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90 Jahre Locarno-Monti
MeteoSchweiz-Blog | 01. Mai 2025

In den MeteoSchweiz Annalen von 1935 steht: «Die Südschweiz hat […] grundsätzlich andere Verhältnisse als die anderen Landesteile, und es war notwendig und gerechtfertigt, dem durch besondere Massnahmen Rechnung zu tragen.» Diese besondere Massnahme war die Gründung eines regionalen Prognosezentrums auf dem Hügel oberhalb von Locarno. Seit dem 1. Mai 1935 werden dort die Atmosphäre überwacht, das Wetter vorhergesagt und meteorologische Forschung betrieben.

Modernes, mehrstöckiges Gebäude an einem Hang mit grossen Fenstern, umgeben von blühenden Sträuchern und blauem Himmel im Hintergrund.
Alles Gute zum Geburtstag Centro regionale sud! (Bild: MeteoSchweiz).
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Medizin und Tourismus – Hintergründe zur Entstehung des Regionalzentrums

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Tessin – insbesondere der sogenannte Kurtourismus. Zahlreiche Patientinnen und Patienten aus der Deutschschweiz verbrachten längere Zeit in den verschiedenen Sanatorien, die Ende des 19. Jahrhunderts im Tessin entstanden waren. Das Interesse an einer genaueren Erforschung des Tessiner Klimas veranlasste Dr. Carl Schmid-Curtius im Jahr 1926 dazu, systematische meteorologische Messungen auf dem Hügel von Locarno durchzuführen. Drei Jahre später kam es dann zur Gründung der Associazione Climatologica Ticinese. Sowohl Dr. Carl Schmid-Curtius als auch die Tessiner Klimavereinigung wollten die Einzigartigkeit des Tessiner Klimas sowie seine heilenden Eigenschaften vertieft untersuchen und überprüfen.

In den frühen 1930er-Jahren sah sich die Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt mit deutlicher Kritik an der Qualität ihrer Wettervorhersagen für den Südkanton konfrontiert, die damals in Zürich erstellt wurden. Die damalige Direktion reagierte darauf und begann sich mit der möglichen Gründung einer regionalen Niederlassung südlich der Alpen auseinanderzusetzen. Es wurde eine Vereinbarung mit der Tessiner Klimavereinigung geschlossen, um die Messungen, Beobachtungen und Forschungen fortzuführen, die der inzwischen verstorbene Dr. Carl Schmid-Curtius begonnen hatte.

Das Eidgenössische Departement des Innern stellte als Bedingung für die Unterstützung der Gründung der Regionalstelle die Zusicherung eines «lokalen» Finanzbeitrags im Umfang von etwa 50 % der gesamten Betriebskosten. Nach einigen Diskussionen übernahm der Kanton Tessin die Bürgschaft für die finanzielle Beteiligung, welche zum grössten Teil von verschiedenen Gemeinden und Tourismusverbänden des Kantons Tessin geleistet wurde. Damit war die meteorologische und bioklimatische Beobachtungsstelle des Kantons Tessin in Locarno-Monti gegründet.

Prognosen für die italienischsprachige Bevölkerung der gesamten Schweiz

Von Locarno-Monti aus erfolgt die meteorologische Überwachung der gesamten Alpensüdseite – d.h. des Tessins, des Puschlavs, des Bergells, des Misox, des Calancatals und des Münstertals – sowie des Engadins. Für diese Regionen werden täglich Wetterprognosen erstellt und bei Bedarf Warnungen herausgegeben, sowohl für die Bevölkerung als auch für die Behörden. Als zuständige Stelle für die Vorhersagen und Dienstleistungen in italienischer Sprache erstreckt sich der Wirkungsbereich des Zentrums in Locarno-Monti indirekt auf die ganze Schweiz, denn italienischsprechende Menschen im ganzen Land können so die Angebote von MeteoSchweiz in ihrer Sprache nutzen.

Wetterwarnungen: die Bedeutung regionaler Präsenz

Eine der Hauptaufgaben, die MeteoSchweiz gesetzlich übertragen wurde, ist die meteorologische Überwachung, sowie die Herausgabe entsprechender Warnungen. Die tragischen Unwetterereignisse im Sommer 2024 haben einmal mehr gezeigt, wie wichtig die regionale Organisation von MeteoSchweiz ist. Denn in Situationen, in welchen jede Minute zählt, ist die direkte Zusammenarbeit zwischen Wetterdienst, Behörden, Einsatzkräften und den Medien von grösster Bedeutung.

Im Bereich der Wetterwarnungen spielt das Zentrum in Locarno-Monti seit 1978 eine wichtige Vorreiterrolle. Die tragische Überschwemmung war ein wichtiger Auslöser für die Entwicklung damals noch fehlender moderner Warnsysteme. Verschiedene Pilotprojekte, u. a. das erste Konzept für Hitzewarnungen, wurden zunächst in Locarno-Monti entwickelt, umgesetzt und erst später schweizweit eingeführt.

Forschung und Entwicklung: der Schlüssel zu kontinuierlichem Fortschritt

Was der Öffentlichkeit vielleicht weniger bekannt ist: Die Regionalzentrale Locarno-Monti ist seit 1935 ein aktives Zentrum für Forschung und Innovation. Die Bioklimatologie und die Erforschung der Sonnenstrahlung waren die ersten Forschungsgebiete, denen in der Nachkriegszeit Hagelabwehr-Experimente zum Schutz des Tabakanbaus folgten.

Später gab es Studien und Forschungen auf dem Gebiet der Wolkenphysik, insbesondere über die Entstehung von Niederschlägen und Hagel. 1970 begann die Entwicklung der Wettersensoren, die den Grundstein für das erste landesweite automatische Messnetz legten. Mit dem Aufkommen der Wettersatelliten begann man Daten in Echtzeit für ganz MeteoSchweiz auszuwerten – eine Tätigkeit, die bis heute in Locarno wahrgenommen wird. Der Forschungsschwerpunkt in Locarno-Monti liegt jedoch auf der Radarmeteorologie: Seit 1960 werden Methoden zur Niederschlagsmessung in der komplexen alpinen Orographie entwickelt und laufend verbessert. Dass man heute auf dem Smartphone die Entwicklung eines Niederschlagsgebiets, eines nahenden Hagelgewitters oder Schneefall verfolgen kann, verdankt man der Arbeit aus Locarno-Monti, wo das Schweizer Netzwerk fünf Wetterradare in Echtzeit betreibt.

In den letzten 20 Jahren wurden zahlreiche Forschungen im Bereich des Nowcastings durchgeführt, also der Entwicklung automatischer Prognosemethoden für die Kurzfristvorhersage (0-6 Stunden) und u. a. auch von intensiven Phänomenen wie Gewitter. In den letzten Jahren neu hinzugekommen ist der Einbezug von Methoden und Algorithmen basierend auf künstlicher Intelligenz. Diese werden vor allem im Nowcastingbereich eingesetzt. Erste operative Anwendungen wurden bereits in der MeteoSwiss-App implementiert.

Dank Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ist MeteoSchweiz Locarno-Monti heute im internationalen Netzwerk der meteorologischen Forschungszentren gut positioniert und anerkannt. Aus diesem Grund fungiert Locarno-Monti auch als offizielle Vertretung der Schweiz in wissenschaftlichen Ausschüssen internationaler meteorologischer Organisationen im Bereich der Satelliten- und Radarmeteorologie.

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