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«Borstentier-mit-Ringelschwanz-artige» Luft liegt über der Schweiz

MeteoSchweiz-Blog | 20. Juni 2023
10 Kommentare

«###»-Luft! Diese nicht zitierfähige Formulierung der aktuellen Luftmasse basierend auf dem umgangssprachlichen Ausdruck für ein Borstentier mit Ringelschwanz (3 Buchstaben) entfuhr dem heutigen Blogger beim Eintritt in die Wetterzentrale. Allgemeine Zustimmung im Plenum und die Aufforderung «Super, nimm das doch als Blog-Titel» waren die Folgen. Voilà ...

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Der Juni: erst trocken, jetzt schwül

Zu den meteorologischen Fakten. Der Blick auf den Verlauf des Taupunktes (ein Mass für den Feuchtegehalt der Luft) bestätigt den Blogverfasser in seiner Einschätzung:

Wegen der mehrheitlich vorherrschenden Bisenströmung lag der Taupunkt die ersten 18 Junitage in der Ostschweiz unter der 15-Gradmarke: trockene Kontinentalluft lag über der Alpennordseite. Mit nachhaltiger Umstellung des Windregimes von Nordost auf Südwest stieg der Taupunkt ab dem Montag, 19. Juni 2023 markant an. Seither liegt er mehrheitlich über der 17-Gradmarke, oberhalb jener das Wetter als schwül empfunden wird. Im Blogbeitrag «Von trocken zu schwül (Teil 1)»  bzw. in unserem Wetterlexikon finden Sie ausführliche Erklärungen dazu.

Vergangene Nacht weitere Anfeuchtung

Und als wäre die Luft nicht schon feucht genug, sorgte eine in der vergangenen Nacht durchziehende Niederschlagszone für weiteren Feuchtenachschub in den untersten Luftschichten, und der Taupunkt stieg weiter an.

Ein in der Höhe durchschwenkender Kurzwellentrog labilisierte die Luftmasse zusätzlich und löste schauerartige, von Südwest nach Nordost die Schweiz überquerende Niederschläge aus. Um den Thuner- und den Brienzersee waren sogar kurzlebige Gewitterzellen eingelagert.

Der Anstieg des Taupunktes mit Einsatz der nächtlichen Niederschläge ist u.a. an unserer SwissMetNet-Station in Zürich/Kloten sehr anschaulich nachvollziehbar: Gegen 23:30 UTC (1:30 MESZ) setzte Niederschlag ein, der in Teilen anschliessend verdunstete. In der Folge stieg der Feuchtegehalt in der Luft, respektive der Taupunkt an.

Zusätzliche Radiosondierung

Während ausserordentlicher Wetterlagen haben wir im Prognosedienst die Möglichkeit, nebst den routinemässigen Radiosondierungen zum 00 und 12 UTC Termin noch weitere Radiosondierungen in Payerne zu starten. So kommen wir heute in den Genuss einer 9 UTC Radiosondierung, die uns sehr schön die hohen Taupunktwerte in den untersten Luftschichten bzw. eine starke Windscherung zeigt. Ferner erkennen wir grün markiert sehr schön, die im gestrigen Blog beschriebene trockene Luftschicht.

«Es ist angerichtet»

Frei nach obigem Motto sind heute Abend die Voraussetzungen für teils heftige Gewitter gegeben.

Die Schweiz liegt auf der Vorderseite eines Tiefdruckgebietes mit Zentrum bei den Britischen Inseln. Mit einer südwestlichen Höhenströmung dauert die Zufuhr feuchtlabiler Luft an. Während die grossräumige Hebung wegen der nur indifferenten bzw. leicht zyklonalen Höhenströmung nicht markant ausfällt, verdienen andere Parameter eine genauere Betrachtung:

Die an den nächtlichen Kurzwellentrog gekoppelte Bewölkung hat sich am Morgen aufgelöst und insbesondere gegen Osten erfolgt eine nahezu ungehinderte Einstrahlung und damit Aufheizung der Grundschicht.

Die Energie für Gewitter ist vorhanden: Die Modelle simulieren CAPE-Werte («Convective Available Potential Energy») von teils deutlich über 2500 J/kg. CAPE ist umgangssprachlich das Benzin für Gewitter.

In den untersten 4500 Metern der Atmosphäre weist das Windprofil eine grosse Scherung auf. Wie im gestrigen Blog beschrieben, ist die Luft unterhalb von rund 3500 Metern recht trocken und gleicht in der 9 UTC Radiosondierung der Form eines umgekehrten V ("inverted V»).

Die Beurteilung obiger Voraussetzungen führt uns schlussendlich zu wenigen, aber teils kräftigen Superzellen-Gewittern. Mangels grossräumiger dynamischer Hebung werden diese voraussichtlich auf die Berge konzentriert sein. Als besonders gefährdet gelten voraussichtlich die Voralpen, wo der in den oberen Alpentälern wehende Föhn und die im Mittelland vorherrschende West- bis Nordwestströmung aufeinandertreffen. Anschliessend entwickeln die Gewitter ein Eigenleben und können teils auf das angrenzende Mittelland ausgreifen.

Das Hauptaugenmerk gilt dem Hagel bzw. den in Gewitternähe auftretenden Sturmböen (voraussichtlich 90-120 km/h).

Unwägbarkeiten:

Die Gewitterlage von heute Abend bzw. der Nacht weist aber noch einige Unwägbarkeiten auf:

Aus Südwesten gelangt heute mit Saharastaub angereicherte Luft in den Alpenraum. Trotz Trübung der Sicht wird die Einstrahlung nicht massiv reduziert. Allerdings wird Saharastaub nicht in den Wettermodellen berücksichtigt, so dass unweigerlich Überraschungen nicht ausbleiben.

Mangels grossräumiger markanter Hebung wird es massgeblich auf die Initialzündung, also die Erstauslösung ankommen. Die Durchsicht verschiedenster Modelle bzw. verschiedenster Modell-Läufe zeigt diesbezüglich noch sehr grosse Unsicherheiten.

Fazit:

Vom «Rohrkrepierer» mit keinen oder nur wenigen schwachen Gewittern bis hin zu 1 bis 2 kräftigen Superzellen reicht heute Abend die zu erwartende Palette. Das Potential für heftige Gewitter ist auf alle Fälle gegeben, wenngleich deren lokales Auftreten noch höchst unsicher ist.

MeteoSchweiz hat für heute Abend einen Warning-Outlook für heftige Gewitter ausgegeben. Die Gewitter selbst werden kurzfristig mit sogenannten Flash-Orages gewarnt.

Gewitter: Wie Gewitter entstehen

Erfahren Sie in unserem Wetterlexikon mehr über die Gewitterentstehung.