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Systematische meteorologische Messungen ab Dezember 1863
Am 1. Dezember 1863 begannen in der Schweiz systematische meteorologische Messungen. Seither wird das Wetter Tag für Tag gemessen – zuerst manuell und heute auch automatisch.
Am 1. Dezember 1863 begannen in der Schweiz systematische meteorologische Messungen. Seither wird das Wetter Tag für Tag gemessen – zuerst manuell und heute auch automatisch.
Die ersten instrumentellen meteorologischen Messungen in der Schweiz gehen auf das frühe 18. Jahrhundert zurück (Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733), Physiker und Mathematikprofessor in Zürich). Aber erst im Dezember 1863 begannen systematische Messungen in der ganzen Schweiz nach einem standardisierten Verfahren und mit den gleichen Messgeräten an allen Stationen.
Unter der Leitung der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft war das Konzept für das erste meteorologische Beobachtungsnetz entwickelt worden. Basierend auf diesem Konzept und dank der Unterstützung durch die vereinigte Bundesversammlung wurden 88 Stationen in der ganzen Schweiz ausgerüstet. Zwischen Genf und St. Gallen sowie Basel und Brusio wurden damit die wichtigsten Klimaregionen des Landes abgedeckt. Dank der Hospize auf den Alpenpässen (z.B. Grosser St. Bernhard, St. Gotthard, Grimsel) sogar bis in hohe Lagen.
Trotz Koordination und finanziellem Support durch den Bund war das erste Beobachtungsnetz anfänglich nach wie vor ein System von Freiwilligen, welche an 365 Tagen im Jahr dreimal pro Tag zur gleichen Zeit in der ganzen Schweiz systematisch die Wetterverhältnisse beobachteten. Die Naturforschende Gesellschaft sammelte die Daten, die ausschliesslich für klimatologische Zwecke verwendet wurden. Erst mit der Gründung der Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt (heute: Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie) im Jahr 1881 wurde die Professionalisierung des Personals und der Instrumente weiter vorangetrieben. Und auch das Stationsnetz wurde im Laufe der Jahre ausgebaut und umfasste zu Beginn des 20. Jahrhunderts bereits rund 120 vollausgerüstete Klimastationen und zusätzliche rund 250 Standorte, an denen ausschliesslich die Niederschlagsmenge registriert wurde.
Die ersten automatischen Wetterstationen wurden in der Schweiz 1981 eingeführt. Diese Stationen schickten die automatisch registrierten Messungen der verschiedenen meteorologischen Grössen ab diesem Zeitpunkt alle 10 Minuten an einen Zentralrechner der Schweizerischen Meteorologischen Anstalt, wo sie auf ihr Plausibilität hin geprüft und in digitalen Datenarchiven abgespeichert wurden. Bis zu Beginn der 1990er Jahre waren rund 70 solcher Stationen in der Schweiz in Betreib. Ab 2005 wurde ein zweites Automatisierungsprojekt durchgeführt, während dem die veraltete Technik der ersten Stationen ersetzt und alle anderen vollausgerüsteten Wetter- und Klimastationen automatisiert wurden. Historisch betrachtet bedeutet dies, dass alle Informationen über das Wetter in unserem Land, die wir in unseren Archiven haben und aus den ersten rund 120 Jahren stammen, auf manuell durchgeführten Beobachtungen und Ablesungen beruhen und nur dank der sorgfältigen Arbeit von Menschen verfügbar sind, die Tag und Nacht Wetterbeobachtungen durchführten. Eine unschätzbar wertvolle Arbeit, die von Mönchen, Lehrerinnen, Landwirten, Wetterenthusiastinnen, Festungs- und Grenzwächtern, Polizistinnen und vielen mehr geleistet wurde.
Von den ursprünglich 88 Messstationen sind viele noch in Betrieb. Ohne diese langen Messreihen, die heute mehr als 150 Jahre zurückreichen, wäre es nicht möglich, die klimatischen Veränderungen in der Schweiz von der industriellen Revolution bis heute zu verfolgen. Allerdings mussten die Stationen im Laufe der Zeit oft mehrfach verschoben werden, z.B. bei einem Wechsel des Beobachters oder weil sich eine automatische Station nur selten am Standort der alten Wetterhütte installieren liess. Vor der Analyse der langjährigen Entwicklung müssen die Messreihen deshalb vom Einfluss solcher Veränderungen befreit werden, was mit der Methodik der Homogenisierung von Messreihen geschieht.
Alle Informationen über das Wetter in unserem Land wurden vor 1981 manuell gesammelt. Tag und Nacht, bei jedem Wetter wurden die wichtigen Informationen sorgfältig z.B. von Mönchen, Lehrer:innen, Landwirten, Wetterenthusiast:innen, Festungs- und Grenzwächtern, Polizist:innen und vielen mehr festgehalten.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich innerhalb der Meteorologie ein grosses Interesse, die Datenerhebung in vertikaler Richtung auszudehnen. Theoretisch orientierte Meteorologen drängten darauf, Beobachtungen aus höheren Schichten der Atmosphäre zu sammeln. Sie erhofften sich daraus neue Erkenntnisse, um die Wettervorgänge besser zu erklären. Die meteorologische Datenerhebung des 19. Jahrhunderts war allerdings darauf angewiesen, dass Beobachterinnen und Beobachter rund ums Jahr vor Ort waren und regelmässig Messungen durchführen konnten. In höher gelegenen Regionen waren in der Schweiz auf permanent bewohnten Pässen wie dem Grossen Sankt Bernhard oder dem Gotthard solche Stationen in Betreib. Die Messungen waren allerdings nicht frei von lokalen Einflüssen.
Der zweite internationale Meteorologenkongress von 1879 in Rom verabschiedete eine Resolution, in der die Schweiz gebeten wurde, ein Observatorium auf einem der hohen Gipfel in der Schweiz zu errichten. Auf Vorschlag von Robert Billwiler, dem ersten Bureauchef der 1881 gegründeten Schweizerischen Meteorologischen Zentralanstalt, wurde der 2500 m höhe Säntis als Standort ausgewählt, dessen Gipfel relativ frei lag und verhältnismässig gut zugänglich war. Neben der finanziellen Unterstützung des Bundes beteiligten sich an der Einrichtung einer gut ausgerüsteten Station im Säntis-Gasthaus auch der Schweizerische Alpenclup, verschiedene naturforschenden Gesellschaften und mehreren Kantonsregierungen. Die ganzjährig betriebene Station konnte im September 1882 eröffnet werden.
Abgelesen wurden die installierten Messgeräte fünfmal am Tag und der Beobachter stand mittels einer Telegrafenleitung täglich in Kontakt mit der Zentralanstalt in Zürich. Bald zeigte sich jedoch, dass die im Obergeschoss des Gasthauses untergebrachten Instrumente unter Erschütterungen litten, insbesondere wenn an Sommerwochenenden viel Betrieb war. Um die vollumfängliche wissenschaftliche Nutzung des Säntis zu ermöglichen, wurde deshalb bereits 1886 mit dem Bau eines Observatoriums begonnen, das ein Jahr später in Betrieb genommen werden konnte.
Die Säntisstation war bei ihrer Eröffnung 1882 der höchste permanente meteorologische Beobachtungsposten Europas gewesen. Im Verlauf der 1880er Jahre kamen weitere solcher Observatorien hinzu wie zum Beispiel auf dem Pic du Midi in den Pyrenäen oder auf dem Sonnblick in den Ostalpen. Zusammen mit Daten der aufkommenden Ballonflüge konnte so die meteorologische Erforschung der höheren Luftschichten vorangetrieben werden.
Quelle: Hupfer Franziska (2019): Das Wetter der Nation. Chronos Verlag, Zürich. ISBN 978-3-0340-1502-8