist, wurde ein Standort nahe des Dome C identifiziert.

Aufbau des Bohrzeltes im Jahr 2019.
Aufbau des Bohrzeltes im Jahr 2019. (Quelle: M. Frezzotti©PNRA/IPEV)

Eine grosse logistische Herausforderung

Die Durchführung solcher Forschungsprojekte in einer derart schwierigen Umgebung wie der Antarktis ist äusserst anspruchsvoll. So muss beispielsweise ein Basislager eingerichtet werden, für das mehrere Tonnen Material und Lebensmittel transportiert werden muss. Zu beachten ist, dass die lokalen Wetterbedingungen nur während des Südsommers Arbeiten ermöglichen.

Der Bau des Basislagers begann im Jahr 2019. Nach einer durch die COVID-Pandemie bedingten Unterbrechung im Jahr 2020 konnten die Arbeiten im Jahr 2021 mit den ersten Bohrversuchen wieder aufgenommen werden. Das ist keine leichte Aufgabe: Es geht darum, das Eis in einer Tiefe von 2,4 km zu durchbohren und einen Kern derselben Länge zu entnehmen. All dies muss durch ein etwa zehn Zentimeter breites Loch erfolgen, das mehrere Jahre lang zugänglich bleiben muss. Ausserdem muss dieser Eisbohrkern Stück für Stück gelagert werden, wobei darauf zu achten ist, dass die Stücke nicht miteinander vermischt werden. Denn für jedes Stück Eis ist es von entscheidender Bedeutung, genau zu wissen, in welcher Tiefe es entnommen wurde.

Camp Beyond EPICA im Jahr 2019.
Camp Beyond EPICA im Jahr 2019. (Quelle: T. Stocker©PNRA/IPEV)
Frisch entnommenes Eis.
Frisch entnommenes Eis. (Quelle: Scoto©PNRA/IPEV)

Im Januar 2025 wurde schliesslich der Erdboden erreicht. Es wurden fast 2800 Meter Eis entnommen und erste Analysen deuten darauf hin, dass das Eis mindestens 1,2 Millionen Jahre alt ist. Um dieses Ergebnis zu erzielen, waren 200 Tage Bohrarbeiten sowie die Mitarbeit dutzender Wissenschaftlerinnen und Technikern erforderlich, die sich sechs Jahre lang unter spartanischen Lebensbedingungen vor Ort abwechselten.

Dies bedeutet jedoch keineswegs das Ende des Projekts, ganz im Gegenteil. Nun muss das gesamte Eis nach Europa transportiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Kühlkette bei -50 °C aufrechterhalten bleibt und die Proben nicht vermischt werden. Zu diesem Zweck wird das Eis nach und nach in Kühlcontainern an verschiedene Labore verschickt. Im nächsten Südsommer wird erneut ein Team vor Ort sein, um den Transport abzuschliessen und den Abbau des Lagers sicherzustellen.

Bohrloch.
Bohrloch. (Quelle: Barbante©PNRA/IPEV)
Teile des Eisbohrkerns.
Teile des Eisbohrkerns. (Quelle: Westhoff©PNRA/IPEV)
Lagerung der Eisbohrkerne vor Ort.
Lagerung der Eisbohrkerne vor Ort. (Quelle: ©PNRA/IPEV)
Entladung der Kühlcontainer vom Eisbrecher Laura Bassi für den Transport nach Europa.
Entladung der Kühlcontainer vom Eisbrecher Laura Bassi für den Transport nach Europa. (Quelle: Bianchi Fasani©PNRA/IPEV)

Jahrelange Forschung

Während die Teams vor Ort das Ende des Projekts erreichen, steht der wissenschaftliche Teil erst am Anfang. Das Eis trifft gerade erst in den Labors zur Analyse ein. Je nachdem, ob die Untersuchung sich auf das Eis selbst oder auf die darin enthaltenen Luftblasen bezieht, wird es verschiedenen Analysemethoden unterzogen. Diese Analysen, die mit komplexen und oft einzigartigen Instrumenten durchgeführt werden, haben die Besonderheit, dass sie destruktiv sind, das heisst, die untersuchte Probe wird während des Analyseprozesses zerstört. Hier gibt es also keinen Spielraum für Fehler. Der Eisbohrkern wird in kleinere Stücke geschnitten und jedes Gramm Eis wird sorgfältig einem Labor zugewiesen oder für zukünftige Analysen archiviert, für die Technologien erforderlich sind, die heute noch nicht verfügbar sind.

Nun muss abgewartet werden, bis die Analysen durchgeführt sind und die Ergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, bevor dieser Eisbohrkern all seine Geheimnisse preisgibt. Es braucht also noch etwas Geduld…

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