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Hagelklimatologie

Hagelstürme treten in der Schweiz häufig auf und richten dabei jedes Jahr verheerende Schäden in Millionenhöhe an. Die Muster der Hagelhäufigkeiten zeigen starke regionale Unterschiede. Mithilfe des Schweizer Wetterradarnetzes beobachtet und analysiert MeteoSchweiz die Häufigkeit von Hagelereignissen in der Schweiz sowie die auftretenden Hagelkorngrössen. Die klimatologischen Karten zeigen für den Messzeitraum seit 2002 monatlich und jährlich die Anzahl Hageltage sowie die Hagelkorngrössen in räumlich hoher Auflösung. Zudem werden langjährige Mittelwerte sowie die statistischen Wiederkehrwerte der Hagelkorngrössen für verschiedene Wiederkehrperioden berechnet. Die Hagelklimatologie wurde nutzerorientiert in einem Public-Private Partnership erstellt und stellt eine national einheitliche Grundlage für die Risikobewertung von Hagelereignissen dar.

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Jährlich wiederkehrende Schäden in Millionenhöhe an Gebäuden, Autos, und landwirtschaftlichen Kulturen zeigen die Auswirkungen von schweren Hagelgewittern eindrücklich. Die wichtigste Grundlage, um die Hagelgefährdung verlässlich abschätzen zu können, sind Messmethoden, die räumlich und zeitlich hoch aufgelöst sind, sowie langjährige Datenreihen. Die Wetterradare von MeteoSchweiz bieten eine solche Datengrundlage zur klimatologischen Auswertung des Hagelvorkommens in der Schweiz.

Die Produktepalette besteht einerseits aus den neuen Klimagitterkarten für die mittlere Anzahl Hageltage und Angaben zu den Hagelkorngrössen pro Jahr oder Monat und andererseits aus den Karten der Wiederkehrperioden von Hagelkorngrössen. Für die Erstellung der Wiederkehrperiodenkarten wurde ein eigenes, nutzerorientiertes statistisches Resampling-Verfahren entwickelt (HailStoRe). Basierend auf den beobachteten Hagelereignissen werden wahrscheinlichkeitsbasiert unbeobachtete, aber klimatologisch plausible Hagelereignisse erzeugt, um Auftretenswahrscheinlichkeit bestmöglich abzuschätzen.

Für diese Klimadienstleistung flossen das Wissen und die Bedürfnisse von Projektbeteiligten aus der Versicherungs- und Bauwirtschaft, des Bevölkerungsschutzes und der Land- und Forstwirtschaft zusammen, um Klimainformationen nutzerfreundlich und anwendungsorientiert bereitzustellen. "Hagelklima Schweiz" ist ein Themenschwerpunkt im National Centre for Climate Services (NCCS).

Hagelklimatologie

Monats- und Jahresgitterkarten

Das Vorkommen von Hagel und Hagelkorngrössen werden mit den Parametern Anzahl Hageltage (Tage mit Hagel) sowie Hagelkorngrösse beschreiben. Sie zeigen die Anzahl der Hageltage für die Monate des Sommerhalbjahres, April bis September, sowie die Gesamtsumme der Hageltage über die sechs Monate.

Die Hageltage werden mithilfe des Radarhagelalgorithmus POH berechnet: Überschreitet die Hagelwahrscheinlichkeit an einem Tag an einem Ort während mindestens 5 Minuten, d.h. während eines Radarmessschrittes, ein Grenzwert von 80%, wird dieser Tag als Hageltag gezählt. Vergleichsstudien mit Schadendaten haben gezeigt, dass der 80%-Schwellwert das räumliche Ausmass von Hagel sowie das Auftreten von Hagelschäden gut abbildet (Nisi et al. 2016). Werden Hageltage für eine grössere Region wie beispielsweise die ganze Schweiz berechnet, wird meist ein Schwellwert an Quadratkilometer (z.B. 100 km2) herangezogen. Wenn mindestens diese Fläche von Hagel betroffen war, wird dieser Tag als Hageltag gezählt.

Informationen zur Hagelkorngrösse werden auf Basis des Radaralgorithmus MESHS berechnet. Sie zeigen monatlich und jährlich die grösste vom Radar zu erwartende Hagelkorngrösse pro Quadratkilometer (1 km2).

Alle Monats-und Jahresgitterkarten werden für die Monate der konvektiven Saison berechnet und monatlich erweitert. Die Jahreskarten werden nach Ende jeder konvektiven Saison aufdatiert.

Karten der langjährigen Mittelwerte

Für die Parameter Hagelkorngrösse und Anzahl Hageltage werden schweizweit die langjährigen Jahres- und Monatsmittel pro km2 berechnet. Die Karten zeigen, wie viele Hageltage durchschnittlich jedes Jahr auftreten und wie häufig Ereignisse mit bestimmten Hagelkorngrössen, beispielsweise mit Durchmesser ab 2 cm, respektive ab 4 cm,  erwartet werden.

Die Hagelhäufigkeit der Hageltage zeigt in der Schweiz ein ausgeprägtes räumliches Muster. Besonders im Südtessin, Emmental, Entlebuch und Napfgebiet, sowie entlang des Juras gibt es Regionen, in denen häufig mit Hagel gerechnet werden muss. Im Südtessin tritt an einigen Orten im Durchschnitt jedes Jahr bis zu dreimal Hagel auf.  Sehr viel seltener tritt Hagel in den Gebirgsregionen auf - häufig wurde hier während der gesamten Messreihe nur in Einzelfällen ein Hagelsignal gemessen. Leicht höher ist die Frequenz der Hageltage im nördlichen Graubünden, wo in der Vergangenheit ein Hageltag alle 2-3 Jahre vorkam.

Aufgrund des seltenen Auftretens von Hagel sind Mittelbildungen der Hagelkorngrössen über viele Jahre nicht aussagekräftig. Als Klimatologie wird die Anzahl Tage mit maximalen Hagelkorngrössen ab 2 cm und ab 4 cm bereitgestellt. Diese erlauben eine robuste Aussage über die Häufigkeit von Ereignissen bestimmter Korngrössen.

Die Auswertungen berücksichtigen alle verfügbaren Radarhageldaten seit 2002. Die langjährigen Mittel sind für die gesamte Zeitperiode (2002 bis heute) und für die Periode der neuesten Wetterradargeneration (2013 bis heute) auswählbar. In den Jahren 2002 bis 2012, welche auf eine ältere Radargeneration stützen, gibt es noch vereinzelt Regionen erhöhter Unsicherheiten in den Daten, welche sich in Radar-typischen Mustern wie beispielsweise wellen- oder strahlenförmigen Signaturen rum um die Radarstation La Dôle zeigen. Diese sind mit der neuesten Messtechnik nahezu vollständig eliminiert.

Zeitverläufe der Hageltage

Hagel tritt an einzelnen Orten selten auf, betrachtet man die ganze Schweiz zusammengenommen, sind Hageltage aber ein durchaus häufiges Ereignis. Seit Messbeginn im Jahr 2002 werden in jedem Sommerhalbjahr durchschnittlich 33 Hageltage gezählt (+/-  9 Tage), an denen schweizweit eine Fläche von mindestens 100 km2 von Hagel betroffen ist.

Im Sommerhalbjahr, von April bis September, ist in der Schweiz am häufigsten mit Hageltagen zu rechnen. In der restlichen Zeit des Jahres sind Hageltage seltener zu erwarten. Diese monatlichen Unterschiede folgen einem Jahresgang, der in den Sommermonaten Juni, Juli und August das Maximum an Hageltagen erreicht. Im Mittel über den Zeitraum von 2002 bis 2020 traten im Juli in der Schweiz um die 10 Hageltage auf.

Die zeitliche Entwicklung der Anzahl Hageltage pro Jahr zeigt, dass es zwischen den einzelnen Jahren zu grossen Schwankungen kommt. Neben den überdurchschnittlich hagelreichen Jahren 2003, 2008, 2009 sowie 2017/2018 verzeichneten die Wetterradare in den Jahren 2010 und 2014 sehr wenig Hagel.

Hagelereignis: Als Hagelereignis wird zusammenfassend das Hagelgeschehen bezeichnet, das sich während 24 Stunden von 6UTC bis 6UTC über der Schweiz abgespielt hat. Der Zeitraum berücksichtigt, dass in den frühen Morgenstunden ein Minimum an Hagelaktivität verzeichnet wird. Dies ermöglicht die bestmögliche Trennung von unabhängigen Hagelereignissen.
Hagelzug: Als Hagelzug wird die Zugbahn und der Wirkbereich einer einzelnen, vom MeteoSchweiz Gewittertracking-Algorithmus detektierten Gewitterzelle bezeichnet.
Hageltag: Als Hageltag an einem Ort bzw. Radarpixel wird ein Tag definiert, an welchem der Grenzwert der Hagelwahrscheinlichkeit POH ≥ 80 % überschritten wurde. Für die Auswertung von grösseren Regionen wird ein Schwellwert für die Mindestfläche der betroffenen Radar-Pixel angewendet. Für die Gesamtschweiz wurde ein Schwellwert von 100 km2 festgelegt.
Hagelkorngrösse: Die Hagelkorngrösse bezieht sich auf den Durchmesser eines Hagelkorns. Sie wird im besten Fall mit einem Lineal gemessen, oft werden Grössenbestimmungen mithilfe von Referenzobjekten, wie einer Münze, bestimmt. Für die Bestimmung der Korngrösse mittels Radarbeobachtung werden Rechenalgorithmen eingesetzt (siehe MESHS).
MESHS: MESHS steht für "Maximum Expected Severe Hail Size" und bezeichnet die maximal zu erwartende Hagelkorngrösse am Boden innerhalb eines Radar-Pixels von 1 km2 (Treloar 1998 und Joe et al. 2004).
POH: POH steht für "Probability of Hail" und bezeichnet die Hagelwahrscheinlichkeit mit der Hagel am Boden zu erwarten ist. Der Wert bezieht sich auf ein Radar-Pixel von 1 km2 (Waldvogel et al. 1979 und Foote et al. 2005).
LEHA: LEHA steht für "Largest Expected Hail on a reference Area" und beschreibt das grösste zu erwartende Korn auf einer kleineren Referenzfläche als dem bei MESHS betrachteten Quadratkilometer. LEHA ist eine statistische Ableitung aus der Hagelkorngrösse MESHS. Das maximale bei MESHS erwartete Hagelkorn, wird auf einer oder wenigen LEHA-Referenzflächen innerhalb des MESHS-Quadratkilometers erwartet. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist aber sehr klein. Auf der Mehrheit der kleineren Referenzflächen werden die LEHA-Grössen erwartet.
Footprint: Als Footprint wird das hochaufgelöste räumliche Muster der Hagelkorngrössen MESHS innerhalb eines einzelnen Hagelzuges bezeichnet.
Stochastisches Eventset: Ein stochastisches Eventset basiert auf einer statistischen Vervielfältigung von Ereignissen. Das Ziel von stochastischen Eventsets ist es, mögliche Gefährdung auch dort abzubilden, wo aufgrund kurzer Datenreihen bisher noch keine Ereignisse beobachtet wurden, sie aber aus meteorologisch-klimatologischer Sicht plausibel sind. Hiermit lassen sich zum Beispiel drohende Schäden zufallsbasiert abschätzen.

  • Bloemendaal N., Haigh I. D., de Moel H., Muis S., Haarsma R. J., J. C. J. H. Aerts (2020). Generation of a global synthetic tropical cyclone hazard dataset using STORM,  Scientific Data, 7, 40
  • Foote G.A., Krauss T.W. and V. Makitov (2005).  Hail metrics using convectional Radar, Proceedings of the 16th Conference on Planned and Inadvertent Weather Modification, San Diego, CA, USA
  • Joe P., Burgess D., Potts R., Keenan T., Stumpf G., Treloar A.B.A. (2004). The S2K severe weather detection algorithms and their performance, Weather Forecast., 19, pp. 43-63
  • Nisi L., Martius O., Hering A., Kunz M., Germann U. (2016). Spatial and temporal distribution of hailstorms in the Alpine region: a long-term, high resolution, radar-based analysis
    Q. J. R. Meteorol. Soc., 142, pp. 1590-1604
  • Schwierz, C., Köllner-Heck, P., Zenklusen Mutter, E., Bresch, D. N., Vidale, P.-L., Wild, M., Schär, C. (2010). Modelling European winter wind storm losses in current and future climate, Clim. Change, 101, pp. 485-514, 748
  • Treloar A.B.A. (1998). Vertically integrated radar reflectivity as an indicator of hail size in the greater Sydney region of Australia, Proceedings of the 19th Conference on Severe Local Storms, Minneapolis, MN, USA, pp. 48-51
  • Waldvogel A., Federer B., P. Grimm (1979). Criteria for the detection of hail cells, J. Appl. Meteorol., 18, pp. 1521-1525