Inhaltsbereich

Der Nordatlantik – Teil 2: Marine Hitzewellen im Nordatlantik

MeteoSchweiz-Blog | 21. September 2023
21 Kommentare

In Teil 2 unserer Blogreihe zum Atlantik geht es um die marine Hitzewelle im Nordatlantik. Globale Ozeantemperaturen sind aktuell heisser als je zuvor gemessen. Grund dafür sind heisse Temperaturen einerseits im Pazifik aufgrund des diesjährigen El Niños, aber auch im Atlantik.

  • Klima

Fussbereich

Top Bar Navigation

Alle Schweizer BundesbehördenAlle Schweizer Bundesbehörden

Der Ozean bricht Temperaturrekorde. Wir besprechen wie es dazu kommt. Ein wichtiger Faktor ist das diesjährige El Niño Ereignis, das dazu führt, dass der Pazifik, insbesondere der tropische und Nordostpazifik, besonders warm ist. Darüber haben wir bereits im Juli gesprochen – siehe El Niño im tropischen Pazifik. Nun sehen wir uns die Entwicklung im Atlantik näher an. Teil 1 der Blogserie handelte von der Ozeanzirkulation im Atlantik und gibt es hier zum Nachlesen.

Was ist los im Ozean?

Normalerweise ist die global gemittelte Oberflächentemperatur des Ozeans im März am höchsten. Da die Südhemisphäre über mehr Wassermassen verfügt und im März der südhemisphärische Sommer zu Ende geht, hat sich um diese Zeit am meisten Wärme im Wasser gesammelt. Danach kühlt der Ozean wieder aus.

Anders war es dieses Jahr. Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, steigt die globale Ozeantemperatur seit Mai wieder an und ist seit Ende Juli so hoch wie noch nie zuvor gemessen seit Beginn der Satellitenmessungen im Jahr 1981 und möglicherweise noch weiter zurück. Aber warum? Seit dem Sommerbeginn erlebt der Pazifik ein El-Niño-Ereignis, das dafür sorgt, dass die Temperaturen im tropischen Pazifik erhöht sind (mehr dazu im MeteoSchweiz Blog und auf der Website). Allerdings hat das aktuelle El-Niño-Ereignis gerade erst begonnen. Für den aktuellen Temperaturrekord sind auch hohe Temperaturen im Nordatlantik massgebend.

Die Situation im Nordatlantik

Seit Mai sind die Temperaturen im Nordatlantik erheblich höher als in der Normperiode von 1991 bis 2020 (siehe Animation). Während im Juni vor allem der Nordosten des Atlantiks betroffen war, war im Juli der Nordwesten zu heiss. Diese Situation hält seither weiter an. Teilweise sind Gebiete 6-8 °C wärmer als im Mittel von 1990 bis 2020. Dies führte zu Hitzewellen im Ozean. Von marinen Hitzewellen spricht man, wenn die Wassertemperaturen über eine längere Periode aussergewöhnlich hoch sind. Hohe Wassertemperaturen bedrohen dabei marine Ökosysteme und in Folge auch Menschen, die von diesen Ökosystemen abhängig sind, wie Fischereien oder Torismusbetriebe. Mehr Informationen zu marinen Hitzewellen, deren Klassifizierung und aktuelle Daten gibt es hier. Aktuelle Vorhersagen zu marinen Hitzewellen sind hier zu finden.

Wie ist es dazu gekommen?

Es ist noch zu früh, um definitive Aussagen zu den Gründen für die aktuelle Lage im Nordatlantik zu machen. Doch es gibt einige Faktoren, die Einfluss auf das Geschehen im Ozean haben. Einerseits ist da natürlich der menschgemachte Klimawandel. Der Ozean nimmt 90% der zusätzlichen Wärme im Klimasystem auf und die Meerestemperaturen sind im Vergleich zum vorindustriellen Niveau um 0.9 °C gestiegen. Marine Hitzewellen wie diese werden durch den Klimawandel wahrscheinlicher.

Zusätzlich zur warmen Atmosphäre gab es über die letzten Monate hinweg aussergewöhnlich wenig Wind über dem Nordatlantik. Normalerweise blasen dort recht beständige Westwinde, die helfen die obersten Schichten des Ozeans zu durchmischen. Die erwärmten oberen Schichten mischen sich dann mit tiefer liegenden, kühleren Schichten und die Wärme wird gleichmässig verteilt. Bleiben die Winde aus, mischt sich das Wasser weniger und die oberen Wasserschichten erwärmen sich stärker. Des Weiteren sorgen Winde entlang der West-Afrikanischen Küste auch dafür, dass kühleres Wasser aus tieferen Schichten aufsteigt und den Atlantik kühlt. Die aktuell beobachteten beispiellos schwachen Winde sind vermutlich hauptverantwortlich für die extremen Temperaturen im Nordatlantik.

Ein weiterer Faktor dürfte die Hitze noch einmal verstärkt haben: wenig Aerosole in der Luft. Kleinste Partikel in der Atmosphäre tragen dazu bei, dass weniger Sonnenlicht die Oberfläche erreicht und kühlen diese somit. In den letzten Monaten gab es davon besonders wenig in der Luft über dem Atlantik. Einerseits, da wenig Saharastaub über den Ozean transportiert wurde (wiederum der Windstille geschuldet). Ein weiterer möglicher Faktor ist, dass Nord-Amerika und Europa sowie auch die Schiffe auf dem Ozean die Luft weniger verschmutzen und deswegen weniger Aerosole in der Atmosphäre landen, doch dies ist noch Gegenstand aktueller Forschung. Insgesamt spielten hier also natürliche Variabilität, Klimaerwärmung, aussergewöhnliche Windverhältnisse und Aerosole zusammen.

Wie geht es in Zukunft weiter?

Durch den Klimawandel ist im Allgemeinen mit einer Zunahme der globalen Ozeantemperaturen zu rechnen, da dieser den Mammutanteil der zusätzlichen Wärme im Klimasystem aufnimmt (90%). Die Lage im Nordatlantik ist allerdings besonders komplex. Wer unseren Blogartikel zur Ozeanzirkulation im Atlantik  (AMOC) gelesen hat, weiss, dass diese schwächer wird und dadurch weniger warmes Wasser aus Äquatornähe in den Nordatlantik gelangt. In den letzten Jahren war dadurch eher ein Abkühlungstrend im Nordatlantik zu beobachten. Dies würde Hitzewellen wie diesen in Zukunft eher entgegenwirken.

Allerdings finden marine Hitzewellen vor allem in den obersten Wasserschichten statt und sind dadurch bedingt, dass es wenig Durchmischung mit darunterliegendem Wasser gibt. Es ist also durchaus möglich, dass sich unter der sehr warmen Oberfläche noch immer vergleichsweise kühleres Wasser verbirgt. Des Weiteren geschehen die aktuellen marinen Hitzewellen aufgrund von heisser Sommerluft über dem Wasser und aktuelle Forschung zeigt, dass die Sommertemperaturen weiter zunehmen werden. Die Wirkung der AMOC ist hingegen vorwiegend im Winter und in tieferen Schichten massgeblich. Wie sich die Winde, die für Durchmischung sorgen, in Zukunft entwickeln ist ausserdem sehr unsicher. Aktuelle Forschung zeigt, dass der Klimawandel marine Hitzewellen in Zukunft insgesamt wahrscheinlicher machen wird.

Quellen und weiterführende Informationen

  • Video mit Ozeanexperte Prof. Fröhlicher, Universität Bern
  • Artikel von Copernicus zu marinen Hitzewellen im Juni (auf Englisch)
  • Update von Copernicus zur globalen Meeresoberflächentemperatur bis Juli (auf Englisch)
  • Artikel der CLIVAR Research Focus Group On Marine Heatwaves über die aktuellen marinen Hitzewellen (auf Englisch)